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Durchwachsenes Festival

Josef Schnelle25. Mai 2014

Kein deutscher Film aber vier Koproduktionen mit Deutschland im Wettbewerb von Cannes - eine davon ergatterte den "Großen Preis der Jury". Wenige Meisterwerke machten die Filmfestspiele dieses Jahr aus.

Jurymitglieder der Kategorie "Un Certain Regard" beim Filmfestival Cannes 2014 (Foto: Getty Images)
Noch ein Schnappschuss, bevor sie die Preisträger bekannt geben: Jurymitglieder der Kategorie "Un Certain Regard"Bild: Loic Venance/AFP/Getty Images

Das Ende schien schon von Anfang an vorhersehbar. Das türkische Kino feierte seinen 100. Geburtstag und zum Jubiläum gab es die begehrte Goldene Palme für den Film "Winter Sleep". Nuri Bilge Ceylan ist der derzeit wohl renommierteste Regisseur aus der Türkei, trotzdem konnte er am Ende den erwarteten Triumph kaum fassen. Nach diversen kleinen und mittleren Preisen auf den Festivals dieser Welt und nach dem Drehbuchpreis in Cannes für "Es war einmal in Anatolien" vor drei Jahren bekam er nun als insgesamt erst zweiter Film aus der Türkei - nach Yilmaz Güney mit "Yol" (Der Weg) 1982 - die höchste Auszeichnung des wichtigsten Filmfestivals der Welt.

Preis für italienisch-deutsche Koproduktion

Die übrigen Preise folgten dem erprobten Gießkannenprinzip wobei der Große Preis der Jury - die zweitwichtigste Auszeichnung des Festivals - in diesem Jahr an das Sozialdrama "Le meraviglie" (Das Wunder) der Italienerin Alice Rohrwacher ging. Bei der internationalen Kritik war der Film weitgehend untergegangen und wurde eher als kleines Werk angesehen. Er gehörte zu den sechs deutschen Koproduktionen, die es in den Wettbewerb geschafft hatten. Ein originärer deutscher Film war hingegen weit und breit in Cannes nicht zu erblicken. Selbst Wim Wenders gefeierter Dokumentarfilm über den Fotografen Juliano Ribeiro Salgado war nur in der Nebenreihe "Un certain regard" zu sehen.

Kritischer Blick auf US-amerikanische Unterhaltungsindustrie

Hollywood war ebenfalls nicht sonderlich anwesend auf der Croisette - sieht man einmal von ein paar Starauftritten auf dem roten Teppich und bei Gala-Diners ab. Umso mehr war Hollywood Thema der Autorenfilme, die das Festival zeigte - als Gegenstand ironischer Aufarbeitungen. In "Maps to the Stars" von David Cronenberg wird die Welt der Spitzenhonorare in Fernsehserien grandios aufgemischt. Die Hauptfigur Havana Segrand - reich, berühmt und schwer neurotisch - verzehrt sich nach einer ganz bestimmten Rolle im Film eines angesagten Regisseurs. Dann kommt der Anruf ihrer Agentin, dass sich der Regisseur für eine andere Schauspielerin entschieden hat. Havana erlebt dies als Demütigung, die selbst ihre Antidepressiva nicht kompensieren können. Cronenberg zieht alle Register, um den schönen Schein der Berühmtheit als arrogante, zynische Selbstbezogenheit zu entlarven.

Das alles nur als Attacke auf Hollywood zu sehen ist eine verkürzte Sichtweise auf den Film. Natürlich hat "Maps to the Stars" noch viele andere Ebenen. Es ist die Geschichte einer Geschwisterliebe, deren Schuld und Leidenschaft sich in einer anderen Geschwisterliebe spiegelt. In der Hollywood-Edelwelt mit Designerpools und ebensolchen Küchen erfüllt sich das Schicksal von Agatha und Benjiie zwischen Flammenwelten und Designerdrogen: ein Film über die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt. Schwer zu entschlüsseln und gerade deshalb große Kunst. Die Sterne am Himmel und die Stadtpläne auf denen die Wohnorte der Stars eingezeichnet sind - so der Doppelsinn des Filmtitels - führen nicht wirklich zu einem glücklichen Leben.

Zwei Generationen im Film "Sils Maria": Kristen Stewart (l.) und Juliette BinocheBild: Getty Images

Assayas Meisterwerk geht leer aus

"(Clouds of) Sils Maria" von Olivier Assayas, der als allerletzter Film des Wettbewerbs zu sehen war, zeigt die europäische Seite der Medaille. Auch dieser Film macht sich über die Oberflächlichkeit der Filmmetropole lustig. Mit Juliette Binoche in der Hauptrolle erzählt er aber hauptsächlich vom klugen Älterwerden einer Schauspielerin in Würde: Maria Enders begann ihre Karriere als junge Frau mit einem Theaterstück, in dem es um die Geschichte einer jungen und einer älteren Frau geht. Damals spielte sie die junge, jetzt soll sie die 40-Jährige spielen. Juliette Binoche interpretiert diese Paraderolle mit viel Selbstironie und Klugheit. Die Seitenhiebe auf die Aufgeregtheit des amerikanischen Celebrity-Kults sitzen prächtig und die feine Balance zwischen der persönlichen Geschichte der zwei Frauen und ihren Versuchen, sich das Theaterstück anzueignen, macht den Film des ehemaligen Filmkritikers Assayas zu einem - bei der Preisvergabe leider ignorierten - späten Meisterstück im Wettbewerb des diesjährigen Festivals von Cannes.

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