Glitter im grauen Alltag
17. Juli 2009Es ist bereits zwei Uhr Nachts. Endlich huscht ein Lächeln über das Gesicht von Peter Hosh. Der Blick des Besitzers der Diskothek Cosmos in Bethlehem schweift über die Tanzfläche. Und die platzt aus allen Nähten. Kellner schlängeln sich durch die Menge. Ihre Tabletts sind voll bepackt-mit Bier und bunten Cocktails, die im Disko-Licht leuchten. Es riecht nach Zigaretten und Apfeltabak aus Wasserpfeifen. Die knapp 200 Gäste tanzen zu einem internationalen Musikmix. Der reicht von Latin-Pop über Lady Gaga bis hin zum ägyptischen Superstar Amr Diab. Peter Hosh steht hinter der Theke und schenkt sich selbst ein Getränk ein. Er wusste nicht, wie die Neueröffnung seines Nachtklubs in Bethlehem ankommen würde. Jetzt ist erleichtert, dass den Gästen sein Konzept zu gefallen scheint: "Das wichtigste ist, dass ich hier mit meinen Gästen stehe. Ich bin wirklich zufrieden."
Frühes Interesse
Peter Hosh ist Geschäftsmann aus Bethlehem. Der 33-jährige schlanke Mann mit einem Zopf hat früher 16 Jahre lang als DJ gearbeitet. Bereits zu Zeiten der Zweiten Intifada, im Jahr 2004, eröffnete er eine eigene Diskothek in einer Freizeitanlage und nannte sie Cosmos. Das war keine leichte Angelegenheit. Damals litten die Palästinenser unter ständigen Ausgangssperren. Gefechte mit der israelischen Armee gehörten zum Alltag. Aber seine Leidenschaft gehört der Musik. Schon früh begann er damit Partys zu veranstalten. Aber der Wunsch nach einer eigener Disco wuchs: "Ich habe alles investiert an Kraft, Zeit und Geld was ich hatte. Das Cosmos sollte eine Marke werden."
Das Cosmos wurde ein Riesenerfolg, aber Hosh wollte einen Imagewechsel - weg von der Freizeitanlage hin zum Nobelklub im Interkontinental Hotel in Bethlehem.
Eine Disko – viele Partys
Das Cosmos ist die einzige echte Diskothek in der Westbank. Zwar finden zum Beispiel in Ramallah immer wieder Partys statt, aber eben nur in Restaurants oder Bars. Einen Ort eigens für Diskos – den gibt es nur in Bethlehem: das Cosmos. Die Partygänger kommen nicht nur aus Bethlehem oder anderen Städten des Westjordanlandes, sondern auch aus Israel. Die ersten Gäste kommen um 23:00 Uhr. Die Gruppe besteht aus Einheimischen und ihren ausländischen Freunden. Der Eintritt liegt bei 50 Shekel, das sind umgerechnet knapp neun Euro. Sie haben eine Reservierung, denn das ist im Cosmos erwünscht. Unter ihnen ist auch der junge Kamal. Er kommt aus dem christlichen Nachbardorf Beit Jala und spricht deutsch. Er war froh nach seinem zweijährigen Aufenthalt in Deutschland einen Ort zu finden, an dem er feiern kann: "Als ich in Deutschland war, bin ich an jedem Wochenende ausgegangen. Ich warte jetzt immer bis es Samstag wird, damit ich hier auch ausgehen kann. So kann man wenigstens andere Leute treffen und vielleicht auch ein Mädchen kennen lernen."
Flirten verboten
Aber eine Frau im Cosmos kennen zu lernen ist nicht so einfach. Peter Hosh und sein Team achten ganz genau darauf wer in die Disko kommt. Bevorzugt werden Familien und Paare. Gruppen von Männern haben keine Chance: "Alle Gäste sitzen mit ihren Schwestern, Frauen oder Verlobten an ihren Tischen, da ist es nicht gut, wenn große Männergruppen hier sind. Ich muss das so machen", sagt Hosh. Die Frauen dort sollen sich nicht belästigt fühlen oder ihre Männer Sorge darum haben, dass ihre Frauen oder Schwestern eventuell angemacht werden. Und so geht es sehr gesittet zu im Cosmos. Man sieht keine küssenden Paare, bestenfalls werden Händchen gehalten. Und auch von Drogen ist keine Spur.
In der Mitte der Tanzfläche steht die Bar und an deren Ende das DJ-Pult. Peter Hoshs Bruder Toni legt zusammen mit einem Gast-DJ aus Haifa auf. Überall stehen LCD-Fernseher auf denen Videos passend zur Musik über die Bildschirme flimmern. Eines allerdings ist für die Anwesenden noch etwas gewöhnungsbedürftig, sagt Shireen: "Die Leute sind nicht daran gewöhnt hier rum zustehen. In Europa ist das ja normal in den Clubs. Auf arabischen Partys gibt es normalerweise genügend Sitzplätze."
Ausgelassene Stimmung
Kurz nach Mitternacht füllt sich der Club. Die Stimmung ist ausgelassen. Die DJs wissen den Anwesenden so richtig einzuheizen. Auf der Tanzfläche steht eine schlanke junge Frau mit langen dunklen Locken. Sie tanzt elegant zu arabischen Beats. Rania Mansour heißt sie und ist Palästinenserin aus Israel. Die Frauen im Cosmos sind sehr modebewußt. Kurze Kleider, viel Schmuck, Schminke und High Heels bestimmen das Bild. "Ich wohne jetzt seit sechs Jahren in Jerusalem. Schon bevor ich nach Jerusalem gezogen bin, bin ich schon immer nach Bethlehem auf Partys gegangen. Ich mag die Menschen hier. Man merkt, dass die Leute hier Spaß haben wollen", sagt Rania.
Alkohol fließt in großen Mengen. Die dafür nötige Lizenz hat Peter Hosh von der Palästinensischen Autonomiebehörde bekommen. Ohne Alkohol wäre der Club für die vielen Ausländer im Cosmos wahrscheinlich nicht interessant. Dennoch, übertreiben sollte man es nicht, mahnt der junge Kamal an: "Ich selber trinke zwar Alkohol, aber man sollte sich nicht betrinken. In unserer Kultur ist das nicht gut angesehen", sagt er. Immerhin sei man in einem moslemischen Land.
Feiern statt Frust
Für ein paar Stunden zumindest, geht es den jungen Palästinensern nur ums Feiern, Tanzen und um die Liebe. Die Besatzung, die Intifada und die gesamte politische Situation müssen heute draußen bleiben, sagt Peter Hosh: "Die Leute sind nicht mehr so wie früher. Sie sind offener geworden, sie wollen leben. Natürlich haben wir hier in Palästina auch Probleme und vielen geht es wirtschaftlich sehr schlecht, aber das Leben muss weiter gehen. Wir können doch nicht zu Hause sitzen und so tun als würde für uns die Welt untergehen."
Autorin: Diana Hodali
Redaktion: Matthias von Hein