Glaube, Politik und Hoffnung
25. Januar 2015"Ich bin Christ. Mein Glaube inspiriert mich im privaten wie im öffentlichen Raum." Das klingt dann doch ungewöhnlich aus dem Mund eines deutschen Außenministers bei einer öffentlichen Rede, einer Rede ausgerechnet in einem muslimischen Land, in Tunesien. Die Beziehung zwischen Religion und Politik ist eines der zentralen Themen auf dieser Reise durch den Maghreb, die ihn auch nach Marokko und Algerien führte. "Es gibt eine Demokratie, die dem Islam Platz gibt, und es gibt einen Islam, der der Demokratie Raum gibt", sagt Frank-Walter Steinmeier weiter. Noch ist das mehr Glaube und Hoffnung als Beschreibung der Wirklichkeit: Den Beweis, so Steinmeier, habe man in der Arabischen Welt noch nicht gesehen.
Tunesien gilt als leuchtendes Beispiel für das Gelingen der Transformation. Doch der Weg ist noch weit. Der Besuch des Bundesaußenministers jetzt war von langer Hand geplant, der Zufall will es, dass er mitten in den alles andere als glatt verlaufenden Prozess der Regierungsbildung in Tunesien fällt, die Gesprächspartner deshalb amtierende oder designierte oder ehemalige Minister und Ministerpräsidenten sind. Es ist offen, ob die nächste Regierung eine "inklusive" sein wird, ob sie die moderaten Islamisten der Ennahda einbezieht.
In Marokko stellen moderate Islamisten die Regierung, die allerdings wenig zu sagen hat: in entscheidenden Bereichen bestimmt das Königshaus. Mohammed VI. ist der Anführer der Gläubigen. Vorsichtig fallen die Reformen aus, und selbst die drohen zurückgedreht zu werden. Die Begründung: Terrorgefahr.
Zusammen gegen "Foreign Fighters"
Aus Marokko sind mehr als 1200 junge Männer in den Kampf nach Syrien und in den Irak gezogen, aus dem kleinen Tunesien (elf Millionen Einwohner) kommen sogar 3000. Die Zahl der Dschihadisten aus Deutschland ist mit 600 sehr viel kleiner, die Ratlosigkeit, wie die Radikalisierung verhindert werden kann, aber gleich groß. "Unsere Sicherheitsbehörden werden enger zusammenarbeiten", sagt Steinmeier. Gemeint sind die Geheimdienste. Das gehe gut, so heißt es aus Kreisen der Delegation, mit dem neuen Geheimdienst in Tunesien, einigermaßen mit dem vom Königshaus gesteuerten Dienst in Marokko, und es müsse halt auch mit dem algerischen Geheimdienst sein, wo es die Sicherheit Deutschlands betreffe.
Algerien ist unter den drei Staaten, die der deutsche Außenminister besucht, der am weitesten von der Demokratie entfernte. Einen Frühling im Land hat die Regierung mit einer Mischung aus Repression - der Geheimdienst ist allgegenwärtig - und dem Kaufen der eigenen Bevölkerung verhindert: Zu Tausenden wurden Arbeitsplätze in Staatsbetrieben und Behörden geschaffen, gleichzeitig die Gehälter massiv erhöht, alles bezahlt mit den Einkommen aus den reichen Öl- und Gasvorkommen des Landes.
Ein Symbol für die Erstarrung des algerischen Systems ist sein Präsident: Es gibt keine Fernsehbilder vom Treffen Frank-Walter Steinmeiers mit Abd Al-Aziz Bouteflika, heißt es schon vor der Begegnung. Der 77-jährige Bouteflika ist so krank, dass er in seiner jetzt vierten Amtszeit noch nie öffentlich gesprochen hat.
Aus dem Schatten der Attentate von Paris
Ständiger Begleiter der Reise ist "Charlie Hebdo" - bei praktisch jedem Termin Steinmeiers und bei allen offiziellen Auftritten auf dieser Reise.
Der marokkanische Außenminister Salaheddine Mezouar verdammt die Anschläge von Paris, verdammt aber im selben Atemzug und mit derselben Vehemenz die Mohammed-Karikaturen. Steinmeiers Amtskollegen in Algerien und Tunesien differenzieren: Ramtane Lamambra in Algier verurteilt zwar auch die Karikaturen, spricht sich aber mit einem knappen Satz ebenso für die Meinungsfreiheit aus. Am weitesten geht Faycal Gouia, zur Zeit zuständig für die Außenpolitik Tunesiens: Sein Eintreten für die Glaubens- und Pressfreiheit nimmt viel mehr Raum ein als seine Kritik an den Karikaturen.
Vielleicht zeigt sich da der Islam, der nach Steinmeiers Überzeugung der Demokratie Raum geben kann. Am Ende soviel wie das protestantische Christentum, zu dem Steinmeier sich in seiner Rede in Tunis bekannt hat. Er gebe zwar seinen Glauben nicht an der Garderobe vor dem Büro ab. "Aber mein Glaube darf nicht selbst zum Gegenstand der Politik werden und schon gar nicht zum Instrument gegen Andersgläubige."