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18. Filmfestival goEast in Wiesbaden

Jochen Kürten
18. April 2018

Rollende Panzer, zerschlagene Hoffnungen: Im Fokus des goEast-Filmfestivals für den Mittel- und Osteuropäischen Film steht in diesem Jahr der Prager Frühling, den die Sowjetunion gewaltsam beendete.

goEast Festival - Film Oratorium für Prag
Bild: goEast

Vor einem halben Jahrhundert schlug die Sowjetmacht den Prager Frühling nieder. Daran wird in diesen Tagen und Wochen überall erinnert. Wenn das Jubiläum nicht am 21. August anstehen würde, dann müsste man trotzdem daran erinnern - auch ohne Jubiläumsdatum. Einige politische und gesellschaftliche Entwicklungen in Mittel- und Osteuropa konfrontieren die Menschen heute mit den Ereignissen von damals.

18. Ausgabe von goEast spiegelt Gegebenheiten des Kontinents wider 

Auch wenn nicht wie damals die Gefahr besteht, dass eine demokratische Entwicklung durch eine Macht von außen beschnitten wird - wie 1968, als die Sowjettruppen mit Verbündeten des "Warschauer Pakts" mit Panzern und Soldaten in die CSSR eindrangen, Prag besetzten und die Ära Alexander Dubček  mit Gewalt beendeten. Heute findet die ideelle Konfrontation zwischen freiem Denken und Staatsgehorsam innerhalb von Staatsgrenzen statt.

Bild: goEast

Der Kampf um Presse- und Redefreiheit, um demokratische Grundrechte, um ein liberales gesellschaftliches Klima, das auch Randgruppen Luft zum Atmen ermöglicht, findet derzeit vor allem in Polen und Ungarn statt, aber auch in anderen Nationen, die sich nach 1989 zunächst einmal in Richtung Demokratie entwickelt haben. Das spiegelt die 18. Ausgabe desgoEast-Filmfestivalsin Wiesbaden in ihrem diesjährigen Programm mit insgesamt 16 Filmen wider, im Wettbewerb mit aktuellen Beiträgen, aber eben auch in Sonderprogrammen wie "Prag 68".

Dort werden acht Werke gezeigt, kurze und lange Filme, Dokumentar- und Spielfilme, Neues und Altes. Der Regisseur Jan Němec mag heute nicht mehr so bekannt sein wie der gerade erst verstorbene Miloš Forman oder auch Jiří Menzel, gleichwohl gilt Němec manchen Filmexperten wie Thomas Christen als "eigenständigster Erneuerer des tschechoslowakischen Films". 

Dokumentaraufnahmen wurden in Hollywood eingesetzt

Sein halbstündiges Film-Dokument "Oratorium für Prag" (unser Bild oben) ist eine seltene Perle des zeithistorischen Films. Es gilt als berühmtes Zeitdokument jener Wochen, die damals für weltpolitische Schlagzeilen sorgten. "Oratorium für Prag" wurde von Němec vor dem Umsturz begonnen, zeigt die Hoffnungen der Menschen in der Hauptstadt und lässt die damalige gesellschaftliche Aufbruchsstimmung wiederauferstehen.

Fünf Blicke auf Prag 68: eine Szene aus "Okkupation 1968"Bild: goEast

Während der Dreharbeiten vollzog sich dann die von den Sowjets erzwungene Wende. Němec und sein Kameramann dokumentierten das hautnah, etwa in einer Szene, in der beide im Auto sitzen und plötzlich die riesigen russischen Panzer über die Boulevards der tschechischen Hauptstadt rollen.

Der Film durfte damals nicht öffentlich gezeigt werden. Also brachte Němec sein Material zum Österreichischen Rundfunk, und der sorgte für die weltweite Verbreitung der Bilder. Die Aufnahmen wurde auch später noch oft eingesetzt, etwa im Hollywood-Film "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins".

Der Einmarsch in Prag aus fünf nationalen Blickwinkeln

"Okkupation 1968" dagegen ist ein ganz aktueller Film aus heutiger Perspektive, der die Protagonisten von damals zeigt. Fünf Regisseurinnen und Regisseure aus fünf Ländern haben sich für dieses einzigartige Projekt zusammengetan und blicken gemeinsam auf das Jahr 1968 in der Tschechoslowakei. Die fünf Filmemacher kommen aus den Staaten, die damals mittel- oder unmittelbar am Einmarsch in die CSSR beteiligt waren: aus Russland, Ungarn, Polen, Bulgarien und der ehemaligen DDR.

"Okkupation 1968": Ein russischer Offizier erinnert sich an den Einmarsch in Prag Bild: goEast

Die Protagonisten der einzelnen Episoden erinnern sich, ein russischer General ebenso wie Soldaten aus den jeweiligen Ländern oder deren Angehörige. Es kommt zu beeindruckenden Zusammentreffen, etwa wenn ein tschechischer Flughafenoffizier seinem russischen Gegenüber nach vielen Jahren sagt, er habe zwei Besatzungen seines Landes in Erinnerung, die der Deutschen Nationalsozialisten 1938 und die der Russen 1968. Als Freunde des Sozialismus habe er die Russen damals nicht empfunden.

Ein Akt radikaler Verweigerung: Selbstverbrennung

Besonders eindrucksvoll fällt die polnische Episode in "Okkupation 1968" aus, die mit vielen Dokumentaraufnahmen arbeitet und diese zu einem künstlerisch anspruchsvollen zeithistorischen Dokument montiert. So sind Aufnahmen zu sehen, die den denkbar radikalsten persönlichen Protest eines einzelnen Menschen dokumentieren, der sich vorstellen lässt: die Selbstverbrennung eines Demonstranten.

Das Festival goEast findet in verschiedenen Kinos Wiesbaden vom 18.4. bis zum 24.4.2018 statt und wird von der polnischen Filmsatire "Das Gesicht" (OT: "Twarz") von Regisseurin Malgorzata Szumowska eröffnet.

 

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