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Gladbachs Jens Castrop vor erstem Länderspiel für Südkorea

John Duerden
3. September 2025

Jens Castrop spielte bis zur U21 für Deutschland. Nun tritt der Bundesliga-Profi von Borussia Mönchengladbach als erster eingebürgerter Spieler für Südkorea an. Möglicherweise muss er dort sogar Militärdienst leisten.

Jens Castrop sitzt auf der Ersatzbank bei Borussia Mönchengladbach
Jens Castrop könnte der erste im Ausland geborene Spieler werden, der für die südkoreanische Nationalmannschaft spieltBild: Norbert Jansen/fohlenfoto/RHR-FOTO/picture alliance

Bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar war Südkorea neben Brasilien, Argentinien und Saudi-Arabien eines von nur vier Ländern, das keinen eingebürgerten Spieler in seinem Kader hatte. Für die südkoreanische Fußball-Nationalmannschaft ist bisher noch nie Spieler berufen worden, der zuvor eine andere Staatsangehörigkeit hatte.

Das könnte sich zur kommenden Weltmeisterschaft ändern, da das ostasiatische Land im August mit Jens Castrop zum ersten Mal in seiner Geschichte einen eingebürgerten Fußballer nominiert hat. Und diese Entscheidung könnte jenseits des Fußballs von größerer Bedeutung sein als auf dem Platz selbst.

Castrop hat sein ganzes Leben in Deutschland verbracht, bereitet sich nun aber darauf vor, am Samstag in Harrison beim Freundschaftsspiel gegen die USA sein Debüt in der südkoreanischen Nationalmannschaft zu geben und vielleicht auch vier Tage später in Nashville gegen Mexiko auflaufen zu dürfen.

Südkoreas Nachbarländer China und Japan haben in der Vergangenheit - entsprechend der Regeln des Fußball-Weltverbandes FIFA - regelmäßig Spieler für ihre Nationalteams nominiert, die eingebürgert wurden und entweder in ihren heimischen Ligen gespielt haben oder familiäre Bindungen zu dem Land hatten. Nun bereitet sich Südkorea darauf vor, dasselbe zu tun.

Öffentliche Meinung wichtig

"Die Einbürgerung ist ein weltweiter Trend, nicht nur im Fußball, sondern auch in anderen Sportarten und Branchen, sodass wir davon ausgehen können, dass sie in Zukunft noch weiter zunehmen wird", erklärt Lee Sung-mo, Autor und Übersetzer aus Seoul, gegenüber der DW in Bezug auf die Personalie Castrop. "Viele Vertreter der koreanischen Medien schlugen vor, ihn in die koreanische Nationalmannschaft aufzunehmen."

Jens Castrop (r.) in seinem zweiten Bundesliga-Spiel für Borussia Mönchengladbach - hier beim VfB StuttgartBild: Robin Rudel/Pressefoto Rudel/picture alliance

Castrops Qualität ist unbestritten. Der gebürtige Düsseldorfer wurde im Nachwuchsbereich bei Fortuna und beim 1. FC Köln ausgebildet und wechselte erst vor dieser Saison vom Zweitligisten 1. FC Nürnberg zu Borussia Mönchengladbach in die Bundesliga. Der 22-Jährige spielte für Deutschland in verschiedenen Jugendnationalmannschaften, absolvierte vier U21-Länderspiele.

Die Regeln besagen, dass Spieler den Fußballverband des Landes wechseln können, wenn sie noch kein Länderspiel in der A-Nationalmannschaft bestritten haben. Dafür entschied sich der 22-jährige Mittelfeldspieler kürzlich und darf nun eine WM-Teilnahme hoffen. Das Heimatland seiner Mutter ist bereits für die Endrunde 2026 in den USA, in Kanada und Mexiko qualifiziert.

"Die Mehrheit der koreanischen Fans steht dem positiv gegenüber, und auch die Medien sind offen dafür", fügt Lee hinzu. "Die Geschichte, wie sehr er und seine koreanische Mutter sich für die südkoreanische Staatsbürgerschaft eingesetzt haben, hat die Fans bewegt."

Den richtigen Ton treffen

Das ist wichtig. Denn das Nationalteam Südkoreas ist ein wichtiger Teil der Identität des Landes. Es ist buchstäblich als "Repräsentativmannschaft" bekannt. "Ich habe meine Wurzeln und meine Identität immer geschätzt", sagte Castrop nach seiner Nominierung. "Bei der Wahl einer Nationalmannschaft geht es nicht um Ehre oder Bedingungen - es geht darum, wo mein Herz wirklich zu Hause ist."

Castrops Mutter, Ahn Soo-yeon, zog 1996 nach Düsseldorf und legte großen Wert darauf, das asiatische Erbe ihres Sohnes zu betonen. "Ich habe Jens immer gesagt: 'Deine Wurzeln liegen in Korea, und du musst eine koreanische Identität haben.' Das Herz meines Sohnes schlägt für Korea. Es ist koreanisch, egal was passiert."

Dabei könnte die Wahl der südkoreanischen Nationalmannschaft und Staatsbürgerschaft auch Folgen für Castrops Leben abseits des Platzes haben. Auch weil sich Südkorea formal seit 1953 mit Nachbarland Nordkorea im Kriegszustand befindet, gilt eine strenge Wehrpflicht. Alle wehrtauglichen Männer sind verpflichtet, 18 bis 21 Monate Dienst zu leisten, in der Regel bevor sie ein Alter von 28 Jahren erreicht haben. Ihren Militärdienst müssen sie entweder in den Streitkräften oder im allgemeinen Staatsdienst tun. Koreanische Staatsbürger haben Pflichten, und die Gesellschaft sieht es nicht gerne, wenn jemand seiner Pflicht nicht nachkommt - insbesondere wenn er reich und/oder berühmt ist.

Militärpflicht schreckt Castrop nicht ab

"Ich bin mir der Wehrpflicht voll bewusst, aber das Wichtigste ist, dass ich alles für die koreanische Nationalmannschaft geben möchte", sagte Castrop. "Ich stehe diesbezüglich in ständigem Kontakt mit der KFA [Korea Football Association] und meinem Management. Bei der koreanischen Nationalmannschaft geht es nicht um einen Pass - es geht darum, wo ich wirklich hingehöre."

Noch ist nicht klar, ob Castrop, der noch nie in Korea gelebt hat, seinen Wehrdienst wirklich ableisten muss - Fußballer tun dies in der Regel, indem sie für die Militärmannschaft Gimcheon Sangmu spielen, die derzeit in der höchsten Spielklasse der heimischen K-League spielt -, aber es ist bereits ein Thema, über das gesprochen wird.

"Der Militärdienst in Korea ist sehr anspruchsvoll, und es herrscht ein starker gesellschaftlicher Konsens darüber, dass alle Männer unabhängig von ihrer sozialen Klasse oder ihrem Status in den Streitkräften dienen sollten", erklärt Dirk Bethmann, Professor am Institut für Wirtschaftswissenschaften und Politikwissenschaft der Korea University in Seoul, gegenüber der DW. "Diese gemeinsame Ansicht stützt auch die Idee, dass Ausnahmen auf ein absolutes Minimum beschränkt bleiben sollten."

Son Heung-min entgeht 2018 der Wehrpflicht dank des Gewinns des Asien-Pokals mit SüdkoreaBild: Lee Young-ho/Sipa USA/picture alliance

Es gibt eine sportliche Möglichkeit, eine Befreiung zu erlangen, beispielsweise durch den Gewinn einer olympischen Medaille oder einer Goldmedaille bei den Asienspielen, wie es Son Heung-min 2018 gelang, wodurch er seine Karriere in Europa fortsetzen konnte. Castrop könnte für zukünftige Wettbewerbe nominiert werden.

"Das Argument lautet, dass Sportler und Künstler Korea großes Ansehen verschaffen", sagt Bethmann. "Man geht davon aus, dass sie durch ihre berufliche Tätigkeit mehr zum nationalen Image und Wohlergehen des Landes beitragen als sie es als Wehrpflichtige könnten, die ihren Grundwehrdienst ableisten."

Vorbild für die Zukunft?

Es gibt eine große koreanische Diaspora, insbesondere in Europa und Nordamerika. Wenn Castrop auf und neben dem Spielfeld erfolgreich ist, könnten sich weitere Talente dazu entschließen, in seine Fußstapfen zu treten, sowohl im Fußball als auch in anderen Sportarten. Wenn er mit der Mannschaft erfolgreich ist, könnte dies dazu beitragen, breite Unterstützung von Fans und Medien zu gewinnen.

"Castrop kann ein sehr wichtiges Vorbild für alle potenziellen zukünftigen Spieler ausländischer Herkunft sein, die für die südkoreanische Nationalmannschaft spielen möchten", sagt Lee. "Wenn er sich gut in die Mannschaft einfügt und gute Leistungen zeigt, wird dies positive Reaktionen bei den Fans hervorrufen, die dann gegenüber ähnlichen Fällen in Zukunft offener sein werden."

Mit dem richtigen Auftritt und guten Leistungen im Nationalteam Südkoreas kann Jens Castrop zum großen Vorbild werdenBild: Norbert Jansen/fohlenfoto/RHR-FOTO/picture alliance

Wichtig dabei ist allerdings die individuelle Integrationsbereitschaft. Indonesien hat sich für eine rasche Einbürgerung von Spielern entschieden, sodass in den letzten Spielen bis zu neun in Europa geborene Spieler in der Startelf standen. Dies hat zu besseren Ergebnissen geführt, aber auch zu Bedenken hinsichtlich der Identität der Mannschaft, da Niederländisch und Englisch zu den gängigen Sprachen im Training geworden sind. Für Castrop wird es entscheidend sein, sich um die Sprache zu bemühen.

"Er wird einige Schwierigkeiten haben, mit seinen Teamkollegen zu kommunizieren, aber wir wissen, dass er fleißig Koreanisch lernt und versucht, mehr über das Land zu erfahren", sagte Südkoreas Nationaltrainer Hong Myung-bo. "Wir müssen alle zusammenarbeiten, um ihm zu helfen, sich so schnell wie möglich an die neue Umgebung zu gewöhnen."

Zunächst einmal müsse Castrop jedoch auf dem Platz zeigen, was er kann, so der Coach. "Entscheidend wird sein, dass er seine Wettbewerbsfähigkeit in seiner Position unter Beweis stellt." Der Rest kann später kommen.

Der Text wurde aus dem englischen Original "Naturalized player signals new era for South Korean football" adaptiert. 

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