Goldener Bär für Panahi
14. Februar 2015Unbeschreiblicher Jubel im Berlinale Palast! Der Goldene Bär geht an "Taxi" von Jafar Panahi - an einen Film, den es gar nicht geben dürfte, wenn es nach der iranischen Regierung ginge. Denn die hat über den oppositionellen Filmemacher im Jahr 2010 ein 20-jähriges Berufs- und ein Ausreiseverbot verhängt. Panahi konnte deswegen seinen Bären nicht persönlich entgegennehmen. Das tat an seiner Stelle seine zu Tränen gerührte zehnjährige Nichte Hana Saeidi, die in dem Film auch mitspielt.
Auch wenn Panahi nicht ausreisen durfte, am Filmemachen konnte der Iran ihn glücklicherweise nicht hindern. Seit das Berufsverbot verhängt wurde, hat er bereits drei Arbeiten außer Landes geschafft und in Cannes und Berlin gezeigt. "This is no Film" und "Closed Curtains/Pardé" erzählten von den Beklemmungen des Hausarrests, mit "Taxi" aber drängt es Panahi nun hinaus in die Stadt und zu ihren Menschen. Er, der gewiefte Regisseur, fährt mit seinem Taxi und bei laufenden, unscheinbaren kleinen Kameras durch Teheran und sammelt die unterschiedlichsten Fahrgäste ein – vom Schwarzhändler über das Unfallopfer bis zur Menschenrechtsanwältin.
Das iranische Leben in all seiner Vielfalt und Widersprüchlichkeit ist hier unterwegs, das Taxi Schauplatz tragischer, dramatischer, witziger und spannender Episoden. Und ganz nebenbei wabert mit leichter Hand meisterlich gezeichnete Gesellschaftskritik durch die Polster des Autos. Beim Berliner Publikum und der Kritik ist "Taxi" seit seiner Uraufführung gleich zu Beginn der diesjährigen Berliner Filmfestspiele ein unangefochtener Favorit auf den Goldenen Bären gewesen. Nun hat die Internationale Jury unter Vorsitz von Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Darren Aronofsky dem entsprochen. Ein Triumph! Wieder einmal wird die Berlinale ihrem Ruf gerecht, ein besonders politisches Festival zu sein.
Abgelegene Filmländer
Für das Selbstverständnis als politisches Filmfest sprechen auch weitere Auszeichnungen, die am Samstagabend vor rund 1600 Gästen aus Film und Politik vergeben wurden. Der Alfred Bauer Preis für neue Perspektiven der Filmkunst ging an "Ixcanul", von Jayro Bustamante, dem ersten Wettbewerbsbeitrag aus Guatemala in der Geschichte der Berlinale überhaupt. Erzählt wird von einem Maya-Mädchen, das verheiratet werden soll, sich aber danach sehnt, die Welt jenseits der Berge zu erkunden. Ein sehr persönlicher Film von Jayro Bustamante, der in der Region der Kakchiquel Mayas aufgewachsen ist. Einen Silbernen Bären für die beste Regie erhielten zu gleichen Teilen der in schwarz-weiß gedrehte Balkanwestern "Aferim" des Rumänen Radu Jude und die schwarze Komödie "Body" der polnischen Regisseurin Małgorzata Szumowska.
Die dunklen Geheimnisse einer Gruppe von Priestern lüftet der chilenische Film "El Club". Für diese eindringliche Arbeit wurde Regisseur Pablo Larraín mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet. Und auch der Silberne Bär für das beste Drehbuch geht nach Lateinamerika: "El Boton De Nácar/The Pearl Button", ein Dokumentarfilm von Patricio Guzmán, erzählt von der Menschheitsgeschichte, die der Ozean eingefangen hat.
Außerordentliche Leistungen
Als beste Darsteller triumphierten zwei prominente Europäer: Charlotte Rampling und Tom Courtenay. Beide durften einen Silbernen Bären für ihre Rolle in der britischen Produktion "45 Years" entgegennehmen, in der ein Brief eine 45-jährige Ehe jäh beendet. Bleibt der Silberne Bär für eine herausragende künstlerische Leistung. Auch den vergab die Jury im Doppelpack, und zwar an Kameramänner. Evgeniy Privin und Sergey Mikhlchuk haben den russischen Episodenfilm "Under Electric Clouds" von Alexey German mit ihrer tanzenden Kamera verdichtet, Sturla Brandth Grövlen hat Sebastian Schippers Films "Victoria", die Geschichte einer atemlosen Nacht in Berlin, in einer einzigen (!) Einstellung gedreht.
Insgesamt 19 Produktionen konkurrierten um die Silbernen und den Goldenen Bären. Triumphiert haben bei dieser 65. Berlinale kleine Filmländer, renommierte Regisseure wie die US-Legende Terrence Malick, die Spanierin Isabel Coixet, der Brite Peter Greenaway oder die Deutschen Andreas Dresen und Werner Herzog gehen hingegen leer aus. Eine schöne Aufforderung an das Publikum, sich umzusehen und sich auf cineastisches Neuland zu begeben!