"Rückführungspatenschaften" und "Corona-Diktatur" sind als Paar zum "Unwort des Jahres 2020" gewählt worden. Das Thema Corona dominierte die Einreichungen.
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Die "Unworte des Jahres" von 2007 bis 2021
Seit 1991 benennt eine Jury das "Unwort des Jahres" und stellt damit besonders zynische Begriffe an den Pranger. Das waren die Unworte seit 2007:
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2021: Pushback
Das Wort Pushback fiel 2021 immer wieder in den Debatten um die europäische Migrationspolitik. Es bezeichnet das Zurückdrängen von Geflüchteten an den Landesgrenzen durch Grenzschutzbeamte. Die Jury stellt sich gegen den Begriff, weil er einen menschenfeindlichen Prozess beschönige und selbst von Kritikerinnen und Kritikern dieser Abschiebepraxis unreflektiert verwendet werde.
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2020: Corona-Diktatur
Der Ausdruck "Corona-Diktatur" wird seit Beginn der öffentlichen Diskussion um Pandemie-Maßnahmen von der "Querdenker"-Bewegung und rechtsextremen Propagandisten verwendet. Die Unwort-Jury findet, er stehe im Widerspruch zu den ausdrücklich in der Bundesrepublik erlaubten Demonstrationen und er verharmlose das Leben in tatsächlichen Diktaturen. Erstmals wählte die Jury außerdem ein zweites Unwort.
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2020: Rückführungspatenschaften
Diesen 41 mal vorgeschlagenen Begriff führte die EU-Kommission im September 2020 für einen neuen Mechanismus der Migrationspolitik ein: Mitgliedsstaaten, die sich weigerten, Geflüchtete aufzunehmen, sollen sich solidarisch zeigen, indem sie die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber übernehmen. Dies als „Rückführungspatenschaften“ zu bezeichnen, hält die Jury für zynisch und beschönigend.
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2019: Klimahysterie
2018 lag das Klima zwar auch schon im Argen, aber seitdem Greta Thunberg die weltweite "Fridays for Future"-Bewegung ins Rollen brachte, ist der Klimawandel in aller Munde. Und zwar so oft, dass Spötter und Kritiker despektierlich das Wort "Klimahysterie" prägten.
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2018: Anti-Abschiebe-Industrie
Diesen Begriff prägte der CSU-Politiker Alexander Dobrindt im Mai 2018 in einem Interview zur Asyldebatte. Die Jury unter Leitung von Nina Janich (Foto) kürte den Ausdruck zum "Unwort des Jahres", weil Dobrindt damit denjenigen, die abgelehnte Asylbewerber rechtlich unterstützten, die Absicht unterstelle, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen zu wollen, um damit Geld zu verdienen.
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2017: Alternative Fakten
Wer kennt sie nicht - die "alternativen Fakten" von US-Präsident Trump. Erstmals nahm seine Beraterin Kellyanne Conway im Januar 2017 diese Worte in den Mund, um in der Polit-Talksendung "Meet the Press" eine falsche Aussage des damaligen Pressesprechers des Weißen Hauses, Sean Spicer, zu rechtfertigen: Es ging darum, dass die Amtseinführung Trumps angeblich die bestbesuchte überhaupt war.
Das Unwort des Jahres 2016 wurde aus 594 Vorschlägen ausgewählt. Diese Vokabel "ist ein typisches Erbe von Diktaturen, vor allem der Nationalsozialisten", urteilte die Jury 2016. Als Vorwurf gegenüber Politikern (hier: Sören Herbst von Bündnis 90/Die Grünen) sei das Wort diffamierend und würge die für die Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft ab.
Bild: Sören Herbst
2015: Gutmensch
Im Jahr 2015 spaltete die Flüchtlingsdebatte die Nation. Der Duden definiert jemanden als "Gutmensch", "der sich in einer als unkritisch, übertrieben oder nervtötend empfundenen Weise im Sinne der Political Correctness verhält". Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer so zu beschimpfen, diffamiere "Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd", urteilte die Jury.
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2014: Lügenpresse
Es gibt Begriffe, die nach Ansicht von Sprachkritikern niemand in den Mund nehmen sollte. Dazu gehört "Lügenpresse": Das Wort diente bereits im Ersten Weltkrieg als Kampfmittel, die Nationalsozialisten diffamierten so unabhängige Medien, und zuletzt schrieben Anhänger der Pegida-Bewegung das Wort auf ihre Plakate. Eine solch pauschale Verurteilung gefährde die Pressefreiheit, befand die Jury.
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2013: Sozialtourismus
"Mit dem Begriff wird von einigen Politikern und Medien gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa, gemacht", war sich die Jury bei der Wahl des Unworts 2013 einig. Man unterstelle ihnen, Sozialleistungen abgreifen zu wollen. Die Kombination aus "sozial" und „Tourismus“ sei besonders polemisch, weil es suggeriere, die Zuwanderung aus Not sei eine Vergnügungsreise.
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2012: Opfer-Abo
Geprägt wurde der Begriff von dem prominenten Wetter-Moderator Jörg Kachelmann. Nachdem er in einem Vergewaltigungsprozess freigesprochen worden war, beklagte er sich in einem Interview, Frauen hätten in der Gesellschaft ein "Opfer-Abo". Die Jury (Bild: Nina Janich) kritisierte, dass er damit Frauen "pauschal und in inakzeptabler Weise" unter den Verdacht stelle, sexuelle Gewalt zu erfinden.
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2011: Döner-Morde
Jahrelang kursierte das Wort, um die Morde an acht türkischen und einem griechischen Unternehmer zu benennen. Man ging von einer internen Fehde aus und verkannte, dass die Mordserie von der rassistischen Terrorgruppe NSU verübt wurde. Mit dem Wort "Döner", einer türkischen Speise, habe man rassistisch eine ganze Bevölkerungsgruppe bezeichnet und die Opfer diskriminiert, so die Jury.
2010: alternativlos
Geprägt wurde der Begriff von Kanzlerin Angela Merkel in Bezug auf die Finanzhilfe für das bankrotte Griechenland. Später sei das Wort "alternativlos" von Politikern inflationär gebraucht worden, so die Jury. Es suggeriere fälschlicherweise, "dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation" gebe.
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2009: betriebsratsverseucht
In einer Fernsehsendung hatte der Angestellte eines Unternehmens öffentlich erklärt, dass Abteilungsleiter dieses Wort für Arbeitnehmer verwenden, die sich im Betriebsrat für ihre Interessen einsetzen. "Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen stört zwar viele Unternehmen, sie als 'Seuche' zu bezeichnen, ist indes ein sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen", befand die Jury 2009.
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2008: Notleidende Banken
Der Begriff stelle das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise auf den Kopf, begründete die Jury 2008 ihre Wahl. Die Banken seien mit ihrer Finanzpolitik die Verursacher der Krise, die Last hätten aber die Steuerzahler zu tragen. Die Banken als notleidende Opfer zu stilisieren, entspreche nicht der Realität.
Bild: picture-alliance/ dpa
2007: Herdprämie
Das Betreuungsgeld, das Eltern erhalten, die ihre Kinder zuhause erziehen, wurde von Kritikern der Finanzspritze in "Herdprämie" umgetauft. Damit degradiere man vor allem Frauen, auch solche, die der Kindererziehung zuliebe ihre Karriere unterbrechen oder aufgeben zu "Heimchen am Herd", befand die Jury und kürte das Wort zum schlimmsten sprachlichen Missgriff des Jahres 2007.
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Die aktuelle politische Debatte und der jeweilige Zeitgeist spiegeln sich jedes Jahr in der Wahl des Unwortes wider. Zum ersten Mal kürte die Jury der sprachkritischen Aktion als 30. Unwort ein Wortpaar: "Rückführungspatenschaften" und "Corona-Diktatur".
Die ehrenamtlich und institutionell unabhängig arbeitende Jury kreiert nicht etwa selbst ein Unwort. Sie ist auf Einsendungen aus der Bevölkerung, die bis zum 31.12. des Vorjahres schriftlich vorliegen müssen, angewiesen. Für das Unwort 2020 gingen 1826 Einsendungen ein, vorgeschlagen wurden 625 unterschiedliche Begriffe.
Viele kreisten um das dominierende Thema des Jahres 2020, die Corona-Pandemie. Wie die Jury bekanntgab, waren auch die Ausdrücke "Absonderung", "Systemling", "Wirrologen" oder "Grippchen" darunter. Mit der Doppelwahl möchte sie laut einer Pressemitteilung darauf aufmerksam machen, "dass auch in anderen Themenbereichen weiterhin inhumane und unangemessene Wörter geprägt und verwendet werden."
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Für 2020 existiert auch ein "Wort des Jahres"
"Corona-Pandemie" war bereits Ende November 2020 zum "Wort des Jahres" gekürt worden. Die Entscheidung darüber liegt in der Hand der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Die GfdS kürte erstmals 1971 ein "Wort des Jahres" und tut dies seit 1977 regelmäßig.
Über das jährliche "Unwort" wird seit 1991 entschieden. In den vergangenen Jahren entschieden beispielsweise "Klimahysterie" (2019),"alternative Fakten" (2017), "Gutmensch" (2015) oder "Döner-Morde" (2011) die Wahl für sich.
Die Wahl zum jeweiligen "Unwort"
Ein Unwort ist laut Lexikoneintrag ein "unschönes Wort" beziehungsweise kann es sich um ein "unangebrachtes Wort" oder gar um einen "üblen Ausdruck" handeln. Wie Unwörter entstehen, erklärt die sprachkritische Aktion "Unwort des Jahres" auf ihrer Webseite: "Sprachliche Ausdrücke werden dadurch zu Unwörtern, dass sie von Sprechern entweder gedankenlos oder mit kritikwürdigen Intentionen verwendet werden, und dies im öffentlichen Kontext." Vor allem vier Bereichen widmet die Jury ihren sprachkritischen Blick. Sie ahndet mit ihrer Wahl beispielsweise Verstöße gegen das Prinzip der Menschenwürde oder gegen die Prinzipien der Demokratie.
Wie oft ein Begriff von unterschiedlichen Personen eingereicht werden würde, ist für die Entscheidung weniger prägend als die inhaltlichen Kriterien. Am häufigsten seien 2020 "systemrelevant" (180) und "Querdenker" (116) vorgeschlagen worden. Es gab aber auch Vorschläge aus anderen Themengebieten, beispielsweise eben aus dem Feld Migration, darunter "Abschiebepatenschaft" und "Migrationsabwehr".
Die Jury, die mit ihrer kritischen Wahl "mehr Verantwortung im sprachlichen Handeln" erzielen möchte, besteht aus vier Sprachwissenschaftlern, die an unterschiedlichen deutschen Universitäten lehren, und einem Journalisten sowie einem weiteren sprachinteressierten Mitglied aus dem Bereich des öffentlichen Kultur- und Medienbetriebs.