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Erst AstraZeneca, jetzt Johnson & Johnson - ist das Zufall?

14. April 2021

Erst kam es beim Impfstoff von AstraZeneca zu Sinusvenenthrombosen, nun sind bei dem Mittel von Johnson & Johnson ähnliche Fälle aufgetreten. Hat das etwas mit der Wirkungsweise von Vektorimpfstoffen zu tun?

Deutschland Corona-Pandemie Impfzentrum Berlin-Tegel
Bild: Soeren Stache/dpa/picture alliance

Nachdem in den vergangenen Monaten bei meist jüngeren Menschen, die den AstraZeneca-Impfstoff erhalten hatten, Sinusvenenthrombosen  aufgetreten waren, scheint sich so etwas nun auch bei dem Impfstoff von Johnson & Johnson zu wiederholen. In den USA wurden Impfungen mit dem Wirkstoff vorübergehend ausgesetzt. 

Was beide Impfstoffe gemeinsam haben: Es sind sogenannte Vektorimpfstoffe, die für den Menschen harmlose Transportviren verwenden, um das Erbgut des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 zu den Zellen zu bringen, wo es typische Eiweiße vermehrt und damit eine Immunreaktion des Körpers auslöst.

Doch kann es Zufall sein, dass die Thrombosen schon bei zwei Vektorimpfstoffen auftreten?

Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

Wie häufig sind Sinusvenenthrombosen nach Impfungen?

Die Fälle sind sehr selten. In Großbritannien, wo bis zum 24. März etwa 18 Millionen Dosen des AstraZeneca-Impfstoffes verabreicht worden waren, kam es bis dahin zu 30 Fällen, von denen sieben tödlich verliefen. In Deutschland gab es bis zum 29. März bei 2,7 Millionen verabreichten Impfdosen 31 Fälle, bei denen neun Menschen starben.

Für den Impfstoff von Johnson & Johnson wurden bis zum 13. April in den USA sechs Fälle gemeldet, allerdings keine Todesfälle. Dort waren bis dahin 6,8 Millionen Dosen verabreicht worden.

Robert Klamroth, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Vivantes Klinikum in Berlin Friedrichshain, betont, dass die Impfungen auch andere atypische Thrombosen auslösen können, wie etwa Bauchvenenthrombosen und arterielle Thrombosen. 

Wie klar ist der Zusammenhang zwischen den Thrombosen und den Impfungen?

Zwar ist die beobachtete Form von Sinusvenenthrombosen grundsätzlich sehr selten, aber dennoch sehen die Mediziner klare Hinweise, dass die Thrombosen etwas mit den Impfungen zu tun haben. Pro Jahr erkranken an Sinusvenenthrombosen etwa zwei bis fünf Personen unter einer Million Menschen.

Die Mediziner sehen indes einen klaren Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Thrombosen, weil die jüngsten Fälle stets innerhalb eines Zeitfensters von vier bis 16 Tagen nach der Impfung aufgetreten sind. Das ist eine ungewöhnliche Häufung, sagt Dr. Christian Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts des Uniklinikums Erlangen und Mitglied der Ständigen Impfkommission (StIKo).

Wie ist die Verteilung zwischen Frauen und Männern?

Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer, und jüngere Menschen häufiger als ältere. Aber mit dem AstraZeneca-Impfstoff wurden in Deutschland auch mehr Frauen geimpft als Männer, sagt der Mediziner Christian Bodgan.

Rechnerisch sei bei Frauen die Wahrscheinlichkeit, an einer Sinusvenenthrombose nach einer Impfung zu erkranken, etwa 20 mal höher als ohne Impfung. Bei Männern betrage dieser Faktor 15. Das sei zwar ein Indiz, angesichts der insgesamt niedrigen Fallzahlen aber auch noch nicht sehr aussagekräftig.

Alle sechs in den USA gemeldeten Fälle nach Johnson & Johnson-Impfungen betrafen allerdings Frauen zwischen 18 und 48 Jahren.

Was ist über die mikrobiologischen Vorgänge bekannt?

Immunologen um Andreas Greinacher von der Universität Greifswald konnten den vermuteten Wirkmechanismus Ende März entschlüsseln. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in einem noch nicht begutachteten Preprint auf Research Square. 

Offenbar handelt es sich um eine Autoimmunreaktion auf den sogenannten Plättchenfaktor-4. Das ist ein Oberflächenprotein, welches sich an der Immunantwort beteiligt, indem es Immunzellen mit bestimmten Rezeptoren um sich schart und so eine lokale Immunantwort verstärkt.

Bekannt ist das Phänomen unter Medizinern von der "Heparin-Induzierten Thrombozytopenie" (HIT). Das ist eine Autoimmunreaktion auf die Gabe des Gerinnungshemmers Heparin, bei der die Anzahl der Blutplättchen zurückgeht.

Doch im Fall der Impfungen reagiert der Plättchenfaktor-4 nicht auf Heparin, sondern wahrscheinlich auf etwas anderes, vermutet der Berliner Mediziner Klamroth. "Es könnte der Vektor [also das Transport-Virus] sein. Es könnte etwas vom Spike-Protein sein. Es könnte etwas im Rahmen der allgemeinen Immunreaktion sein, was sich mit dem Plättchenfaktor-4 verbinden muss". 

Wie lassen sich die Thrombosen richtig erkennen?

Wenn Mediziner den richtigen Verdacht haben, können sie die Erkrankung sehr schnell durch einen simplen Antikörper-Test diagnostizieren, der auf den Komplex Heparin-Plättchenfaktor-4 anspricht.

Das wäre ein Indiz für eine thrombozytenaktivierende Gerinnungsstörung, wie sie auch typischerweise als Autoimmunreaktion nach der Gabe des Gerinnungshemmers Heparin auftreten kann. Bei drei der Patientinnen in den USA wurde so eine Thrombozytopenie diagnostiziert. 

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Wie werden die Thrombosen behandelt?

Das wirksamste Mittel ist - neben der Gabe von anderen Gerinnungshemmern - die hochkonzentrierte Behandlung mit bestimmten lgG Immunglobulinen, sagt der Arzt Klamroth.

Diese spezifischen Antikörper der Immunabwehr dienen dazu, das Immunsystem - vereinfacht gesagt - zu fluten und dadurch die unerwünschten und schädlichen Antikörper, die die Thrombosen auslösen, zu verdrängen.

Stehen jetzt alle Vektorimpfungen unter Verdacht?

Dass das Phänomen nun schon bei zwei Vektor-Impfstoffen aufgetreten ist, macht Mediziner stutzig. "Die Tatsache, dass beide Impfstoffe auf dem gleichen Prinzip beruhen und die gleichen Probleme verursachen, spricht meines Erachtens eher dafür, dass der Vektor selbst die Ursache ist", sagte Johannes Oldenburg vom Universitätsklinikum Bonn gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Bisher sind aber keine Fälle von Thrombozytopenien beim russischen Impfstoff Sputnik V  oder dem chinesischen Vektorimpfstoff CanSino  öffentlich bekannt geworden.

Klamroth hofft jedenfalls auf neue Forschungsergebnisse der Greifswalder Immunologen: "Herr Greinacher forscht weiter und guckt, was sich mit dem Plättchenfaktor-4 verbindet. Das können Ladungsphänomene sein, das können Strukturhomologien sein. Da gibt es ganz verschiedene Hypothesen […], da tappen wir momentan noch im Dunkeln." 

Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen
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