Für einen WM-Erfolg brauchen die Nationalmannschaften nicht nur all ihr fußballerisches Können, sondern auch Glück. Von Manuel Neuer bis Ronaldo sind viele Kicker und ihre Trainer abergläubisch und schwören auf Rituale.
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Rituale auf dem Fußballplatz
Salz verschütten, die Zahl 13 im Blick behalten, den Platz immer zuerst mit dem rechten Fuß betreten: Profis und Trainer aller Länder verlassen sich nicht nur auf fußballerisches Können, viele schwören auf Rituale.
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Manuel Neuer: Auf Du und Du mit den Torpfosten
Manuel Neuer, Deutschlands Keeper und Kapitän der Nationalelf, frönt einem Ritual, um möglichst kein gegnerisches Tor zu kassieren: Er berührt vor jedem Anpfiff geradezu andächtig beide Pfosten und die Latte des Tores, das er hütet. Jedes Gegentor wird dadurch allerdings nicht verhindert, wie Neuer auch bei dieser WM schon schmerzlich erfahren musste.
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Cristiano Ronaldo: Meister der Spleens
Der portugiesische Superstar und Stürmer von Real Madrid überlässt nichts dem Zufall. Im Mannschaftsbus sitzt er immer in der hintersten Reihe, im Flugzeug muss es die vorderste sein. Den Platz betritt Cristiano Ronaldo grundsätzlich zuerst mit dem rechten Fuß, und in der Halbzeit wird obligatorisch die Frisur gerichtet. Ob das dazu beigetragen hat, dass er schon fünfmal den Ballon D'Or gewann?
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Neymar: Beten für den Sieg
Er sei derzeit der beste Fußballspieler weltweit, hat Neymar gerade verkündet - denn Messi und Ronaldo seien nicht mehr von dieser Welt. Der brasilianische Stürmer mit der Nummer 10 hofft trotzdem auf Hilfe von oben: Vor jedem Spiel betet er mit seinem Vater um den Sieg, und wenn er, immer mit rechts zuerst, den Rasen betritt, berührt er ihn mit den Händen und spricht erneut ein Gebet.
Der ehemalige argentinische Nationaltorhüter hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, vor gegnerischen Elfmetern auf den Platz zu urinieren. Eine Methode, mit der er die Schützen durchaus verunsichern konnte. Bei der WM 1990 half das sogar bis zum Finale in Rom: Da besiegte Deutschland Argentinien mit 1:0 - dank eines Elfmeters, geschossen von Andreas Brehme.
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Bastian Schweinsteiger und das Socken-Ritual
Er war der Held der WM 2014, spielte selbst mit blutendem Gesicht weiter und kämpfte wie ein Löwe um den Pokal. Als Kapitän führte Schweinsteiger, der heute bei Chicago Fire in den USA unter Vertrag steht, die deutsche Nationalelf zum Weltmeistertitel. Und auch er pflegt ein abergläubisches Ritual: Vor jedem Spiel feuchtet er seine Socken und Schuhe an.
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Laurent Blanc und Fabien Barthez: Kein Spiel ohne Kuss
Der Libero Laurent Blanc führte die französische Nationalmannschaft jahrelang als Kapitän aufs Feld. Vor jedem Länderspiel küsste er den kahlrasierten Kopf von Torwart und Teamkollegen Fabien Barthez. Offenbar brachte es Blanc Glück. Und je mehr Siege die Mannschaft errang, desto mehr Spieler schlossen sich dem Ritual an – bis schließlich alle den Kopf des Torhüters küssten.
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Gerd Müller und das verhexte Schuhwerk
Fußballschuhe müssen passen, sollte man meinen: Doch Müllers Schuhe mussten immer drei Nummern zu groß sein. Dann könne er sich besser drehen, erklärte er. Offenbar hat's geholfen, er ging als Bomber der Nation in die Fußballgeschichte ein. Der Österreicher Johann Ettmayer hingegen trug zu kleine Schuhe. Begründung: "Ich wollte immer ein Kondom an den Füßen haben, sonst hast du doch kein Gefühl."
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Gary Lineker schoss lieber vorbei
Heute ist er Sportreporter bei der BBC, in den 1980er Jahren galt er als bester englischer Stürmer. Beim Aufwärmen für eine Partie hatte Lineker allerdings eine Marotte: Er schoss nie aufs Tor, um seine Schüsse, wie er sagte, "nicht im Voraus zu verballern".
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Eric Cantona: Nicht ohne mein Badewasser
Bloß keine Saunagänge oder heiße Bäder vor einem Spiel, warnen Mediziner, denn große Hitze ist Gift für Hochleistungssportler. Der Franzose Eric Cantona pfiff allerdings auf die guten Ratschläge und legte sich an jedem Spieltag morgens Punkt acht Uhr für fünf Minuten in die warme Wanne.
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Real Madrid und der Knoblauch
Seit Jahren räumen die Königlichen aus Spanien einen Titel nach dem anderen ab, zuletzt bei der Champions League. Doch 1912 sah das ganz anders aus: Fünf Jahre lang hatte die Mannschaft kein einziges Spiel gewonnen. Um den Bann zu brechen, vergrub man eine Knoblauchzehe in der Mitte des Spielfelds. In derselben Saison holten sie den Copa del Rey. Ob Real Madrid noch heute zu der Pflanze greift?
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Romeo Anconetani: Salz für die Götter
Von 1978 bis 1994 war Anconetani Präsident des italienischen Vereins AC Pisa. Er war überzeugt, Salz verhelfe seinem Team zum Sieg. Schließlich hatte schon Platon Salz als Geschenk der Götter gepriesen. So verstreute er es vor jedem Spiel auf dem Fußballfeld. Als Anconetanis Team sich einst kaum gegen den Gegner AC Cesena behaupten konnte, lief er auf den Platz und verschüttete 26 Kilo.
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Mario Zagallo und die magische 13
Die Fixierung des brasilianischen Trainers auf die Zahl 13 war legendär. Er verehrte den Heiligen Antonius, dessen Gedenktag auf den 13. Juni fällt. Daher lebte er im 13. Stock eines Hochhauses, heiratete an einem 13. und wollte auch in seiner Zeit als aktiver Spieler immer nur mit der Rückennummer 13 auflaufen. 1994 führte Mario Zagallo die Brasilianer zum WM-Titel. Dank der 13?
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Carlos Bilardo: Unseliges Federvieh
Bei der WM 1986 verbot Trainer Carlos Bilardo seiner Nationalelf, Hühnerfleisch zu essen: Er war davon überzeugt, es bringe Unglück. So kamen nur Rindersteaks auf den Teller. Außerdem verlangte er von seinen Spielern, vor jedem Match die Zahnpasta zu tauschen, weil auch er sich diese vor der ersten Partie von einem seiner Spieler geliehen hatte. Und siehe da: Die Argentinier wurden Weltmeister.
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Giovanni Trapattoni: Kein Spiel ohne Weihwasser
Auch der legendäre italienische Trainer Giovanni Trapattoni, der schon dem FC Bayern Beine machte und für mangelnde Leistung das geflügelte "Flasche leer" prägte, ist abergläubisch - oder besser gesagt: gläubig. Jedes Mal, bevor er seine Azurri-Elf auf den Platz ließ, verschüttete er dort erst mal Weihwasser. Das gesegnete Nass bekam er aus vertrauenswürdiger Quelle: Seine Schwester ist Nonne.
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Jogi Löw und die Farbe Blau
Auch Bundestrainer Jogi Löw glaubt an Glücksbringer. Jahrelang war es ein blauer Kaschmir-Pulli. Das Vertrauen in das gute Stück fand bei der WM 2010 viele Nachahmer unter den Fans, innerhalb kürzester Zeit war das Modell ausverkauft. Den Pullover hat Löw mittlerweile dem DFB-Fußballmuseum gestiftet, aber auf die Farbe Blau schwört er immer noch. Ob das bei der Mission Titelverteidigung hilft?
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Glaube kann bekanntlich Berge versetzen. Das hat sich auch im Zeitalter der Industrialisierung nicht geändert. Und so halten viele Fußballer ebenso wie ihre Trainer an bestimmten Ritualen fest, damit Fortuna ihnen hold ist.
So glaubte er brasilianische Nationaltrainer Mario Zagallo an die Magie der Zahl 13, und Frankreichs ehemaliger Coach Raymond Domenech suchte sich seine Spieler für die WM-Kadernominierung 2010 nach Sternzeichen aus. Er glaubte, festgestellt zu haben: "Skorpione bringen sich am Ende alle selbst um und Löwen begehen Dummheiten." Das Resultat: verheerend. "Les Bleus" schieden mit nur einem Punkt in der Gruppenphase aus.
Sein argentinischer Kollege Carlos Bilardo zwang seine Spieler eine Zeit lang, mit dem Taxi zu Länderspielen anzureisen – weil sie mal gewonnen hatten, als der Bus eine Panne hatte und alle Mann in Sammeltaxis gesetzt worden waren. Der französische Libero Laurent Blanc küsste grundsätzlich vor jedem Spiel die Glatze des Torhüters Fabien Barthez, und Manuel Neuer tastet vor dem Anpfiff beschwörend die Torpfosten ab.
Mit Kaugummi und Boxeinlage zum Sieg
Wenn man sich nicht strikt an das gewohnte Ritual hält, kann das schon mal gewaltig schiefgehen. Diese Erfahrung machte zumindest Johan Cruyff. In den Niederlanden ist der 2016 verstorbene Mittelstürmer eine Legende - mit seltsamen Marotten: Zunächst boxte er dem Torwart seiner Mannschaft in den Magen, dann ging er über den Platz und spuckte ein Kaugummi Richtung gegnerisches Tor.
Er wisse, dass das mehr als seltsam sei, bekannte er mal gegenüber der Presse, aber erst nach diesem Ritual könne er sich voll darauf konzentrieren zu gewinnen. Beim Finale des Europapokals der Landesmeister 1969 allerdings merkte er zu spät, dass er sein Kaugummi vergessen hatte – und prompt schlug der AC Milan Cruyffs Club Ajax Amsterdam 4:1.
Der Fluch der Socceroos
Noch ein Beispiel, dass man sich lieber nicht mit den Fußballgöttern und ihren Gehilfen anlegen sollte: Es sah gar nicht gut aus für die australische Nationalmannschaft, als sie sich 1970 für die Weltmeisterschaft qualifizieren wollte. Als sie in Mosambik gegen Simbabwe antreten sollten, lagen die Nerven blank, und so heuerten die Spieler kurzerhand einen Medizinmann an, der die Gegner verfluchte und vorsichtshalber gleich noch ein paar Knochen neben dem Torpfosten vergrub. Der Zauber zahlte sich aus – Australien gewann 3:1. Allerdings blieb das Team dem Medizinmann 1000 Pfund schuldig – und der rächte sich, indem er nun wiederum die Socceroos verfluchte.
Ohne Gegenzauber lief nichts mehr
Danach war ihnen das Glück Jahrzehnte lang nicht mehr hold. Bis der langjährige Kapitän der Mannschaft, John Warren, nach Mosambik zurückkehrte und darum bat, den Fluch zurückzunehmen. Der alte Medizinmann war längst durch einen neuen ersetzt, und der forderte ihn auf, sich auf den Fußballplatz zu setzen, auf dem die Socceroos 1969 gewonnen hatten. Dann tötete er ein Huhn, verspritzte das Blut auf dem Feld und forderte Warren auf, sich mit dem Lehm des Platzes zu beschmieren. Und was soll man sagen: Prompt qualifizierte sich das Team für die WM 2006.
Ob die Socceroos bei der aktuellen Weltmeisterschaft auch mit Medizinmännern verhandeln, ist nicht bekannt. Zumal die FIFA von solchen Praktiken äußerst wenig hält, seitdem bei der WM 2006 in Deutschland Hühner geopfert und in den Stadien vergraben wurden, und ein Medizinmann aus Ecuador spitze Schreie ausstieß und den WM-Rasen immer wieder mit einer Speerspitze malträtierte. Die FIFA hat natürlich keine Angst davor, dass die Voodoo-Rituale tatsächlich den Spielausgang beeinflussen; sie ist eher um die Qualität der Grasflächen besorgt.
Placebo-Effekt oder doch Fußballgott?
Auch wenn Zauber, Gebete und Rituale nicht immer den gewünschten Effekt bringen, halten Spieler und Trainer doch daran fest. Psychologen zufolge sind das keine reinen Hirngespinste, sondern Mittel mit der Wirkung eines Placebo-Effekts. Wenn man dran glaubt, kann das vor Selbstzweifeln und Versagensängsten schützen.
Übrigens huldigen nicht nur die Fußballer ihren Marotten, auch so mancher Fan ist abergläubisch. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage glauben acht Prozent der Deutschen an einen Fußballgott. Beim nächsten Spiel sollte man also unbedingt den Talisman einstecken – vielleicht klappt's dann ja mit dem Sieg.