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Politik

Gift aus Deutschland für die USA

Christian Baars | Stella Christin Peters | Benedikt Strunz NDR/SZ Recherchekooperation
12. Juli 2018

Ein Pharma-Unternehmen steht im Verdacht, illegal Tierarzneimittel in die USA geliefert zu haben. Der enthaltene Wirkstoff wird auch dazu genutzt, Menschen hinzurichten. Ein Bericht der NDR/SZ Recherchekooperation.

NDR/SZ Rechercheverbund Beuthanasia | VET Pharma Friesoythe GmbH
Bild: NDR

Die Vollstreckung von Todesurteilen ist für die Justiz in den USA zu einem echten Problem geworden. Seitdem immer mehr Pharmaunternehmen großen Wert darauf legen, dass ihre Arzneien nicht dazu genutzt werden, Menschen hinzurichten, herrscht in US-Gefängnissen eine regelrechte Knappheit dieser Mittel. Viele US-Bundesstaaten schieben deshalb mittlerweile bereits verhängte Todesstrafen auf oder experimentieren mit unerprobten Chemikalien, mit teilweise grauenhaften Resultaten. Auch Wirkstoffe, die eigentlich für das Einschläfern von Tieren gedacht sind, kommen bei Hinrichtungen zum Einsatz.

Verschärft hat sich diese Situation auch durch die EU-Anti-Folterichtlinie. Sie sieht vor, dass der Export von Arzneimitteln, die zur Todesstrafe eingesetzt werden könnten, streng reglementiert wird. Und eben diese Richtlinie könnte eine norddeutsche Pharmafirma bewusst gebrochen haben. Davon geht zumindest die zuständige Staatsanwaltschaft Oldenburg aus. Die Firma VET Pharma Friesoythe GmbH aus Norddeutschland stellt Tierarzneimittel her und gehört zu dem US-Pharma-Konzern Merck Sharp & Dohme (MSD).

Nach Unterlagen, die NDR und Süddeutsche Zeitung einsehen konnten, geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass VET Pharma zwischen November 2017 und Januar 2018 tonnenweise das Tierarzneimittel "Beuthanasia-D" an eine Schwesterfirma in den USA geliefert hat. Der darin enthaltene Wirkstoff, Pentobarbital, wird nachweislich in US-Todestrakten eingesetzt, um Menschen hinzurichten. Auch Pentobarbital wird deshalb von der EU-Folterrichtlinie erfasst, denn sein Export ist streng reglementiert. Für die drei Chargen, die jeweils einen Wert von etwa 200.000 Euro hatten, verfügte VET Pharma über keine Ausfuhrgenehmigung. Mitarbeiter von VET Pharma sollen dabei offenbar Daten so manipuliert haben, dass die heikle Fracht dem zuständigen Exportunternehmen nicht auffällt. Ein weiterer Export wurde im Februar 2018 durch Zollbeamte gestoppt.

Dieses Mittel soll tonnenweise in die USA und auch nach Japan geliefert worden sein Bild: NDR

Lieferungen in die USA und nach Japan

Mittlerweile wird gegen mehrere Mitarbeiter des Unternehmens ermittelt. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie gegen das Außenwirtschaftsrecht verstoßen haben. Das sieht vor, dass Pentobarbital nur dann in die USA geliefert werden darf, wenn der Verbleib des Mittels lückenlos geklärt ist. So soll verhindert werden, dass deutsche Medizin in US-Todestrakten landet. Zahlreiche europäische Medizin-Unternehmen ignorieren entsprechende Lieferanfragen aus den USA aber ohnehin, da die Angst vor Reputationsschäden zu groß ist. In den vergangenen fünf Jahren hat Deutschland überhaupt keine Pentobarbital-Exporte in die USA genehmigt.

Recherchen vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) und der Süddeutschen Zeitung (SZ) zufolge lieferte das niedersächsische Unternehmen VET Pharma die Medikamente an ein US-amerikanisches Schwesterunternehmen, die Intervet Schering-Plough Animal Health. So zeigen es Daten des US-Zolls. Zwei weitere Lieferungen sollen nach Japan gegangen sein. Auch in diesen Fällen soll keine Exportgenehmigung vorgelegen haben. Ende Mai durchsuchten deshalb Zollfahnder Geschäftssitze der VET Pharma in Friesoythe und stellten dabei Daten und Unterlagen sicher. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg bestätigte auf Nachfrage Ermittlungen "gegen mehrere Verantwortliche eines pharmazeutischen Unternehmens", wollte sich zu konkreten Details unter Verweis auf die noch andauernden Ermittlungen jedoch nicht äußern.

In den USA herrscht eine Knappheit an Medikamenten, um die Todesstrafe zu vollstreckenBild: picture-alliance/AP Photo

Keine Hinweise auf Verwendung in US-Gefängnissen

Nach Auskunft der US-Organisation Death Penalty Information Center haben bereits 14 US-Staaten Pentobarbital benutzt, um Gefangene hinzurichten, die zum Tode verurteilt wurden. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle bekannt, in denen sich Gefängnisse tödliche Chemikalien auch auf illegalem Weg beschafft haben.

Im Fall der deutschen VET Pharma Friesoythe GmbH liegen keine Hinweise darauf vor, dass Teile der Chargen des Gifts tatsächlich in US-Gefängnissen gelandet sind. Auch die zuständige Staatsanwaltschaft sagt, sie habe keine Erkenntnisse "über den konkreten Einsatz der pharmazeutischen Erzeugnisse in Amerika". Auf Nachfrage teilte ein Pressesprecher der  Veterinärsparte von Merck Sharp & Dohme mit, man arbeite "selbstverständlich bereits mit den Behörden in dieser Angelegenheit eng zusammen". Da "Beuthanasia-D" in den USA nur als Tierarzneimittel zugelassen sei, habe man keinen Grund zu der Annahme, dass der Stoff jemals außerhalb der Tiermedizin verwendet wurde. Im Übrigen seien alle Mitarbeiter dazu verpflichtet, sich an Recht und Gesetz zu halten.

 

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