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Fußball trifft Geschichte: Gladbachs Mission in Israel

Felix Tamsut
25. Februar 2020

Vor einem halben Jahrhundert spielte Borussia Mönchengladbach in Tel Aviv gegen Israel. Für DW-Reporter Felix Tamsut, einen Israeli, ist dieses Spiel von persönlicher Bedeutung.

Günter Netzer (l.) und Trainer Hennes Weisweiler (r.) sitzen auf Fußbällen (Foto:picture-alliance/Sven Simon)
Bild: picture-alliance/Sven Simon

Gladbach gegen Israel 50 Jahre

03:11

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Wer weiß, ob ich je ein Fußball-Journalist in Deutschland geworden wäre, wenn es dieses Spiel nicht gegeben hätte. Dieses Spiel hat jeden Bereich meines jetzigen Lebens beeinflusst, und das, obwohl es schon lang vor meiner Geburt stattfand. Bis vor Kurzem wusste ich noch gar nicht, dass dieses Spiel jemals stattgefunden hat.

Schatten der Vergangenheit

Es war 1970. Yakov Hadas-Handelsman, später Botschafter Israels in Deutschland (2012 bis 2017), war damals gerade 13 Jahre alt und lebte in Tel Aviv, als ein europäisches Spitzenteam gegen das israelische Nationalteam antrat. Auch wenn es nur ein Freundschaftsspiel war, als heißblütiger Fußballfan war die Aussicht, endlich seine Helden live und in Farbe zu sehen, einfach großartig. Doch da war das Problem: Die Mannschaft kam aus Deutschland. Borussia Mönchengladbach.

Der Holocaust und die unbeschreiblichen Gräueltaten, die von deutschem Boden ausgingen, waren in dem damals jungen Staat Israel stets präsent. Obwohl Deutschland und Israel fünf Jahre zuvor begonnen hatten, wieder diplomatische Beziehungen aufzubauen, waren Deutschland und deren Vertreter verständlicherweise tief verhasst.

Die öffentlichen Proteste gegen dieses Spiel waren dementsprechend massiv. Viele Israelis, viele Juden, lehnten jegliche Kooperation mit dem Land ab, das für den Völkermord an sechs Millionen Menschen verantwortlich war, auch wenn Deutschland noch so sehr die Aussöhnung mit den Juden und Israel suchte. 

Yakov Hadas-Handelsman im April 2017Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

"Ich erinnere mich, dass ich bei meinen Verwandten in Tel Aviv im Radio hörte, dass Westdeutschland das WM-Finale gegen England 1966 verloren hatte. Mein Vater freute sich darüber. Als ich ihn fragte warum, antwortete er mir, dass es das Allerwichtigste sei, dass diese widerwärtigen Deutschen nicht gewinnen", berichtet Yakov Hadas-Handelsman. Allein die Idee, dass der junge Yakov ein Spiel gegen eine deutsche Mannschaft besuchen wollte, sorgte daheim für heiße Diskussionen. Die Familie seines Großvaters stammte aus Polen und war von den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs fast komplett getötet worden, sein Vater weigerte sich seither, deutsche Produkte zu kaufen.

Yakov trifft seine Helden

Im Jahr 2017 wurde ich nach Berlin geschickt, um von dort über eine Aufführung einer israelischen Fußball-Dokumentation zu berichten. Kurz zuvor hatte mir Yakov seine Geschichte erzählt: Wie er das Spiel gesehen, wie er es erlebt und wie er die Gladbach-Legende Günter Netzer bewundert hatte. Die Faszination und die Leidenschaft waren immer noch zu spüren. Yakov Hadas-Handelsman war für ein kurzes Gespräch wieder der 13-jährige Yakov.

44 Jahre nach dem Spiel überreichte er Vertretern von Borussia Mönchengladbach einen Preis für den Beitrag des Vereins zur Förderung der deutsch-israelischen Beziehungen. Und er erkannte die früheren Spieler der "Fohlenelf" sofort, obwohl viel Zeit vergangen war. "Wer hätte gedacht, dass das Kind, das damals den Spielern im Bloomfield Stadium in Tel Aviv zujubelte, am Ende den Staat Israel in Deutschland vertritt und den Stars, vor denen er damals in Ehrfurcht erzitterte, eine Auszeichnung überreicht?", sagte Yakov Hadas-Handelsman.

Von der Traurigkeit zum Glück

Aber nicht nur für Yakov, sondern auch für den in Russland geborenen Mordechai (Motale) Spiegler schloss sich an diesem Tag ein Kreis. Seine Wahrnehmung Deutschlands hat sich im Laufe der Jahre verändert.

"Ich erinnere mich, dass ich als Fünfjähriger geweint habe, als ich hörte, dass Deutschland 1954 den WM-Titel gewann. Dass die Deutschen gewonnen haben, hat sich falsch angefühlt", erzählt Spiegler.

Günter Netzer (l.) und Schmuel Rosenthal, 1970 Nationalspieler und 1972 der erste israelische Profi in der BundesligaBild: Imago/Horstmüller

16 Jahre später war Spiegler Kapitän gegen das deutsche Team aus Mönchengladbach, ein europäisches Spitzenteam um Stars wie Günter Netzer, Jupp Heynckes und den legendären Trainer Hennes Weisweiler. Israels damaliger Nationaltrainer Emanuel Schaffer hatte ihn während seiner Trainerausbildung an der Deutschen Sporthochschule in Köln kennengelernt. Die beiden waren Freunde geworden. Schaffer, in Drohobycz (damals Polen, heute Ukraine) geboren, ist der einzige Trainer, der Israel je zu einem großen Endrundenturnier gecoacht hat.

"Vor dem Spiel hat unser Trainer Schaffer zu uns gesagt: 'Hört mir zu, und alles wird gut werden.' Wir haben es gemacht und am Ende nur 0:6 verloren. Wenn wir es nicht gemacht hätten, wären es wohl zwölf Gegentore gewesen," scherzt Spiegler.

Freundschaften geschlossen

Gladbach gegen Israel 50 Jahre

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Auch nach dem Spiel blieb Spiegler mit einigen Spielern der Gladbacher in Kontakt, inklusive dem genialen Spielmacher Netzer. Es sollte eine Freundschaft werden, die bis heute Bestand hat: "Ich wurde zu einer Pressekonferenz nach Deutschland eingeladen, als im deutschen Fernsehen ein Dokumentarfilm über dieses Freundschaftsspiel gezeigt wurde. Ich habe die Organisatoren gefragt, ob Günter Netzer dort sein werde. Als ich erfuhr, dass dies nicht der Fall sein würde, sagte ich ab."

Mordechai Spiegler, der früher auch für Paris Saint-Germain und New York Cosmos spielte, erinnert sich, dass er kurz davor stand, in Mönchengladbach zu unterschreiben, nachdem er eine Woche lang mit dem Verein trainiert hatte. Aber der Klub hatte bereits das Limit nichtdeutscher Spieler ausgeschöpft.

20 Jahre nach Spieglers Tränen, weil Westdeutschland 1954 den WM-Pokal, waren diese 1974 beim nächsten deutschen WM-Triumph getrocknet. Denn jetzt war Spiegler alles andere als traurig: "Ich hatte viele Freunde in dieser westdeutschen Mannschaft und freute mich sehr für sie."

Borussia Mönchengladbach im Juli 1970 im heimischen Bökelberg-StadionBild: picture-alliance/dpa

Die "Hooligans" verändern alles

Sowohl Spiegler als auch Hadas-Handelsman haben sie kennengelernt: die Macht des Fußballs, Brücken zwischen Menschen zu bauen und Veränderungen herbeizuführen. Beide erinnern sich daran, wie positiv damals das Publikum im ausverkauften Stadion auf die Fußballmannschaft aus Mönchengladbach reagierte. Das Spiel sei eine Erfahrung gewesen, "die ein Leben lang erhalten bleibt", sagt Yakov Hadas-Handelsman."Die Reaktion des damaligen westdeutschen Botschafters in Israel verdeutlicht es am besten. Nach Mönchengladbachs Spiel sagte er: 'Was wir in den letzten fünf Jahren auf diplomatischem Wege versucht haben, haben diese Hooligans in 90 Minuten erreicht'". 

Diese Geschichte von Freundschaft steht für mich, als israelischen Journalist in Deutschland, im Mittelpunkt der Förderung des Verständnisses zwischen Israelis und Deutschen. Es ist eine Geschichte, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beinhaltet.

Angesichts der Tatsache, dass ich jetzt hier bin, als Jude, Israeli und Journalist, kann man mit Sicherheit sagen, dass es dieses eine Spiel war, dass auch mein Leben verändert hat. Und ich wusste zunächst nicht einmal, dass es stattgefunden hat.

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