1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gipfel der gut gemeinten Absichten

Christina Bergmann, zurzeit in Tunis18. November 2005

Nach dem Krach mit den USA um die Macht im Internet blickt die internationale Netzwelt nach vorn: Viele Fragen wurden auf dem Weltinformationsgipfel in Tunis diskutiert, aber nicht alle sind beantwortet.

Tunesien: der umstrittene GastgeberBild: AP

Wie und durch wen soll das Internet kontrolliert und verwaltet werden? Wie kann die digitale Spaltung überwunden werden? Wer soll das bezahlen? Die "Problemaufnahme" zu diesen komplexen Fragen hatten die Teilnehmer am Weltinformationsgipfel schon vor zwei Jahren in Genf erledigt - für das Treffen in Tunis hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan deshalb angemahnt, es müsse "ein Gipfel der Lösungen" werden. Aber so einfach ist das nicht.

Regierungen haben kein Geld übrig


Vor allem viel Geld ist nötig, um den Menschen überall auf der Welt Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien zu ermöglichen. Es fließt entweder in Bildungsmaßnahmen oder ermöglicht die Anschaffung von Hard- und Software. Auf eine konkrete finanzielle Unterstützung der Länder, die solche Hilfe nötig haben, konnte man sich in Tunis aber nicht einigen. In der "Tunis-Agenda für die Informationsgesellschaft" wird lediglich auf die allgemeinen Mechanismen der Entwicklungshilfe und den Digitalen Solidaritätsfond hingewiesen.

Von dieser freiwilligen Einrichtung, gegründet auf dem ersten Teil des Gipfels in Genf, sind jedoch keine großen Taten zu erwarten, wie Jeanette Hoffmann vom Wissenschaftszentrum Berlin meint. Wie schon vor zwei Jahren in Genf seien die Regierungen zu einer konkreten finanziellen Zusage nicht bereit gewesen. "Die Europäer und hier vor allem auch die deutsche Regierung haben sich sehr klar dagegen ausgesprochen, finanzielle Verpflichtungen einzugehen", so Hoffmanns Bilanz. Die Staatsregierungen setzen stattdessen auf lokale Initiativen.

"Vor Ort" bringt am meisten

Lokale Zusammenarbeit funktioniert, wenn die Partner zusammenkommen – und hier hat sich der Gipfel, seine Nebenveranstaltungen und die parallel stattfindende Messe "ICT4all" als erfolgreich erwiesen: Firmen, Organisationen und Länder stellten sich und ihre Projekte vor. "Die Menschen sind meistens skeptisch, was Informations- und
Kommunikationstechnologien angeht. Aber wenn sie etwas sehen, fangen sie an zu überlegen, ob es für sie nicht doch von Nutzen ist", weiß Najat Rochdi, bei den Vereinten Nationen zuständig für den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie bei Entwicklungsprojekten im arabischen Raum.

Investitionen angemahnt

Durch Projekte soll die Digitale Spaltung nach und nach kleiner werden. In der Abschlusserklärung appellieren die
Gipfelteilnehmer an die einzelnen Staaten, in ihrem Verantwortungsbereich das entsprechende Umfeld für Investitionen zu schaffen. Die Staaten sollen außerdem dafür sorgen, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien genutzt werden, um die Millenniums-Entwicklungsziele umzusetzen. Konkrete Maßnahmen enthält das Papier in diesen Punkten allerdings nicht.

"Internet Governance Forum"

In der Frage der Internet-Verwaltung behalten die USA zwar die Kontrolle über die technischen Fragen. Aber mit dem "Internet
Governance Forum" wird eine Plattform geschaffen, auf der über die vielfältigen Probleme im Zusammenhang mit dem Internet diskutiert werden kann. UN-Generalsekretär Kofi Annan soll dieses Forum bis Ende März 2006 in Athen einrichten. Doch auch hier gibt es viele Fragen. "Es ist weder klar, wie dieses Forum überhaupt finanziert werden soll, noch ist klar, wie groß es sein soll", erläutert Jeanette Hoffmann. Und auch andere Fragen sind nicht geklärt: Soll das Forum offen sein, so dass jeder daran teilnehmen kann? Oder soll es ein kleines Forum sein? Wie soll es mit anderen Organisationen zusammenarbeiten? "Da muss sehr viel getan werden in der nächsten Zeit", fordert Hoffmann.

Logo der ICANN-InternetverwaltungBild: AP
Digitale Technik für alleBild: dpa

Verletzung der Menschenrechte


Regimegegner im Hungerstreik - nicht in Tunesien, sondern in der SchweizBild: AP

Auch wagt niemand vorauszusagen, wie das Internet in einigen Jahren aussehen wird: Ob es bei einem globalen Netz bleibt oder ob es viele lokale Netze gibt, die miteinander verbunden werden. Streit gab es über das Thema Menschenrechte. Zahlreiche Regierungen hatten protestiert, nachdem Journalisten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen außerhalb des Gipfelgeländes angegriffen worden waren. Die Verletzung der Menschenrechte in Tunesien ist durch die Berichterstattung über den Gipfel jedenfalls mehr in das Interesse der Weltöffentlichkeit gerückt – auch wenn der geplante Bürger-Gipfel der Nichtregierungsorganisationen nicht stattfinden konnte. Die acht tunesischen Oppositionellen, die mit einem Hungerstreik auf die Menschenrechtsverletzungen in ihrem Heimatland aufmerksam machen wollten, haben die Aktion inzwischen beendet. Der Protest geht weiter, aber es steht zu befürchten, dass die tunesische Regierung nach dem Ende des Gipfels die Repressalien wieder verschärft.



Auch einen anderen großen Fortschritt kann der Weltinformationsgipfel für sich beanspruchen: Zum ersten Mal saßen bei einem UN-Gipfel nicht nur Staatsregierungen an einem Tisch, sondern auch Nichtregierungsorganisationen, die Privatwirtschaft und internationale Organisationen. Wenn dieser gemeinsame Ansatz auch in zukünftigen Veranstaltungen, die die großen Probleme der Menschheit betreffen, umgesetzt wird, dann hat der Weltinformationsgipfel wirklich etwas
verändert.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen