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Gewerkschaften unter Druck

Ingo Uhlenbruch21. Oktober 2003

Seit Jahren klagen die Gewerkschaften über Mitgliederschwund und finanzielle Probleme. Doch das ist nicht in allen europäischen Ländern so.

Die Gewerkschaften leiden unter MitgliederschwundBild: AP

Gewerkschaften gelten seit Jahren als unattraktiv, Mitgliederzahlen sinken ständig. Das ist jedoch kein deutsches Problem: "In anderen Ländern kämpfen die Gewerkschaften mit ähnlichen Schwierigkeiten ", sagt Reiner Hoffmann, stellvertretender Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes (ETUC) in Brüssel.

"Das liegt daran, dass sich in den zurückliegenden Jahren die Arbeitsmarktstrukturen deutlich verändert haben. Im Gegensatz zu früher fordern die Arbeitnehmer heutzutage andere Schwerpunkte der gewerkschaftlichen Arbeit. Sie wollen zum Beispiel weniger Ideologien und wünschen sich dafür mehr professionelle Hilfestellungen bei beruflichen Fragen. Darauf müssen sich die Gewerkschaften einstellen."

"Ideologiefalle"

Nur zögerlich hätten die Gewerkschaften auf Veränderungen in der Arbeitswelt reagiert. Hoffmann: "Eine typische Ideologiefalle stammt aus den 1970er- und 80er-Jahren: Die Gewerkschaften waren damals gegen Teilzeitarbeit und lehnten diese kategorisch ab. Inzwischen haben wir jedoch eingesehen, dass es in bestimmten Lebensphasen durchaus von Vorteil sein kann, einer Teilzeitarbeit nachzugehen. Eine wichtige Aufgabe der Gewerkschaften ist es nun, diese Arbeit attraktiv zu gestalten."

Es gibt auch Länder, in denen die Gewerkschaften auf einem soliden Fundament stehen – zumindest Mitgliederschwund ist dort kein Thema. In den Niederlanden, in Großbritannien oder Irland beispielsweise hätten die Arbeitnehmer-Organisationen schon längst "das Tal der Tränen" durchschritten, so Hoffmann. Auch Schweden und Finnland könnten bei einem Organisationsgrad von 90 Prozent nicht gerade über mangelhaftes Interesse klagen.

Sparpläne

Von diesen paradiesischen Zuständen können die meisten deutschen Gewerkschaften im Moment nur träumen. Auf dem Verdi-Bundeskongress in Berlin, der noch bis zum 25. Oktober 2003 dauert, müssen sich die Mitglieder nämlich mit drastischen Sparplänen auseinandersetzen.

Grund: Seit 2001 haben rund 250.000 Arbeitnehmer die Gewerkschaft verlassen. Gleichzeitig kämpft die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) mit hohen Personalkosten und rennt offenen Beitragsforderungen in Höhe von neun Millionen Euro hinterher. Nach Angaben des Finanzvorstandes belastet zudem ein Haushaltsdefizit von insgesamt 66 Millionen Euro die Gewerkschaftskasse. Schon bald sollen 800 der 5000 Stellen bei Verdi abgebaut werden. Den Mitarbeitern wurde ein Gehaltsverzicht von zehn Prozent bei Freizeitausgleich vorgeschlagen.

Trotz der prekären Lage der Gewerkschaften ist dennoch ein kleiner Silberstreif am Horizont zu sehen. Die jungen Arbeitnehmer und Auszubildenden zeigen vermehrt Interesse an den Gewerkschaften: Während der Deutsche Gewerkschaftsbund im Jahr 2001 noch 534.561 jugendliche Mitglieder in seiner Statistik zählte, waren es 2002 schon 587.067 Jugendliche.
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