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Politik

Gewalt und Betrugsvorwürfe bei Wahlen

27. März 2019

In Nigerias Bundesstaat Kano ist es zu massiver Wahlfälschung unter Waffengewalt gekommen, wie Augenzeugen berichten. Unabhängige Beobachter wurden systematisch ferngehalten. Die Opposition will das Ergebnis anfechten.

Eine Frau mit Kind auf dem Rücken steht an einer Wahlkabine
Eine Wählerin gibt bei der ersten Runde der Regionalwahlen ihre Stimme abBild: Reuters/A. Sotunde

Eigentlich wollte Rukayya Abba ganz einfach ihre Stimme abgeben. Doch das Bild, das sich ihr im Dorf Bichi bot, brachte sie aus der Fassung: "Alles war voller bewaffneter Hooligans", sagt sie zur DW. "Wir haben dann nicht gewählt, weil wir Angst um unser Leben hatten." Ähnliche Erfahrungen machten auch andere Menschen im Bundesstaat Kano, die an der verschobenen Gouverneurswahl in Nigeria am 23. März teilnehmen wollten. Für 128.000 Menschen in 28 Verwaltungsbezirken waren die Wahlen wegen Regelwidrigkeiten oder Gewalt um zwei Wochen verschoben worden.

Doch viele wurden offenbar, wie Rukayya Abba, systematisch von der Stimmabgabe abgehalten. "Tausende Hooligans, bewaffnet mit Macheten, Knüppeln und Messern haben jedes einzelne Wahllokal umstellt, Menschen bedroht und schließlich die Wahlbüros übernommen", sagt Wahlbeobachter Jibrin Ibrahim von der Nichtregierungsorganisation "Zentrum für Demokratie und Entwicklung" im DW-Interview. Ein Wahlhelfer habe sich ihm anvertraut, schrieb Ibrahim zuvor in der nigerianischen Zeitung "Premium Times". Dieser habe sich den Anweisungen entsprechend schon am Vorabend in einem Wahlzentrum eingefunden. In der Nacht hätten Polizisten die versammelten Wahlhelfer mit Tränengas aus dem Haus getrieben, um ihre Personalien zu überprüfen.

Erst die Brunnen, dann die Knüppel

Am Wahltag, so berichtet der Helfer, hätten Hooligans zunächst die Wahlhelfer der Oppositionspartei PDP vertrieben, um dann gefälschte Wahlzettel in die Wahlurnen zu stopfen und bereits abgegebene PDP-Stimmen durch einen zweiten Daumenabdruck ungültig zu machen. Die noch anwesenden Wahlhelfer hätten - unter Todesdrohungen - mitspielen und zuletzt die gefälschten Ergebnisse bestätigen müssen.

An den Wahlergebnissen in manchen Regionen gibt es KritikBild: Reuters/A. Temilade

Dieser Wahlverlauf sei nicht vorherzusehen gewesen, sagt Ibrahim. Die vorangegangenen Wahlen seien weitgehend friedlich verlaufen. "Die Menschen hatten den Eindruck, dass der Gouverneur die Wahlen durch Entwicklungsprojekten gewinnen wollte. Er hatte Brunnen bohren lassen, Gesundheitszentren wieder hergerichtet und dergleichen mehr." Nach dem regulären Wahlgang am 9. März hatte die Wahlkommission die Ergebnisse einiger Stimmbezirke annulliert. Der amtierende Gouverneur Abdullahi Musa Ganduje lag nach Zählung der gültigen Stimmen hinten - aber zu knapp, um seine Niederlage festzustellen. Ganduje ist Mitglied der Partei APC, zu der auch Nigerias Präsident Muhammadu Buhari gehört.

Presse und Beobachter in Gefahr

Die Nachwahlen am Samstag wurden zum Desaster. Auch Wahlbeobachter und Journalisten wurden eingeschüchtert. Die Beobachtermission der Europäischen Union, die mit 20 Beobachtern vor Ort war, erklärte am Montag, sie habe Teile des Bundesstaats gar nicht erst betreten können. Wer versucht habe, Fotos zu machen oder Interviews zu führen, sei angegriffen worden, berichtet DW-Korrespondent Nasiru Salisu Zango. "Es war die schlimmste Wahl, die ich in meinem Leben erlebt habe." Sein Kollege Mu'azu Muhammad wurde im Nordosten des Bundesstaats verprügelt, als er einige Autos inspizierte. Zuvor hatte er feststellen können: "Die Kennzeichen waren von außerhalb." Ein BBC-Kollege hatte sich gar in das Haus des Distriktverwalters retten müssen.

Die Partei PDP des unterlegenden Kandidaten Abba Kabir Yusuf will das Wahlergebnis anfechtenBild: Sanusi Bature

"Wir sind alle ausgebildete Journalisten", sagt DW-Korrespondent Zango. "Wir wissen, was wir zu tun oder zu lassen haben. Wir waren da, weil wir für diese konkrete Wahl eine Akkreditierung bekommen hatten." Die Polizei sei gespalten gewesen, so Zango. Zwar habe sie einzelne Journalisten aus der Gefahrenzone gebracht. "Aber die Polizei hat nichts dagegen unternommen, dass Menschen eingeschüchtert wurden, weil sie einfach nur ihre Stimme abgeben wollten."

Beobachter fordern Wahlwiederholung

Auch in einigen anderen Bundesstaaten wurde vergangenen Samstag gewählt. Dabei war es relativ ruhig geblieben. Doch gerade in Kano habe man nicht mit Ausschreitungen gerechnet, sagt Alhassan Mahmoud von der Nichtregierungsorganisation "Zentrum für Demokratie und Sicherheit". "Alle nordnigerianischen Bundesstaaten sind stolz auf Kano, andere kleine Staaten wie Sokoto, Benue und Adamawa nehmen sich den Bundesstaat zum Vorbild. Aber dieses Mal liegt Kano falsch", so Mahmoud im DW-Interview.

Ausgerechnet in Kano liegt auch schon ein Ergebnis vor: Die Wahlkommission erklärte am Sonntag den amtierenden Gouverneur Abdullahi Umar Ganduje zum Sieger. Nach offiziellen Angaben erhielt er einen knappen Vorsprung von fast 9000 Stimmen. Die PDP hat angekündigt, das Ergebnis anzufechten. Sie hält ihren Kandidaten für den rechtmäßigen Sieger, da er bei der Wahl am 9. März die relative Mehrheit der Stimmen erzielte. Auch Beobachter Alhassan Mahmoud will das Ergebnis nicht gelten lassen und fordert, die Nachwahl zu annullieren. "Ich würde diese Wahl nicht als Wahl bezeichnen, sondern als Wahlmissbrauch, Einmischung und Manipulation zugunsten von [Abdullahi] Ganduje."

Jibrin Ibrahims "Zentrum für Demokratie und Entwicklung" spricht von einem deutlichen Rückschlag für die nigerianische Demokratie. Es sei bedauernswert, dass der freiwillige Wahlhelfer, der sich ihm anvertraut habe, nach anfänglicher Begeisterung nun nie mehr bei einer Wahl mithelfen wolle, schrieb Ibrahim in der "Premium Times". Er ruft andere Wahlhelfer dazu auf, ihre Geschichten öffentlich zu machen.

Mitarbeit: Uwaisu Idris, Nasiru Salisu Zango