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Politik

Gewaltwelle versetzt Kabul in Schock

Hussain Sirat | Waslat Hasrat-Nazimi
31. Januar 2018

Gleich drei Anschläge in einer Woche haben die Menschen in der afghanischen Hauptstadt in Angst und Schrecken versetzt. Hoffnungslosigkeit macht sich breit. Hussain Sirat aus Kabul.

Verletzte nach Anschlag in Kabul Afghanistan
Bild: picture alliance/AP/R. Gul

Eine lange Schlange hat sich vor den Türen des Notfallkrankenhauses Emergency in Kabul gebildet. Angehörige warten darauf, dass sie Verletzte besuchen können oder einige aufmunternde Worte zu deren Gesundheitszustand von behandelnden Ärzten hören. In den Augen der wartenden Menschen liegen Trauer und Hoffnungslosigkeit.  Die Notfallklinik in Kabul wird von einer italienischen Nichtregierungsorganisation betrieben, die seit 1999 Kriegsverwundete behandelt. Seit den jüngsten Anschlägen ist die Klinik völlig überlastet.

Anschlag vom 27. Januar in KabulBild: picture-alliance/dpa/Zumapress

"Mama soll es nicht wissen"

"Die Ärzte leisten wirklich gute Arbeit und helfen den Verwundeten, wo sie können", sagt der 27-jährige Amanullah, der seinen Cousin besuchen will. "Wir wussten erst nicht, wo unser Cousin ist. Schließlich ging ein Arzt ans Handy und sagte uns, er liege im Koma", sagt Amanullah der Deutschen Welle. Eine Operation soll sein Cousin bereits hinter sich haben. Eine weitere stehe noch an.

Die meisten Patienten in der Klinik sind Opfer des Anschlags in der Nähe des afghanischen Innenministeriums vom Samstag (27.01.), bei dem mindestens 103 Menschen ums Leben kamen, über 230 wurden verletzt.

Amanullahs Cousin hat bei dem Anschlag ein Auge verloren. "Seine Familie durchlebt derzeit Höllenqualen", erzählt Amanullah, "wir müssen seiner Mutter die Nachricht vorenthalten, denn sie hat Herzprobleme. Wir wollen nicht, dass sie dadurch auch noch im Krankenhaus landet."

Papa konnte tagelang nicht schlafen

Auch Zabiullah hätte am Samstag beinah seine beiden Söhne verloren, die sich in der Nähe des Innenministeriums befanden. "Mein Sohn Safiullah war auf der einen Straßenseite, sein Bruder auf der anderen", sagt Zabiullah im Gespräch mit der DW. "Safiullahs Beine waren völlig zerfetzt und wurden im Krankenhaus amputiert."

"Er hatte so viele Träume. Er wollte eine gute Arbeit und Beschäftigung finden und heiraten. Das ist jetzt alles kaum möglich. Sein Herz ist gebrochen", sagt der Familienvater unter Tränen. Er selbst habe seit vielen Tagen nicht geschlafen.

Beerdigung der Terroropfer am Sonntag (28.01.)Bild: Reuters/O. Sobhani

"Die Regierung ist schuld"

Die jüngsten Anschläge in Kabul und in weiteren Provinzen des Landes sorgen für Unmut unter der Bevölkerung. Am Mittwoch (31.01.) reisten der afghanische Innenminister und der Geheimdienstchef nach Pakistan. Die Kabuler Regierung macht das Nachbarland für die eskalierende Gewalt verantwortlich. Aber die Afghanen glauben, dass ihre eigene Regierung schuld ist.

Mohammad Sidiq betreibt ein Optikgeschäft in der Nähe des Anschlagsorts. Er macht sich Sorgen um die Sicherheit. "Wir haben Angst, wenn wir essen, wenn wir sitzen und sogar wenn wir schlafen. Jeden Moment kann etwas Schlimmes passieren", klagt er. "Die einfachen Menschen leiden darunter. Hochrangige Politiker bleiben natürlich verschont, dabei sind sie an allem schuld."

Das sieht auch der Familienvater Zabiullah ähnlich. "Wie kann es sein, dass solch Großanschläge geplant wurden und die Regierung und der Geheimdienst nichts davon wussten? Wie kann so viele Sprengstoffe in die Hauptstadt geschleust werden?", fragt er. "Es ist offensichtlich, dass die Regierung von Terroristen infiltriert ist."

Sowohl die Taliban als auch der Islamische Staat haben sich zu den Anschlägen bekannt. Hatten die Taliban in den letzten Jahren erst im Frühling ihre Offensive begonnen, so waren sie dieses Jahr auch im langen harten Winter sehr aktiv. Damit will die radikal-islamistische Gruppe offenbar auf die intensivierten Kampfeinsätze der USA und der afghanischen Sicherheitskräften gegen den Terror reagieren.

Der 40-jährige Schneider Faruq glaubt zwar, dass die Regierung ihr Bestes tue. Doch ganz überzeugt davon ist er nicht. Faruq betreibt eine Änderungsschneiderei. Seit Wochen habe er keine 500 Afghani verdient. Das sind umgerechnet knapp sechs Euro. "Ich muss mich mit der Hilfe von Freunden durchschlagen. Niemand will heutzutage Stoffe kaufen oder etwas nähen lassen", beschreibt er seine finanzielle Situation.

Gedrückte Stimmung

Tage nach den verheerenden Anschlägen scheint der normale Alltag in die Hauptstadt Kabul zurückgekehrt zu sein. Die Aufräumarbeiten sind im vollen Gang. Geschäfte haben wieder geöffnet. Aber die Stimmung ist gedrückt.

Amanullah sorgt sich um seinen im Koma liegenden Cousin. "Was soll nun aus seiner Familie werden? Unsere einzige Hoffnung ist, dass er lebend aufwacht." Er klingt frustriert. "Die Menschen sind psychisch am Ende und hoffnungslos. Wie lange soll das noch so weitergehen?" Auch Zabiullah, der Vater von Saifullah, kommen die Tränen. "Ich bin dankbar, dass mein Sohn zumindest noch lebt."

 

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