1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Anti-Glücksratgeber von Manfred Lütz

Klaus Krämer22. November 2015

Seit Jahren biegen sich die Regale in den Buchläden unter der Last von Ratgeber-Literatur, die Menschen Glück verheißt. Das neue Buch von Bestseller-Autor Manfred Lütz über das Glücklichwerden ist ungewohnt anders.

Dr. Manfred Lütz Psychiater Theologe und Philosoph Alexianer-Krankenhaus Köln. rechte: Amanda Berens
Bild: Amanda Berens

DW: Herr Lütz, worauf führen Sie diesen Boom der Ratgeber-Literatur zurück?

Manfred Lütz: Ich glaube, dass die Menschen verunsichert sind und neue Orientierung suchen, andererseits mit diesen Ratgebern aber in eine Sackgasse geraten. Der Soziologe Ulrich Beck hat mal gesagt: "Die Ratgeber-Literatur schlägt eine Schneise der Verwüstung durch Deutschland." Man fühlt sich gar nicht mehr für sich selber kompetent. Wenn sie im Buchladen die ganzen Ratgeber sehen, haben sie das Gefühl, das muss ich erst mal alles lesen, und dann kann ich mit dem Leben anfangen. Dann sind sie aber in Rente.

Das psychologische Problem ist, dass selbsternannte Experten fürs Leben behaupten, sie wüssten besser wie man glücklich wird als man selber. Dabei gibt es sieben Milliarden unterschiedliche Wege zum Glück. Jeder Mensch muss sich klar machen, wie er glücklich werden will. Man kann sich anregen lassen. Sich an einen Glücksguru zu hängen, führt nicht zum Glück.

Gerade mit Blick auf ein glückliches Leben ist also viel im Angebot. Welche Erfolg versprechenden Wege zum Glücklichwerden stehen ganz oben?

Es wird immer wieder über Glücksgefühle geredet und darüber, wie man sie produzieren kann durch Riechstäbchen, Entspannungsübungen oder sonst wie. Das ist aber eine Sackgasse. Wenn man das mal richtig durchdenkt, dann müsste man sagen: Man kann Glücksgefühle am ehesten dadurch erzeugen, indem man Heroin nimmt. Das ist die sicherste Methode, hat bekanntlich aber unangenehme Nebenwirkungen. Oder man kann sich eine Elektrode ins Gehirn pflanzen lassen und so permanent das Glückszentrum reizen. Das führt zu einem lebenslangen euphorischen Glücksgefühl.

In den Ratgebern geht es also viel um Glücksgefühle. Und wenn sich jemand darauf fixiert, kommt er vermutlich zu dem Schluss, er müsse möglichst viele Glücksgefühle für sich persönlich zusammenraffen, um glücklich zu sein. Übrigens: In diesem Zusammenhang sind natürlich die Flüchtlinge für viele beängstigend, weil die einem vermeintlich das Glück, den Glücksbesitz wegnehmen. Dazu kann ich nur sagen, unser Dorf hier im Rheinland ist glücklicher, seit da Flüchtlinge leben. Wir haben mehr ehrenamtliche Helfer als Flüchtlinge. Viele Menschen, die bisher für sich alleine gelebt haben, gehen plötzlich aus sich raus, helfen Menschen in Not. Das erlebt man als sinnvoll und dann ist man glücklich.

Man ist übrigens nicht glücklich, wenn man dauernd über das Glück nachdenkt. Platon hat mal gesagt: "Die ständige Sorge um die Gesundheit, ist auch eine Krankheit." Und wer dauernd über Glück redet, ist wahrscheinlich unglücklich.

Nun kommen Sie daher mit einem neuen Buch, dessen Titel verspricht: "Wie Sie unvermeidlich glücklich werden." Kennen Sie den ultimativen Weg zum Glück?

Nein, eben nicht, das ist ja ein Anti-Ratgeber gegen diese ganzen Glücksbücher. Ich habe in diesem Buch eine kleine Geschichte der Philosophie des Glück geschrieben und erzählt, was die gescheitesten Menschen der Welt über das Glück gedacht haben. Das sind sehr unterschiedliche Ideen. Jeder Leser kann sich dann selbst aussuchen, was für ihn passt. Der Titel des Buches ist eine steile These, etwas ironisch gemeint gegen diese ganzen Glücksratgeber, aber er hat auch einen ernsten Kern. Der Philosoph Karl Jaspers hat gesagt, die Grenzsituationen menschlicher Existenz seien unvermeidlich, also Leid, Schuld, Kampf und Tod seien unvermeidlich. Wenn man aber zeigen könnte, wie man in diesen unvermeidlichen Situationen glücklich sein kann, dann kann man unvermeidlich glücklich werden, das ist ja logisch.

Das Buch zum GlückBild: Gütersloher Verlagshaus

Sie haben also einen Anti-Glücks-Ratgeber geschrieben. Woran erkennt der Leser das?

Ich gebe einfach keine Ratschläge. Wenn ich den Menschen suggerieren würde, ich habe jetzt den ultimativen Weg zum Glück, dann bringe ich alle, die mir das abnehmen, in eine abhängige Situation. Und das ist keine gute Voraussetzung, um glücklich zu werden. Das heißt, ich versuche in meinem Buch, wie Sokrates das gemacht hat, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Sokrates ist auf den Marktplatz gegangen und hat mit den Leuten so geredet, dass sie zu ihrem eigenen Weg finden konnten.

Sie bemühen also klassische und moderne Philosophen oder auch Kirchenlehrer. Sie binden aber auch Uli Hoeneß ein, Dschihadisten oder den Todespiloten der Germanwings-Maschine.

Ich wollte die Frage nach dem Glück auch anhand aktueller Beispiele verdeutlichen. Dazu gehört auch die Frage, wie man mit Schuld umgeht. War der Copilot der Germanwings-Maschine schuldig? War der unschuldig? Offensichtlich hatte er ja eine schwere Depression. Die andere Frage: Wie geht man mit Leid um? Auch da habe ich konkrete Beispiele genannt. Jehuda Bacon, einer der letzten Auschwitz-Überlebenden sagt: "Man kann im Leid glücklich sein."

Was also macht Menschen tatsächlich glücklich?

Wenn es stimmen würde, dass die Menschen durch viel Geld und durch viele Ratgeber glücklich werden, dann müsste unsere Gesellschaft glücklich sein. Aber man hat Umfragen in verschiedenen Ländern der Welt gemacht und dabei kam heraus, dass die glücklichsten Menschen in Bangladesch leben, einem der ärmsten Länder der Welt. Möglicherweise betreiben wir hier eine kostspielige Anleitung zum Unglücklichsein. Glück hat mit was ganz anderem zu tun. Mit dem Gefühl in einer selbstverständlich sinnvollen Welt zu leben, in einer Familie, einer Heimat, einer Religionsgemeinschaft. Ich glaube, man kann nur glücklich sein, wenn man irgendeinen Sinn im Leben sieht.

Dr. Manfred Lütz im Studiogespräch mit DW-Redakteur Klaus KrämerBild: DW/M. Müller

Gibt es eigentlich eine Geld-zurück-Garantie, wenn ein Leser sich nach der Lektüre nicht anregen lässt, weiter über das Glück nachzudenken? Wäre für ihn doch zumindest ein kleines Glück?

Nein, es ist ja kein Ratgeber. Ein Sprichwort sagt: Jeder ist seines Glückes Schmied. Das bedeutet, jeder, der das Buch liest, muss für sich was daraus machen. Das Buch ist kein Rezeptbuch.

Dr. Manfred Lütz, 61, ist Psychiater, Philosoph, katholischer Theologe und Chefarzt des Alexianer-Krankenhaus für psychisch Kranke in Köln. Er ist seit Jahren Bestsellerautor und in seinen Büchern befasst er sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen, Trends und Stimmungen aus seiner Sicht als Psychotherapeut.

Sein neuestes Buch "Wie Sie unvermeidlich glücklich werden. Eine Psychologie des Gelingens" ist im Gütersloher Verlagshaus erschienen und hat 192 Seiten. (ISBN 978-3-579-07099-5)

Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen