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KlimaGlobal

Können wir den Erdüberlastungstag umkehren?

24. Juli 2025

Ein bisschen mehr als die Hälfte des Jahres 2025 ist vorbei, ab jetzt leben wir auf Pump: Die Menschheit hat die Ressourcen des Planeten aufgebraucht und lebt so, als hätten wir 1,8 Erden. Wie kehren wir das um?

Eine Kreidezeichnung auf einer schwarzen Tafel von einem Planeten, eine Hand mit einem Werkzeug greift in ein gemaltes Zahnrad
Wie können wir die Ausbeutung unseres Planeten zurückdrehen?Bild: Sergey Nivens/Shotshop/picture alliance

Am 24. Juli hat die Menschheit die ökologischen Ressourcen der Erde fürs gesamte Jahr aufgebraucht. Das hat die internationale Nachhaltigkeitsorganisation Global Footprint Networkgemeinsam mit der York Universität im kanadischen Toronto berechnet. Dieser sogenannte Erdüberlastungstag ist dieses Jahr eine gute Woche früher als letztes Jahr. Das liegt hauptsächlich an neuen Daten, die zeigen, dass Ozeane weniger CO2 absorbieren können als bisher gedacht.

Wir konsumieren zu viel und verbrauchen so mehr von der Natur als sie in einem Jahr erneuern kann. Das zeigt sich beispielsweise im Kahlschlag der Wälder, dem Verlust der Artenvielfalt und der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Dies ist Teil eines Trends, der in den frühen 1970er Jahren begann.  

Mathis Wackernagel, der das Global Footprint Network mitgegründet hat, sagt, der übermäßige Verbrauch von Ressourcen sei die Ursache für viele Umweltprobleme. Regelmäßig mehr an Ressourcen zu verbrauchen als der Planet auf natürliche Weise reproduzieren kann, habe einen kumulativen Effekt. "Selbst wenn wir auf dem gleichen Niveau bleiben, erhöhen wir die ökologische Schuldenlast der Welt," so Wackernagel im DW-Gespräch. "Diese Last ist messbar."

Überkonsum als globales Problem

Katar, Luxemburg und Singapur sind die ersten Länder, die ihre jeweiligen Erdüberlastungstage bereits im Februar erreichten. Die USA waren nicht weit davon entfernt. Wenn jeder auf dem Planeten so konsumieren würde wie eine US-amerikanische Person, wären die Ressourcen am 13. März erschöpft. Für Deutschland und Polen ist dies am 3. Mai der Fall, für China und Spanien am 23. Mai, Südafrika am 2. Juli.

Wackernagel sagt, dass ein hohes Einkommen "typischerweise zu einem höheren Ressourcenverbrauch führt". Aber das sei nicht der einzige Grund. Qatar beispielsweise ist mit einem Wüstenklima, wenig Regen im Jahr und sehr heißen, feuchten Sommern stark auf Klimaanlagen angewiesen, die durch Energie aus fossilen Brennstoffen betrieben werden. "Sie haben leichten Zugang zu fossilen Brennstoffen, daher ist die Nutzung günstig und hat einen großen ökologischen Fußabdruck", erklärt Wackernagel. Darüber hinaus benötige das Land auch viel Energie, um Salzwasser mittels Entsalzungsanlagen trinkbar zu machen.

Uruguay erreicht das Ressourcenlimit den Prognosen zufolge erst am 17. Dezember – das südamerikanische Land hat es erfolgreich geschafft, von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien zu wechseln und setzt dabei vor allem auf Wasser- und Windkraft sowie Biomasse.

Nur das nehmen, was die Erde ersetzen kann

Und dann gibt es die Länder, die innerhalb des Budgets des Planeten bleiben, wie etwa Indien, Kenia und Nigeria. Um im Rahmen zu bleiben, müsste der globale ökologische Fußabdruckder verfügbaren Biokapazität pro Person auf unserem Planeten entsprechen, die derzeit bei etwa 1,5 globalen Hektar liegt.

Biokapazität ist dabei definiert als Land und Ozeanfläche, die Ressourcen wie Nahrung und Holz bereitstellen, urbane Infrastruktur beherbergen und überschüssiges CO2 absorbieren.

Alles darüber hinaus, also was über der global verfügbaren Biokapazität liegt, bedeutet, dass wir zu viele Ressourcen verbrauchen.

Wir leben über unsere Verhältnisse, wenn wir mehr Ressourcen verbrauchen als unser Planet im Jahr erneuern kannBild: Ricardo Oliveira/AFP/Getty Images

Deutschland hat in etwa die gleiche Menge an Biokapazität pro Person wie der globale Durchschnitt zur Verfügung, verbraucht aber dreimal so viel, so Wackernagel. Obwohl Indien, das bevölkerungsreichste Land der Welt, mehr Ressourcen im Jahr verbraucht als es selbst ersetzen kann, bleibt es global gesehen "mit seinem Level an Konsum unter einem Planeten", sagt Wackernagel. Allerdings sollte das Maß 'ein Planet' nicht das Ziel sein, warnt er. Der Konsum müsse niedriger sein, damit auch anderen Arten Raum gegeben werde.

Jahrzehnte an Überkonsum zeigen den Verschleiß 

Obwohl wir Ressourcen weit über das hinaus verbrauchen, was die Erde regenerieren kann, haben wir ein kollektives Verständnis, dass dies schon okay so sei, sagt Wackernagel. "Aber wir machen uns etwas vor."

Der Co-Präsident des Thinktanks Club of Rome, Paul Shrivastava, sagt, es sei an der Zeit, unser Verständnis von Volkswirtschaften zu überdenken. "Wir müssen von einer ausbeuterischen Denkweise der Wirtschaft zu einer regenerativen Denkweise übergehen," so Shrivastava im DW-Gespräch. Bergbau und die Gewinnung von Öl seien ausbeuterische Formen, denn: "Sobald wir es aus der Erde geholt haben, geben wir nichts zurück."

Laut Wackernagel geht es nicht darum, was wir für eine regenerative Lebensweise aufgeben müssen, sondern wie wir uns auf die Zukunft vorbereiten können und was dann einen Wert für uns haben wird.

Doch anstatt unsere Volkswirtschaften anzupassen, um die Überlastung zu reduzieren, werde versucht, noch das letzte Bisschen aus der Zahnpastatube herauszudrücken. "In den USA, wo ich lebe, konnte ich sehen, dass viele der Wahlthemen letztes Jahr sich genau darum drehten, beispielsweise um die Angst, nicht genug Energie zu haben." Es sei versäumt worden, das eigentliche Problem der Überlastung anzugehen und stattdessen darauf gedrängt, mehr fossile Brennstoffe aus dem Boden zu holen.

Wie können wir den Erdüberlastungstag umkehren?

Das Global Footprint Network hat eine Vielzahl an Lösungen in fünf Schlüsselbereichen ausgearbeitet, die das Datum des Erdüberlastungstag wieder nach hinten schieben könnten. Dabei ist der Energiesektor bei weitem der größte Faktor: Wenn CO2-Emissionen mit einem Preis belegt werden, der die wahren Kosten der Verschmutzung des Planeten widerspiegelt, könnte das dazu beitragen, das Datum um 63 Tage zu verschieben.

Sogenannte Smart Cities mit integrierten Verkehrssystemen, fortschrittlichem Energiemanagement und vorausschauender Sensorik zur Regulierung des Energieverbrauchs in Gebäuden könnten das Datum um weitere 29 Tage schieben.

Wenn Kohle- und Gaskraftwerke mit erneuerbaren Energien wie Solar und Wind ersetzt und so 75 Prozent der Elektrizität aus kohlenstoffarmen Quellen generiert würde, könnte das weitere 26 Tage bringen.

Welche Rolle spielt CO2 beim Klimawandel?

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Lebensmittelverschwendung um die Hälfte zu reduzieren, würde 13 Tage zum jetzigen Datum dazu addieren; die Hälfte des globalen Fleischkonsums mit pflanzlichen Alternativen zu ersetzen, würde sieben Tage allein durch die Einsparung von CO2 und Landnutzung bedeuten. Nur ein fleischloser Tag pro Woche würde das Datum um rund zwei Tage nach hinten verschieben.

Interessen an der Aufrechterhaltung der Erdausbeutung

"Es gibt Eigeninteressen an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Systems" etwa in Bezug auf fossile Brennstoffe, sagte Shrivastava. Und auch wenn individuelle Entscheidungen, zum Beispiel weniger Fleischkonsum, Fahrrad statt Autos zu fahren und weniger weit zu reisen auf der sogenannten Power of Possibility Liste relativ weit unten rangieren, haben wir beim Wählen die Macht, einen Systemwandel zu fordern.

"Auch wenn wir all das als Einzelperson nicht kontrollieren, können wir mitreden und mit Leuten sprechen, die mitreden können," so Shrivastava. Das bedeute zum Beispiel, bei friedlichen Protesten mitzumachen oder lokale Politiker zu unterstützen, die eine ökologische Vision haben. Solch ein Wandel werde durch die Macht des Volkes kommen, ergänzt Shrivastava.

"Das Problem der Überlastung ist das zweitgrößte Risiko für die Menschheit dieses Jahrzehnt", so Wackernagel. "Das größte Risiko ist, nicht zu reagieren."

Redaktion: Tamsin Walker

Sarah Steffen Autorin und Redakteurin mit Interesse an KI-Themen und Krisen, die zu wenig Aufmerksamkeit erhalten.