Sie suchten Gold und fanden etwas viel Selteneres: ein fast vollständig erhaltenes mumifiziertes Wollhaarmammut-Baby. Forschende sind begeistert von dem Sensationsfund in Kanada.
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Spektakuläre archäologische Funde im eisigen Permafrost-Boden sind sonst eher aus dem russischen Sibirien bekannt, doch diese Nachricht kommt aus Nordamerika: Bei der Suche nach Gold stießen Minenarbeiter am Eureka Creek südlich von Dawson City im Nordwesten Kanadas plötzlich auf etwas Hartes im Schlamm.
Bei ihrem außergewöhnlichen Fund handelt es sich um ein überraschend gut erhaltenes, mumifiziertes Wollhaarmammutbaby. Das weibliche Jungtier ist "das am vollständigsten erhaltene mumifizierte Mammut, das in Nordamerika gefunden wurde", teilte die Regierung des Territoriums Yukon mit.
Ähnlich wie im Osten Russlands tauen durch den Klimawandel auch in Kanada und Alaska allmählich die Permafrostböden auf. Dies brachte am Yukon bereits einige beeindruckende Fossilien zum Vorschein. Aber mumifizierte Überreste mit Haut und Wollhaaren, die so gut erhalten sind wie der jetzige Fund, werden nur extrem selten entdeckt.
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"Wunderschön" und perfekt erhalten
Vertreter der indigenen Tr'ondek Hwech'in First Nation gaben dem Mammut-Baby den Namen Nun cho ga (zu Deutsch: Großes Tierbaby).
Ersten Schätzungen zufolge war das 140 Zentimeter große Tier bei seinem Tod etwa einen Monat alt. Das Mammut hat "winzig kleine Finger- und Fußnägel, die noch nicht ganz ausgehärtet sind", so der hinzugerufene Yukon-Paläontologe Grant Zazula. Vermutlich war Nun cho ga während der Eiszeit gestorben und lag dann mehr als 30.000 Jahre lang im Permafrost.
"Als Eiszeit-Paläontologe war es einer meiner Lebensträume, einmal einem echten Wollmammut zu begegnen. Dieser Traum ging heute in Erfüllung", begeisterte sich Zazula. "Nun cho ga ist wunderschön und eines der unglaublichsten mumifizierten Eiszeittiere, die je auf der Welt entdeckt wurden. Ich bin gespannt darauf, mehr über sie zu erfahren."
Imposante Erscheinung
Bereits vor rund 300.000 Jahren bevölkerten die pflanzenfressenden Wollhaarmammute die weiten Steppen und Tundren Nordamerikas und Eurasiens. Vor rund 13.000 bis 11.000 Jahren starben sie auf dem Festland aus - nur auf einigen abgelegenen arktischen Inseln existierten sie noch einige Jahrhundert länger bis ins Holozän, also bis zur beginnenden Warmzeit.
Wollhaarmammute, mit ihren langen geschwungen Stoßzähnen und mächtigen Körpern, waren eine imposante Erscheinung. Mit ihren zottigen, wasserabweisenden Pelzen und dicken Schichten aus isolierendem Fett konnten sie den eisigen Temperaturen bis -50 Grad Celsius trotzen. Ihre Ohren und Schwänze waren verhältnismäßig klein, um möglichst wenig Körperwärme abzugeben. Ein großes Fettlager im Nacken diente vermutlich in besonders kalten Wintern als zusätzliche Wärme- und Fettreserve.
Das jetzt entdeckte Mammut ist erst das zweite Wollhaarmammut-Jungtier, das in Nordamerika entdeckt wurde. 1948 waren Teile eines Mammutkalbs, das später Effie genannt wurde, in einer Goldmine im US-Bundesstaat Alaska gefunden worden.
Ein weiteres Wollhaarmammut war 2007 in Sibirien aus dem Permafrost freigelegt worden. Das Lyuba genannte Exemplar soll Schätzungen zufolge etwas 42.000 Jahre alt sein.
Wollhaarmammute sollen geklont werden
Der gut erhaltenen Mammutfund dürfte auch das Interesse des US-Genforschers George Church von der Harvard University in Cambridge wecken. Er hatte 2021 ein Start-Up mit dem Namen Colossal gegründet, dass mittels Gentechnik die ausgestorbenen Wollhaarmammute wieder auferstehen lassen will.
Da das bislang vorliegende Genmaterial eines Mammuts nicht ausreicht, um Wollhaarmammute zu klonen, wollte Church mit der Gen-Schere CRISPR-Cas9 Zellen des bedrohten Asiatischen Elefanten mit gefundenen Urzeit-Genen des Mammuts kombinieren.
"Ziel ist es, einen kälteresistenten Elefanten zu schaffen, der aber wie ein Mammut aussehen und sich so verhalten wird", so Church. Eine Leihmutter soll dann das hybride Mammut austragen. Bereits 2027 könnte laut Church das erste Kalb geboren werden.
Die Mammuts könnten dazu beitragen, dass der Permafrostboden weniger schnell schmelze und dadurch das Freisetzen klimaschädlicher Treibhausgase in den tiefgefroren Böden verhindert werden könne, behauptet US-Genforscher Church. Die Mammuts würden den Schnee feststampfen und so das Auftauen der Böden erschweren.
Allerdings gibt es in der Fachwelt erhebliche Zweifel an dieser Theorie - und vor allem an dem ökologischen Sinn einer solchen Neuansiedlung von geklonten Wollhaarmammuten.
Sibirien: Der Kampf um den Permafrost
Einer der kältesten Orte des Planeten liegt 130 km südlich der arktischen Küste Russlands. Hier versuchen Wissenschaftler in einem Projekt, das Auftauen der Permafrostböden aufzuhalten.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Kamele für mehr Permafrost
Sergej Zimov, 66, arbeitet als Wissenschaftler an der Northeast Science Station in einem entlegenen Teil Russlands. Dort, im Pleistozän-Park in Jakutien, setzt er sich für eine beinahe surreal anmutende Idee ein, um das Tauen des Permafrosts zu verlangsamen. Die Idee ist, das Ökosystem der Region während der letzten Eiszeit, die vor 11.700 Jahren endete, nachzuahmen. Wenigstens in kleinem Stil.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Nachahmung der Eiszeit
In diesem Projekt soll das Gebiet des Pleistozän-Parks mit großen Pflanzenfressern wie Bisons, Kamelen und Moschusochsen besiedelt werden. Die Tiere, so Zimov, zertrampeln den Schnee und machen ihn dadurch kompakter, so dass Minusgrade den Boden besser gefrieren lassen können.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Eisiger Arbeitsplatz
Im Melnikov Permafrost Institute greift der Wissenschaftler Nikolaj Bascharin einen riesigen Stierschädel, den der tauende Permafrost freigegeben hat. Das unterirdische Labor des Instituts, in dem die Auswirkungen des Klimawandels auf die hiesigen Böden erforscht werden, wurde 15 Meter unter der Erdoberfläche gebaut. Seine Durchschnittstemperatur schwankt zwischen minus 8 und minus 5 Grad Celsius.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Deformierte Landschaft
Im Dorf Tschurapscha in Jakutien, erkennt man deutlich die Folgen des schwindenden Permafrostes. Diese Hügel und Reliefs, auch Thermokarst oder Kryokarst genannt, sind typisch für Orte, an denen sich der Permafrost zersetzt hat. Das im Boden enthaltene Eis ist geschmolzen. Dadurch verringert sich das Volumen der im Boden gespeicherten Feuchtigkeit, und die Landoberfläche sinkt ein.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Zerstörte Lebensgrundlage
Nicht nur Gebäude werden durch den Rückgang des stützenden Permafrosts beschädigt. Durch das Auftauen besteht auch die Gefahr, dass riesige Mengen an Treibhausgasen freigesetzt werden. Mammutknochen und uralte Pflanzen verlieren ihre eisige Schutzschicht und werden zersetzt. Die entstehenden Methangase gelangen in die Atmosphäre.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Keine einfachen Lösungen
Nikita Zimov, der Direktor des Pleistozän-Parks hält ein Stück eines Mammut-Stoßzahns in der Hand. Ihm zufolge können nur zahlreiche weltweit vernetzte kleine Lösungen gemeinsam die Erderwärmung aufhalten. "Wir arbeiten daran, zu beweisen, dass diese Ökosysteme bei der Bekämpfung helfen", sagte er, "aber natürlich reichen unsere Bemühungen allein nicht aus."
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Alte Technik - neu genutzt
In der Nähe der Stadt Tschersky befindet sich diese alte Sendestation, die jetzt von der Northeast Science Station genutzt wird. Wissenschaftler sagen, dass die Emissionen aufgrund der schieren Menge an verrottender organischer Materie, die im Inneren des Permafrosts eingeschlossen ist, irgendwann die Industrieemissionen der Europäischen Union erreichen oder sogar übertreffen könnten.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Wertvoller Bodenschatz
Sergej Zimov hält einen Eiskristall in der Hand. Er wird im unterirdischen Bereich der Northeast Science Station im Pleistozän-Park gelagert. Nach Ansicht von Zimov hat die COVID-19-Pandemie gezeigt, dass das Auftauen des Permafrosts bereits begonnen hat, erhebliche Mengen Treibhausgase freizusetzen, obwohl die Fabriken während der Pandemie ihre Tätigkeit weltweit deutlich eingeschränkt hatten.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Überprüfung der Treibhausgassensoren
Vadim Meschtscherijakow, ein Mitarbeiter des Pleistozän-Parks, überprüft Treibhausgassensoren in der Ambolikha-Station außerhalb der Stadt Tschersky. Der Anteil an Methan in der Atmosphäre habe noch nie so schnell zugenommen wie heute, und das hänge mit dem schwindenden Permafrost zusammen, sind die Wissenschaftler überzeugt. Dabei berufen sie sich auf Daten globaler Überwachungsstationen.
Bild: MAXIM SHEMETOV/REUTERS
Gekommen, um zu bleiben
Sergej Zimov untersucht verschiedene Materialien, die unterirdisch im Permafrost gelagert waren. Der seit Jahrzehnten hier tätige Wissenschaftler ignorierte in den 1990ern den Befehl, die Arktis zu verlassen, nachdem die Sowjetunion zusammengebrochen war. Stattdessen fand er Mittel, um die Nordost-Wissenschaftsstation in der Nähe der teilweise verlassenen Stadt Tschersky in Betrieb zu halten.