Moldaus grüner Weg
8. September 2015 Die Republik Moldau ist mit ihren etwa 34.000 Quadratkilometern Fläche ein eher kleines Land. Es fällt kaum auf zwischen seinen großen Nachbarn Ukraine und Rumänien, die es vollständig umschließen. Moldau ist stark landwirtschaftlich geprägt, 70 Prozent seiner Fläche wird für den Anbau von Getreide oder Obst genutzt. Reich macht dieser traditionsreiche Wirtschaftszweig nicht. Der "Obstgarten der Sowjetunion", wie das Land in seiner Vergangenheit als Sowjetrepublik genannt wurde, ist heute einer der ärmsten Staaten Europas.
Doch die Republik Moldau versucht das Beste aus seinen Ressourcen und dem bäuerlichen Erbe zu machen. In Zeiten, in denen Umweltschutz immer wichtiger wird und die Menschen verstärkt gesunde Nahrungsmittel verlangen, setzt man auf den Feldern des Landes auf den grünen Weg und baut verstärkt ökologische Lebensmittel an. Immer mehr Flächen sollen dafür frei gemacht werden.
Während viele westeuropäische Bauern und Winzer sich bewusst für den biologischen Anbau entschieden haben, hat die Geschichte des Landes den Moldauer Landwirten diese Entscheidung abgenommen. Sie sei sozusagen ein Nebenprodukt des Zerfalls der Sowjetunion, sagt Birgitt Boor von #link:http://www.bcs-oeko.com/de_index.html:BCS Öko-Garantie#, einer privaten deutschen Bio-Kontrollstelle.
"Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sind die meisten großen osteuropäischen Unternehmen in kleine aufgesplittet und privatisiert worden. Und die hatten einfach kein Geld für Pestizide."
25 Jahre später ist Moldau größtenteils frei vom damals weit verbreiteten Pestizid DDT, ergänzt Boor. Und Moskau hat die Wirtschaft seiner ehemaligen Republik noch in anderer Hinsicht beeinflusst: 2006 verbot Russland den Import von Wein aus Moldau und sorgte so für den Ruin vieler Weingüter.
Der richtige Pfad ist grün
Sie waren sehr stark von Exporten zum ehemaligen Verbündeten abhängig, sagt Dumitru Alaiba, wirtschaftlicher Berater in der Staatskanzlei der Republik Moldau. Allerdings habe der entstandene Schaden nicht dazu geführt, dass der gesamte Wirtschaftszweig daniederliegt.
"Es mag seltsam klingen, aber das russische Verbot war, mit zeitlichem Abstand betrachtet, gut für die moldauischen Produkte", sagt Alaiba. Denn daraus sei ein neues Bewusstsein für die Qualität der Produkte entstanden. Und am Ende auch der ökologische Weinanbau des Landes. "Die Qualität der moldauischen Weine des Jahres 2007 kann man in keiner Weise mit der jetzigen vergleichen", so Alaiba. "Unsere Weinbauern haben begonnen, in Qualität, Technologien, Marketing und neue Märkte zu investieren."
Die gesamte Branche wurde innerhalb eines Jahrzehnts komplett umgekrempelt. Dass Moskau sein Embargo 2014 noch einmal erneuert hat, war deshalb auch weniger schmerzhaft für die Weinbauern. Schließlich können sie nun auf einen immer größeren Kundenstamm aus Europa setzen. Alaiba glaubt, dass die Obstbauern nach einem russischen Frucht-Embargo zur gleichen Zeit, einen ähnlichen Prozess durchlaufen können. "Im nächsten Jahrzehnt", betont er, "könnte sich die Qualität in ähnlicher Weise verbessern und das Land voranbringen."
Schwierige Zertifizierung
Zu behaupten, dass es bei solchen Veränderungen nur Gewinner gäbe, wäre allerdings falsch. Moldau ist innerhalb Europas das Land mit dem geringsten durchschnittlichen Monatseinkommen. Teure Bio-Zertifizierungen kann sich kaum jemand leisten. Doch die sind notwendig, sagt Moor. "Erst wenn sie die haben, können sie höhere Preise mit ihren Produkte erzielen."
Für Sergiu Botezu, einen Moldauer, der für verschiedene US-Entwicklungsprojekte gearbeitet hat, ist die Situation absurd. Weil viele arme Bauern nicht über die notwendigen Mittel für die Zertifizierung verfügen, müssten sie ihre Produkte auf dem einheimischen Markt verschleudern, sagt er. "Deshalb entwickelt sich der biologische Anbau auch nicht so stark, wie das jeder in Moldau gern möchte."
Doch selbst diese verlangsamte Entwicklung ist bemerkbar. Bio-Produkte aus Moldau füllen immer mehr europäische Regale. Für Alaiba ist das Grund genug, optimistisch in die Zukunft zu blicken: "Ich bin mir sicher, dass unsere Bauern ihre Chance erkennen, sobald sie besseren Zugang zu den europäischen Märkten haben."
Schöner Nebeneffekt
Für Alexej Andreew ist klar, welche Hürden das Land noch beim Naturschutz nehmen muss. Der Vorsitzende der gemeinnützigen Organisation #link:http://www.biotica-moldova.org/:BIOTECA Ecological Society# war federführend an den Plänen für ein #link:http://iucn.org/about/union/secretariat/offices/europe/?10085/Developing-a-National-Ecological-Network-in-Moldova:Öko-Netzwerk in Moldau# beteiligt. Das Land muss reagieren, sagt er, auf "den Verlust wertvoller Wald- und Feuchtgebiete, durch den Klimawandel hervorgerufene Veränderungen in Ökosystemen und die fortschreitende Verschlechterung der Weideflächen."
Andreew ist sich bewusst, dass die biologische Landwirtschaft kein Allheilmittel ist. Sie sei aber ein Schritt in die richtige Richtung und mehr als nur chemikalienfreie Lebensmittel: "Es ist sehr wichtig, die Theorie auch in die Praxis umzusetzen, also Weideflächen zu umzäunen und die Fruchtfolge mehrjähriger Hülsenfrüchte zu wechseln. Das wird im Moment fast gar nicht gemacht."
Durch die Bepflanzung des Landes mit unterschiedlichen Nutzpflanzen zu unterschiedlichen Zeiten gibt es weniger Insekten und Krankheiten, die einer speziellen Pflanze zusetzen. Dadurch erhöht sich nicht nur der Ertrag, sondern ganz nebenbei auch die Artenvielfalt.
Andreew setzt sich vor allem auch für Maßnahmen ein, die für ein Gleichgewicht auf dem Acker sorgen. Er fordert den Einsatz von Kompost, um die Fruchtbarkeit der Böden zu verbessern, er will Gemeindewälder anpflanzen und natürliche Barrieren, also lebende Zäune aufbauen, damit Lebensräume und ihre biologische Vielfalt eine Chance haben.
Die Republik Moldau ist vor allem sich selbst verpflichtet, will sie aus ihrer Geschichte Kapital schlagen. Die Entgiftung der Böden hat per Zufall eine Tür geöffnet, die dem Land den Ruf eingebracht hat, ein echtes Kraftpaket des Öko-Landbaus zu sein. Dieses kleine grüne Pflänzchen muss nun gehegt und gepflegt werden.