Globaler Klimastreik: Gesichter des Protests
20. September 2019Millionen Menschen weltweit sind am Freitag auf die Straße gegangen. Sie sind Teil des einwöchigen globalen Klimastreiks, einer von Fridays for Future gestartete Protestaktion, der sich Menschen aller Alterklassen und Berufe angeschlossen haben.
Die Demonstranten wollen ein Ende fossiler Brennstoffe und rufen ihre Regierungen dazu auf, das Pariser Klimaabkommen umzusetzen.
Auch wenn die globale Erwärmung unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedenen Regionen hat, fordern die Klimaschützer überall schnellere und drastischere Maßnahmen.
DW spricht mit Klimademonstranten aus verschiedenen Ländern, von Mexiko bis zu den Philippinen, über ihren Antrieb, die Situation vor Ort, ihre Ängste und Wünsche.
Die Produktionsleiterin
"Wir standen vor dem Day-Zero-Szenario, wenn die Wasserhähne abgedreht werden." (Chantal Dette, 44 Jahre alt - Kapstadt, Südafrika)
"Was mich am meisten motiviert, ist, dass mein Land vor etwa einem Jahr unter Wasserknappheit und Dürre gelitten hat. Wir standen vor dem Day-Zero-Szenario, wenn die Wasserhähne abgedreht werden. Die Menschen in den Cape Flats (Stadteil von Kapstadt) haben sehr gelitten. Ich bin eine Farbige und lebe in einer Umgebung, in der Gewalt und Kriminalität nicht ungewöhnlich sind. Wenn es zu diesem Tag Null kommt, könnten Menschen in privilegierteren Gebieten auf ihren Grundstücken nach Wasser bohren, was sehr kostspielig ist. Während benachteiligte Menschen buchstäblich auf dem trockenen sitzen werden. Das war sehr beängstigend für mich. Ich glaube nicht, dass der Klimawandel von sozialen Fragen getrennt werden kann. Es ist eine soziale Frage. Es geht um Gerechtigkeit, es geht um Menschenrechte, um Wassergerechtigkeit und Ernährungssicherheit. Dieses Thema wirkt sich auf jeden Aspekt unseres Lebens aus.
Der Taxifahrer
"Ich tue alles was in meiner Macht steht um ökologisch zu fahren" (Emilio Barco de la Rosa, 29 Jahre alt - Madrid, Spanien)
„Mein ganzes Leben lang bin ich im Sommer mit meinem Vater in viele andere Länder gefahren. Wir waren in Frankreich, in Italien, in den Niederlanden, in Luxemburg, in Belgien. Ich liebe das Fahren und ich liebe es neue Orte kennenzulernen. In meinem Betrieb habe ich mich entschieden ein ökologischeres Auto zu fahren, einen Hybrid aus elektrischem Antrieb und Benzin. Wenn wir eine nachhaltige Wirtschaft wollen, dann müssen wir die Alternativen, die es bereits gibt, auch anbieten. Ich fordere, dass Firmen, die immer noch Fahrzeuge mit hohen Abgaswerten produzieren, genauso Verantwortung übernehmen, wie ich selber es versuche. Mit ein paar anderen Fahrern überlegen wir eine Kampagne zu starten. Wir wollen eine Wochen lang unseren Service umsonst anbieten, damit wir die Menschen, die nicht zu dem Protest gehen, über den Klimawandel informieren können. Ich möchte auch ein anderes Bild von einem Taxifahrer vermitteln."
Die Versicherungsexpertin
"Wir sind reich und leben in einer sehr kokonartigen Existenz." (Sherebanu Frosch, 42 Jahre alt - Delhi, Indien)
"Wir sind die wohlhabenden Menschen, wissen Sie. Leider sehen wir, dass Menschen wie ich für die unverhältnismäßige Menge an fossilen Brennstoffen verantwortlich sind, für eine unverhältnismäßige Menge an Emissionen, darunter leidet dann der Rest Indiens. Der Hauptantrieb für mich ist die Luftverschmutzung, denn im Moment sind meine Kinder klein und sie atmen schlechte Luft. Auf lokaler Ebene versucht jeder seine eigenen Wälder und Bäume zu retten. Die Regierung bedroht das, sie will große Teile der Wälder verkaufen. Wir haben uns so sehr bemüht, dass Eltern auf die Straße gehen und für ihre Kinder kämpfen, wir versuchen es immer weiter und am Ende kommen nur drei oder vier Elternteile. Ich habe das Gefühl, dass wir als Eltern nicht dem gerecht geworden sind, was wir aus Verpflichtung für unsere Kindern hätten tun können. Aber die Kinder bringen es nun selbst voran und das ist brillant."
Die Wirtschaftsberaterin
"Wenn Leben davon betroffen sind, muss man eine Position einnehmen" (Damaris Yarcia, 43 Jahre alt, Manila, Phillipinen)
"Wenn ich eine Maßnahme wählen könnte, die sofort ergriffen würde, würde ich mich dafür entscheiden, dass Betriebe kein Plastik mehr verwenden dürfen. Müll ist hier ein großes Thema, besonders wenn er ins Meer gelangt. Wenn es regnet, verstopft der Müll unser Abwassersystem. Mein Bewusstsein für diese Dinge hat sich geändert seit vor einigen Jahren ein Taifun über uns herein brach. Es war ein heftiger Sturm und viele Menschen starben. Wenn Leben davon betroffen sind, muss man eine Position einnehmen. Ich meine, wenn man einfach nur Müll auf der Straße sieht, dann übersieht man es manchmal einfach. Aber wenn man im Fernsehen sieht, wie Menschen in die Fluten geraten und sie nicht aus einer heranrauschenden Welle heraus kommen, dann ist das traumatisch. Es verändert deine Sichtweise auf das Thema und wird persönlich. Für mich wird dies das erste Mal, dass ich zu einem Protest gehe. Es ist ein persönlicher Protest, eine Art persönliches Statement. Für mich spielt es keine Rolle, ob viele Leute kommen oder nur eine Hand voll, solange es Leute sind, die für einen Standpunkt eintreten wollen."
Der Gemüse-Lieferant
"Es gab viel Obst und Gemüse, das wir früher angebaut haben, das ist heute nicht mehr möglich." (Wessim Khiari, 25 Jahre alt - Tunis, Tunesien)
"Ich arbeite mit Bauern zusammen. Sie leiden wirklich. Manchmal haben wir überhaupt kein Wasser und manchmal ertrinken wir im Regen. Es gab viel Obst und Gemüse, das wir früher angebaut haben, das ist heute nicht mehr möglich. Die Sommer sind länger und heißer und der Winter ist kein Winter mehr. Anstatt Tomaten fünf Monate im Jahr anzubauen, können wir sie in letzter Zeit nur noch zwei Monate lang auf dem Feld ernten. Viele Bauern verstehen den Zusammenhang zwischen ihren Problemen und der Umweltverschmutzung nicht. Wir haben eine Menge umweltschädliche Industrie. Selbst wenn wir unser Verhalten ändern oder versuchen die Menschen davon zu überzeugen, behutsamer mit ihrer Umwelt umzugehen, wird es nicht ausreichen. Wir müssen auf einer größeren Ebene handeln. Dieser Tage stimmen wir für ein neues Parlament und einen neuen Kongress, es gilt also jetzt oder nie, Maßnahmen zu ergreifen, um den Politikern zu zeigen, wenn sie nicht handeln, werden sie zukünftige Wähler verlieren. Nur einer von 26 Kandidaten hat im Wahlkampf tatsächlich Umweltthemen erwähnt."
Der Sicherheitsmann
"Es gibt viele Leute, die sagen, dass Protest nichts ändert." (Eduardo Dominguez, 21 Jahre alt - Tuxtla Gutiérrez, Mexiko)
"Wir leben hier im Mangel. Wir werden immer mehr und gibt immer weniger Lebensmittel. Der Klimawandel schafft Armut. Jedes Jahr wird es heißer, immer mehr Arten sind bedroht. Auch hier ist der Müll ein grosses Thema. Die Straßen sind voll davon. Und am Ende landet alles in den Flüssen und dann im Meer. Hier gibt es noch nicht viel Unterstützung für unseren Protest. Einige haben vom Klimawandel gehört, aber bisher wurde noch nicht viel getan. Es gibt viele Leute, die sagen, dass demonstrieren nichts ändert und dass wir sowieso irgendwann sterben. Aber ich persönlich denke, wenn ich Fridays for Future sehe, dass Protest schon etwas bringt. Wenn man sich anstrengt, kann man etwas verändern, auch wenn es in diesem Fall gegen die Regierung geht, die einen großen Teil der Verantwortung trägt. Im Juli dieses Jahres haben wir das erste Mal protestiert. Meine Hauptmotivation ist meine sechsjährige Nichte. Ich möchte, dass sie eine würdige Zukunft hat und die gleichen Chancen hat, wie ich sie hatte."
Die Statements wurden aus Gründen der Länge und Verständlichkeit überarbeitet.