Kann ein Giftgasangriff nachgewiesen werden - auch wenn sich die Chemikalie in der Umwelt schon verflüchtigt hat? Ja, denn im Körper der Opfer hinterlässt sie eindeutige Spuren.
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Bereits 24 bis 72 Stunden nach einem Giftgasangriff sind die meisten chemischen Spuren verflogen. Chlorgas zum Beispiel ist sehr reaktionsfreudig und oxidiert mit anderen Elementen. In Form von Salzen kommt es in verschiedensten Varianten auf der Erde vor aber seine Reaktionsprodukte können somit kaum noch einem spezifischen Einsatz zugeordnet werden.
Es sei denn die Ermittler finden die Granaten oder Bomben, aus denen das Gas freigesetzt wurde oder ungewöhnlich hohe Konzentrationen von Abbauprodukten in der unmittelbaren Nähe des Tatortes.
Bei Sarin ist der Nachweis in der freien Natur ähnlich schwierig. In Wasser und Säuren ist der Stoff löslich und zersetzt sich innerhalb von Tagen oder sogar Stunden. Insbesondere Regenfälle können einen Nachweis vor Ort stark erschweren.
Probennahme bei den Opfern
Bei den Opfern dagegen sind die Symptome eines Giftgasangriffes eindeutig nachweisbar, auch Wochen nach der Vergiftung. Erste Hinweise auf einen Giftgasangriff liefern Augenzeugenberichte, Video- und Fotoaufnahmen.
Nehmen Ermittler den Opfern, also Toten oder Überlebenden, Blut ab, eine Urinprobe oder Gewebe, so lassen sich durch medizinische Untersuchungen charakteristische Muster erkennen, die weitere starke Indizien liefern.
Hat etwa eine große Anzahl junger Patienten ungewöhnlich schlechte Leberwerte, kann dies auf eine Massenvergiftung hinweisen, ebenso deuten starke Schädigungen der Lunge darauf hin.
Fehlendes Enzym im Blut
Noch deutlicher beweist ein zu geringer Anteil des Enzyms Acetylcholinesterase im Blut der Opfer den Einsatz von Sarin oder einem verwandten Giftgas.
Mehr dazu: Sarin, der heimtückische Killer
Denn Sarin blockiert die Acetylcholinesterase. Das hat den Effekt, dass der Körper zu viel des Neurotransmitters Acetylcholin anreichert. Dieser Neurotransmitter überschüttet den Körper mit elektrischen Signalen. Das führt dazu, dass Muskeln ständig in Bewegung sind und verkrampfen. Ist die Atemmuskulatur oder das Herz-Kreislauf-System betroffen, ersticken die Menschen oder erleiden einen Kreislaufzusammenbruch.
Hier kommt auch dem Gegengift Atropin eine Bedeutung zu. Berichten Mediziner etwa, dass die Symptome bei Patienten durch die Gabe des Gegengifts gemildert werden konnten, wäre auch das ein zwar indirekter aber logisch starker Beweis für einen Giftgas-Einsatz.
Laboruntersuchungen
Nehmen die Ermittler dann noch Proben mit in ein gut ausgerüstetes, forensisches Labor, können sie mit Hilfe von Gas-Chromatografen nach weiteren chemischen Abbauprodukten in den Proben suchen.
Mit etwas Glück finden sie solche Abbauprodukte vielleicht nicht nur in medizinischen Proben - also im Blut, Urin oder im Gewebe, sondern auch in der Umwelt. Dies ist überall dort möglich, wo sich Feuchtigkeit gesammelt und mit den Giftgasen reagiert hat, aber noch nicht durch Regen weggespült wurde - etwa an feuchten Kellerwänden.
Sind also keine direkten Beweise mehr verfügbar, kann auch eine umfassende Indizienkette einen Giftgasangriff nachträglich belegen.
Die zehn giftigsten Orte der Welt
Blei im Boden, Chemieabfälle, giftiger Elektromüll: Dem jüngsten Umweltgiftreport der Green-Cross-Stiftung nach sind rund 200 Millionen Menschen Umweltgiften direkt ausgesetzt. Wo ist es am gesundheitsschädlichsten?
Bild: picture alliance/JOKER
Die gesundheitsschädlichsten Orte der Welt
Rund 200 Millionen Menschen weltweit sind Umweltgiften direkt ausgesetzt. Blei im Boden, chemische Giftstoffe, die in die Luft gepustet werden oder giftiger Elektromüll im Flusswasser - dies sind nur einige Beispiele aus dem Umweltgiftreport, den die Schweizer Green-Cross-Stiftung nun vorgelegt hat.
Bild: picture alliance/JOKER
Die Agbogbloshie-Deponie, Ghana
Haufenweise alte Satellitenschüsseln und kaputte Fernseher stapeln sich auf der riesigen Schrottdeponie. Gefährlich wird der Elektro-Abfall vor allem dann, wenn Kabel verbrannt werden, um an das wertvolle Kupfer im Inneren zu gelangen. Dadurch wird Blei freigesetzt - es kommt zu schweren gesundheitlichen Schäden.
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Der Citarum-Fluss, Indonesien
Das Wasser des Citarum-Flusses auf Indonesiens Insel Java ist rund 1000 Mal mehr verschmutzt als übliches Trinkwasser. Vor allem findet man darin große Mengen Aluminium und Eisen. Kein Wunder: Rund 2000 Fabriken nutzen den Citarum-Fluss als wichtige Wasserquelle und leiten ihre Industriegifte wieder ins Wasser ab. Schlimm für die Menschen: Denn ihnen dient der Fluss als Lebensgrundlage.
Bild: Adek Berry/AFP/Getty Images
Das Industriezentrum Dserschinsk, Russland
Dserschinsk ist eines der wichtigen Zentren für Russlands Chemieindustrie. Zwischen 1930 und 1998 wurden rund 300.000 Tonnen an chemischem Abfall in der Gegend nicht vernünftig entsorgt. Viele dieser Chemikalien gelangten sowohl ins Grundwasser als auch in die Luft. Frauen werden hier im Schnitt nur 47, Männer 42 Jahre alt.
Bild: Blacksmith Institute
Das Atomkraftwerk Tschernobyl, Ukraine
Bis heute gilt Tschernobyl als einer der schlimmsten Reaktorunfälle der Geschichte. Am 25. April 1986 führten Tests in dem Atomkraftwerk zu einer Kernschmelze mit fatalen Folgen: Bis heute leben im Umkreis von 30 Kilometern keine Menschen. Die Böden um das Atomkraftwerk sind immer noch verseucht und gefährden die Lebensmittelproduktion. Viele Menschen sind an Leukämie erkrankt.
Bild: Blacksmith Institute
Die Gerbereien in Hazaribagh, Bangladesch
Hazaribagh ist der Ort mit den meisten Gerbereien in Bangladesch. Die meisten dieser Fabriken nutzen veraltete und ineffiziente Methoden. Jeden Tag kippen sie zusammen rund 22.000 Liter an giftigem Müll in den Buriganga-Fluss, wichtigster Fluss und Hauptwasserquelle der Hauptstadt Dhaka. Durch krebserregende Stoffe leiden dort viele Bewohner an Haut- und Atemerkrankungen.
Bild: Blacksmith Institute
Die Bleiminen in Kabwe, Sambia
Kabwe ist eine der großen Städte im afrikanischen Sambia. Hier leiden viele Kinder an einer erhöhten Dosis Blei im Blut. In der Stadt wird seit rund einem Jahrhundert Blei abgebaut. Durch das Ausschmelzen werden Schwermetalle in Form von Staubpartikeln frei und gehen so auf die Böden der Umgebung nieder.
Bild: Blacksmith Institute
Die Goldminen in Kalimantan, Indonesien
Kalimantan ist der indonesische Teil der Insel Borneo - er ist vor allem für den hemmungslosen Raubbau an der Natur bekannt. Die zahlreichen Goldminen setzen vor allem das giftige Quecksilber ein. Durch das Verfahren werden jährlich mehr als 1000 Tonnen Quecksilber in die Umwelt geblasen. Auf diese Weise kann das Gift auch ins Grundwasser gelangen.
Rund 15.000 Fabriken entladen ihr Abwasser in den Matanza-Riachuelo Fluss in Argentinien. Chemieproduzenten sind laut Green-Cross-Report für mehr als ein Drittel der Verschmutzung des Flusses verantwortlich. Das Wasser enthält erhöhte Konzentrationen an Zink, Blei, Kupfer, Nickel und anderen Schwermetallen. Die Bevölkerung leidet hier vor allem an Darm- und Atemwegserkrankungen.
Bild: Yanina Budkin/World Bank
Das Nigerdelta, Nigeria
Das Nigerdelta ist eine stark bevölkerte Region in Nigeria und macht rund acht Prozent des gesamten Landes aus. Es ist stark verunreinigt durch Öl und Kohlenwasserstoffe, die gleichermaßen das Grundwasser und die Böden verschmutzen. Aus der Erdölförderung gelangen durchschnittlich rund 240.000 Barrel Erdöl pro Jahr in die Umwelt. Grund dafür sind vor allem Unfälle und Öldiebstähle.
Bild: Terry Whalebone
Die Industriestadt Norilsk, Russland
In Norilsk werden jährlich fast 500 Tonnen Kupfer und Nickeloxide sowie zwei Millionen Tonnen Schwefeloxide in die Luft geblasen. Die Verschmutzung ist so hoch, dass die Lebenserwartung für Fabrikarbeiter zehn Jahre unter dem russischen Durchschnitt liegt.