Eine glänzende Lösung?
25. August 2015 Wie soll in Zukunft dafür gesorgt werden, dass jeder auf der Welt genug zu essen hat? Diese Frage wird umso schwerer zu beantworten, je schneller die Weltbevölkerung wächst und je stärker sich der Klimawandel auf die weltweite landwirtschaftliche Produktion auswirkt. Es gibt Lösungsansätze, aber die haben Schattenseiten. Eine dieser Ideen ist die genetische Modifizierung von Kulturpflanzen, Reis zum Beispiel. Um dieses Grundnahrungsmittel dreht sich die Debatte inzwischen seit 30 Jahren. Und die Wogen, sowohl auf der Pro- als auch der Kontra-Seite schlagen immer noch hoch.
#link:http://en.wikipedia.org/wiki/Golden_rice:"Golden Rice"# ist eine Variante der Modifizierung. "Golden" nennen ihn die Befürworter, weil den gelblich gefärbten Körner Beta-Carotin beigefügt wurde. Vor allem aber auch, weil dieser Reis ein Allheilmittel sein soll, gegen den Vitamin-A-Mangel in ärmeren Ländern. Stemmt man sich gegen dessen Produktion, handle man unmoralisch, sagen sie.
"Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagt Patrick Moore. Er steht einer Gruppe vor, die versucht, "Golden Rice" salonfähig zu machen. Sie heißt #link:http://www.allowgoldenricenow.org/:"Allow Golden Rice Now"#. Nach Angaben von UNICEF betrifft der Vitamin A-Mangel weltweit 250 Millionen Kinder. "Wir machen so viel Druck, weil immer noch jedes Jahr zwei Millionen Kinder daran sterben", so Moore.
Und trotzdem gibt es Kritiker. Sie sagen, dass die genetische Veränderung eines Grundnahrungsmittels ungeahnte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Artenvielfalt haben kann. Die negativen Auswirkungen könnten riesig sein. Schließlich ist fast die Hälfte der Weltbevölkerung auf Reis angewiesen, zeigen Zahlen des #link:http://www.irri.org/:"International Rice Research Institute" (IRRI)# auf den Philippinen.
Kritische Stimmen kommen unter anderem von #link:http://masipag.org/:MASIPAG#, einem Netzwerk philippinischer Bauern und Wissenschaftler. Sie sagen, dass Vorsicht geboten ist.
"Ist Goldener Reis nun Lebensmittel, Medikament oder beides? Sollte er beides sein, dann muss das Gesundheitsministerium Studien durchführen und seine Sicherheit überprüfen", sagt MASIPAG-Chef Chito Medina. "Bisher gibt es nur Ernährungsstudien, die zeigen, dass Vitamin A durch den Körper absorbiert wird. Es gibt aber keine Daten, die zeigen, ob und welche Chemikalien bei dem Verfahren entstehen und wie sie wirken."
Die Philippinen sind der Kriegsschauplatz
Der Hauptteil der Reis-Debatte findet auf den Philippinen statt. Hier sitzt das Institut IRRI, das federführend ist bei der Entwicklung der goldenen Körner. Hier finden sich aber auch die schärfsten Kritiker. Sie machten ihren Unmut besonders deutlich, als sie im August 2013 Testfelder im Westen des Landes zerstörten.
Diese Zerstörung entfachte eine Debatte innerhalb der eigentlichen Debatte. Für die Reis-Unterstützer dienten die drastischen Proteste vor allem der mutwilligen Zerstörung von Beweisen. "Einerseits sagen sie, es gebe nicht genug wissenschaftliche Untersuchungen, andererseits zerstören sie aber die Testanlagen, die zeigen können, wie "Golden Rice" funktioniert", so Moore. Reis, so IRRI, wird ein Grundnahrungsmittel bleiben. Was sei so falsch daran, seinen Nährstoffgehalt zu erhöhen? Der Ansatz, sagen MASIPAG und auch andere, sei schlicht falsch. Vielmehr sei es sicherer und umweltfreundlicher, den Vitaminmangel durch eine ausgewogene, abwechslungsreiche Kost zu bekämpfen. In der Natur gebe es genug Beta-Carotin, es bestünde keine Notwendigkeit, Grundnahrungsmittel damit anzureichern.
“Die orange Süßkartoffel hat fünfmal mehr Beta-Carotin als der Goldene Reis. Karotten haben zwei- bis dreimal soviel", sagt Medina. “Und Vitamin A braucht Fette, um vom Körper aufgenommen werden zu können. Das ist einer der Gründe, warum es Mangelerscheinungen bei den Armen gibt. Sie können sich kein Fleisch leisten und haben damit auch keine ausgewogene Ernährung."
Schlecht für die Artenvielfalt?
Unsicher ist auch, was genetisch veränderter Reis für die Artenvielfalt bedeuten könnte, insbesondere für die Zukunft ursprünglicher Reissorten. Laut IRRI geht es nicht darum, andere Sorten einfach auszulöschen. "Reis befruchtet sich selbst." Es sei falsch zu behaupten, dass gentechnisch veränderte Sorten bestehende verunreinigen würden, so Bruce Tolentino, stellvertretender Geschäftsführer bei IRRI. "Das ist eine Anschuldigung ohne wissenschaftliche Grundlage."
"Das Selbstbefruchtungs-Argument heranzuziehen ist absurd", kontert Dirk Zimmermann von Greenpeace. "Erfahrungen aus der Vergangenheit in China und den USA haben das Gegenteil bewiesen. Dort wurde der Reis auf kleinen Testfeldern ausgesät und hat sich im Anschluss weitläufig auf andere Produktionsstätten verteilt." 2006 hatte das US-Landwirtschaftsministerium angegeben, Spuren von genetisch verändertem Reis namens #link:http://www.sourcewatch.org/index.php/LibertyLink_Rice:LibertyLink# in Langkornreis gefunden zu haben.
Viele Patente, die zum goldfarbenen Reis gehören, sind in den Händen großer Biotech-Unternehmen, wie Syngenta, Bayer oder Monsanto. Obwohl sie, wie die Befürworter der Modifizierung sagen, unentgeltlichen Zugang dazu gewähren und Wissenschaftler deshalb auf Non-Profit-Basis weiter forschen können, fürchten Kritiker, dass Landwirte in die industrielle Monokultur-Produktion getrieben werden.
Enden wird die Debatte nicht in absehbarer Zeit. Einerseits, weil der Reis noch nicht auf dem Markt ist. Laut IRRI gab es in letzter Zeit Rückschritte, weil der Reis noch nicht den gewünschten Ernteerfolg verspricht und kommerziell noch nicht funktionieren würde.
Laut Tolentino versuchen Wissenschaftler derzeit, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Sollte es ihnen gelingen, wäre der nächste Schritt ein Test der Sorte auf offenen Feldern, damit sie am Ende am Markt registriert und im großen Stil angebaut werden kann.
"Das wird eine Weile dauern", sagt Tolentino. "Im Augenblick sind wir im Züchtungsstadium. Der Zeitraum kann sich über zwei Jahre erstrecken, es kann aber auch fünf Jahre dauern."
Darauf will sich MASIPAG nicht verlassen. Eine behördliche Genehmigung sei nicht unwahrscheinlich, sagt die Organisation. “Die Prüfer neigen dazu, solche Dinge zu genehmigen, auch wenn sie nicht genau wissen, was es ist", sagt Medina. “Aber unsere 35.000 MASIPAG-Landwirte werden diesen Reis nicht nutzen. Wir wollen nur verwenden, was wir auch anbauen. Das reicht uns."