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Politik

Frontex soll Menschenrechtsverstöße begehen

Bernd Riegert Brüssel
5. August 2019

Berichten zufolge soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Augen vor Menschenrechtsverletzungen durch nationale Beamte verschließen. Außerdem soll auch Frontex selbst immer wieder gegen Menschenrechte verstoßen.

Bulgarien Grenze Türkei Frontex Beamte
Bild: EU/N. Doychinov

In der Pressestelle der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex ging es am Montag hektisch zu. Man bereite eine ausführliche Stellungnahme vor, versprach die Sprecherin von Frontex in Warschau, Izabella Cooper, kurz angebunden am Telefon. Heraus kam ein halbes Dementi auf die Vorwürfe, die in einem Bericht des Bayerischen Rundfunks und der britischen Zeitung "Guardian" enthalten sind. Grenzschutzbeamte, die direkt Frontex unterstünden, seien an Gewaltexzessen oder rechtswidrigen Abschiebungen an den Außengrenzen der EU nicht beteiligt gewesen, heißt es in der Erklärung der Grenzschutzbehörde. Für die nationalen Beamten, die zum Beispiel an der ungarischen oder der bulgarischen Außengrenze, Migranten abwiesen und dabei Menschenrechte verletzten könnten, sei nicht Frontex, sondern die nationale Dienststelle zuständig. Die Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel, Mina Andreeva, sagte, es sei wichtig, zwischen nationalen Grenzschutzbeamten und europäischen Grenzschutzbeamten von Frontex zu unterscheiden.

EU-Kommission will Vorwürfe prüfen

Der Bayerische Rundfunk und der "Guardian" berufen sich auf interne Frontex-Berichte, die beschreiben, dass Grenzbeamte aus Ungarn, Bulgarien oder Griechenland Flüchtlinge und Migranten schlagen, mit Hunden durch den Wald hetzen und illegal über die bereits überquerte Grenze zurückschieben. Die Kommissionsprecherin bestätigte die Existenz dieser internen Dokumente. "Es gibt Berichte, die dem Management-Rat der Agentur vorgelegt wurden. Das zeigt, dass es einen Mechanismus gibt, um zu überwachen, ob und wie die Menschenrechte bei allen Aktivitäten von Frontex eingehalten werden", sagte Mina Andreeva.

In der Tat gibt es eine Menschenrechtsbeauftragte innerhalb der Frontex-Behörde. Alle Grenzschützer unterliegen außerdem einer Meldepflicht, falls sie Menschenrechts-Verstöße beobachten sollten, erklärte die Frontex-Pressestelle in Warschau. Den Vorwurf, Frontex-Beamte, würden bei Abschiebeflügen Menschenrechte verletzen, was den internen Berichten zu entnehmen sein soll, wies die Behörde heute "kategorisch" zurück. "Jede Form der Gewalt oder des Missbrauchs von Flüchtlingen oder Migranten ist nicht hinzunehmen. Wir werden jetzt mit der EU-Grenzschutz diese Vorwürfe überprüfen und entsprechend reagieren", kündigte EU-Kommissionsprecherin Andreeva an.

Deutsche Polizeibeamte im Frontex-Auftrag am Grenzzaun zwischen Griechenland und Nord-MazedonienBild: picture-alliance/dpa/A. Angelopoulou

Keine eigenständigen Ermittlungen

Frontex selbst weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass es die Mitgliedsstaaten an deren Grenzen nur berät. Hoheitliche Entscheidungen dürfen die EU-Grenzschützer nicht treffen. Viele von ihnen seien nur "ausgeliehenes" Personal. So sind zum Bespiel derzeit 105 deutsche Grenzschutzbeamte im Auftrag von Frontex überwiegend in Griechenland aktiv. Die Grenzschutzbehörde der EU, die im Moment etwa 1500 Mitarbeiter hat, habe "keine Autorität über das Verhalten nationaler Grenzschutzpolizisten und habe keine Vollmacht, Ermittlungen auf dem Gebiet der EU-Mitgliedsstaaten zu führen".

Frontex hat seit einigen Jahren ein Beratungsgremium, das "Consultativ Forum", in dem Flüchtingshilfsorganisationen, das Rote Kreuz und die Vereinten Nationen vertreten sind. Stefan Keßler, der Vorsitzende dieses Frontex-Forums, sagte der DW, dass die Vorwürfe an sich ihn nicht überraschten. Überrascht habe ihn nur, dass diesmal Frontex-Beamte direkt angeprangert würden. "Frontex könnte sicherlich mehr tun, insbesondere Berichten über Menschenrechtsverletzungen intensiver und systematischer nachgehen", meint Stefan Keßler. "Dazu müsste Frontex die Kapazitäten des Büros der Menschenrechtsbeauftragten aufstocken und der Beauftragten die Möglichkeit geben, ganz gezielt und umfassend solchen Vorwürfen nachzugehen."

Frontex: Eröffnung der Beratungsmission in Albanien im Mai 2019, das nicht EU-Mitglied ist, aber auf der Flüchtlingsroute liegtBild: DW/A. Ruci

"Keine wirksame externe Kontrolle"

Die Vorwürfe, dass Flüchtlinge und Migranten - etwa an der ungarischen Grenze - nicht ordentlich behandelt werden, seien nicht neu, sagt Keßler. Die EU-Kommission hatte Ungarn deswegen sogar vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Frontex könnte nach seinen Statuten die Operationen in einem Mitgliedsstaat beenden, falls dort massiv Menschenrechte verletzt werden. Das ist aber bisher noch nicht passiert. Stefan Keßler hat eine Ahnung woran das liegen könnte, denn Frontex" ist keine unabhängige Einrichtung. "Kontrolle über Frontex haben die Mitgliedsstaaten, die im Verwaltungsrat vertreten sind, und zwei Beamte der EU-Kommission, die ebenfalls im Verwaltungsrat vertreten sind. Eine wirksame externe Kontrolle gibt es bei Frontex aber nicht."

Frontex wies aber auch Nachfrage der Deutschen Welle darauf hin, dass es bisher noch nicht eine Beschwerde gegen einen Frontex-Beamten im Grenzeinsatz gegeben habe. Und dass, obwohl eine Beschwerde ganz einfach über die Internetseite von Frontex erhoben werden kann.

Die "Europäischen Grenzschutzbehörde und Küstenwache", so der neue Name von "Frontex", soll in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden. Bis 2027 sollen 10.000 Grenzschutzbeamte als "ständige Reserve" einsatzbereit sein, die die Mitgliedsstaaten dann anfordern könnten. Die neue EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, will die Einsatzbereitschaft bereits 2024 erreichen. Finanzierung und genaues Mandat für die wachsende Behörde sind unter den Mitgliedsstaaten, die letztlich die Kontrolle haben, noch umstritten.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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