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Gesellschaft

Gleiches Recht für das dritte Geschlecht

9. November 2017

Deutsche Standesämter müssen demnächst neben "männlich" und "weiblich" auch den Eintrag eines dritten Geschlechts erlauben. Das entschied das Bundesverfassungsgericht. Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus.

Leipzig Plakat für eine dritte Option Intersexuelle
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Das Urteil ist unmissverständlich: Es ist eine Diskriminierung, wenn intersexuelle Menschen, deren Geschlecht nicht klar bestimmbar ist, sich dennoch im Geburtenregister zwischen "männlich" und "weiblich" entscheiden müssen, so das Bundesverfassungsgericht an diesem Mittwoch. Weil es eben bislang nur diese beiden Benennungen gibt. Damit hatte die Beschwerde einer mittlerweile erwachsenen Person Erfolg, die intersexuell ist und das so auch behördlich festhalten wollte. Bis Ende 2018 hat der Gesetzgeber nun Zeit, eine neue Regelung zu finden.

Andere Urteile unterer Instanzen

Das Urteil ist umso bemerkenswerter, weil zuvor sowohl das Amtsgericht Hannover als auch der Bundesgerichtshof zu  ganz anderen Beurteilungen kamen. Der deutsche Ethikrat, vom Bundestag eingesetzt, hatte dagegen schon vor Jahren davon gesprochen, dass es ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte sei, wenn sich intersexuelle Menschen für ein Geschlecht entscheiden müssten. Der Moraltheologe Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied des Rates, stimmte dem Urteil deshalb zu. Er sagte der DW: "Aus ethischer Sicht ist Intersexualität eine leiblich bedingte, außergewöhnliche Variante der gewöhnlichen Zweigeschlechtlichkeit menschlichen Lebens und seinen sexuellen Entwicklungspfaden. Intersexuelle Personen verdienen als solche volle Anerkennung und Respekt." Bei intersexuellen Menschen lässt sich das Geschlecht nicht eindeutig bestimmen. Die Ursachen können in den Geschlechtschromosomen liegen, aber auch hormonell bedingt sein.  

Barley: Jetzt zügig umsetzen!

Auch Bundesfamilienministerin Katarina Barley begrüßte die Entscheidung. Die SPD-Politikerin, die nur noch geschäftsführend im Amt ist, sagte in Berlin: "Es verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, wenn ihr Geschlechtseintrag offen bleibt. Das ist zudem ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot." Die Neuregelung sei überfällig, jetzt sei die mögliche neue Koalition in Berlin aus CDU, CSU, FDP und Grünen gefordert: "Eine Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss von der neuen Regierung umgehend angegangen werden." Dieser neuen Regierung wird die SPD dann nicht mehr angehören. Zustimmung kam auch von der Linken-Politikerin Petra Sitte.

Das ist historisch!

Von einem historischen Beschluss sprach die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, eine Behörde, die es seit rund zehn Jahren gibt. Behördenleiterin Christine Lüders meinte, durch die Entscheidung werde auch klargestellt, dass die Ehe für alle, die der Bundestag im Sommer überraschend beschlossen hatte, auch für intersexuelle Menschen gelte. "Das Urteil ist menschenrechtlich ein großer Schritt, dem jetzt eine klare gesetzliche Regelung folgen muss", sagt Lucie Veith vom Verein "Intersexuelle Menschen" im Gespräch mit der DW.

Beifall kam auch vom Deutschen Institut für Menschenrechte, das zuvor schon in einem Gutachten für die Gleichstellung intersexueller Menschen geworben hatte.

Zurückhaltend äußerte sich der Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), Johannes Dimroth, in Berlin: Das Ministerium ist für die Standesämter zuständig. "Das ist ja noch eine sehr junge Entscheidung. Bewerten möchte ich das noch nicht, aber wir respektieren das Urteil natürlich", so der Sprecher.

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