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Google will den total kalkulierbaren Menschen

Peter Welchering6. Februar 2014

Google kauft ein. Im Fokus: Unternehmen, die stark sind bei der Entwicklung "Künstlicher Intelligenz". So wie Deepmind oder Ray Kurzweil. Das Ziel: Das Verhalten von Menschen bis ins Detail vorherzusagen.

Künstliche Intelligenz (Foto: ©Fotolia/Mopic)
Bild: Fotolia/Mopic

Hinter Googles neuesten Einkäufen steckt eine ausgeklügelte Aufholjagd. Eric Schmidt, seit fast drei Jahren Geschäftsführer des umtriebigen Internet-Konzerns, hatte schon vor einiger Zeit die Parole ausgegeben, dass nur durch den Zukauf von Entwicklern aus dem Bereich "Künstliche Intelligenz" (KI) die entscheidenden Wettbewerbsvorteile ausgebaut werden könnten.

In der Künstlichen-Intelligenz-Forschung werden Softwareanwendungen entwickelt, die Computern intelligentes und damit dem Menschen vergleichbares Handeln ermöglichen sollen. "Dabei spielen vor allen Dingen zwei Forschungsrichtungen eine wesentliche Rolle", meint der Tübinger Computerwissenschaftler Pavel Laskov: autonomes angemessenes Verhalten in fremden Umgebungen und die schnelle Analyse großer Datenmengen mit Hilfe ausgeklügelter Methoden maschinellen Lernens.

In beiden Bereichen braucht Google dringend neues und erstklassiges Know-How, um seine Wettbewerbsposition ausbauen zu können, wie von Eric Schmidt geplant. Bei den selbstfahrenden Autos brauchen die Google-Entwickler effiziente Steuerungssoftware. Die muss nicht nur alle von den zahlreichen Sensoren im Nanosekundentakt angelieferten Daten verarbeiten und das autonome Vehikel so kollisionsfrei ans Ziel bringen. Gefragt ist vor allen Dingen eine Software, die eine logistische Fahrstrategie entwirft, in Fahrerverhalten umsetzt und dabei in Echtzeit alle sensorischen Daten in die laufenden Fahrerentscheidungen einbezieht. Nur dann kann der menschliche Fahrer eines Autos durch den Computer ersetzt werden.

"Letztlich hängen auch solche Softwaresysteme fürs autonome Fahren von der Qualität der Mustererkennung ab", meint Professor Hans-Joachim Bentz von der Universität Hildesheim. Und das zentrale Thema der KI-Forschung ist eben eine solche Mustererkennung. "Das spielt auch für genaues Analysieren großer Datenmengen eine entscheidende Rolle", meint Pavel Laskov.

Im Datenhandel läuft nichts mehr ohne Künstliche Intelligenz

Wer im Datenhandel ein Wörtchen mitreden und gute Geschäfte machen will, muss exzellent berechnete Verhaltensprognosen auf der Grundlage von umfassend analysierten Verhaltensmustern liefern. Google hat hier zwar die umfangreichsten Datenquellen zu bieten, liegt aber in der Analysequalität weit hinter den Datendienstleistern der amerikanischen National Security Agency (NSA) zurück. Und auch bei Banken und Versicherungen haben Datenanalysten wie Dataminr oder Hexagon Google einige Marktanteile weggenommen.

"Wir haben es hier mit statistischen Ableitungen und entsprechenden Prognosen auf der Grundlage von bisherigem Verhalten zu tun", erläutert der Informatikprofessor Günter Müller von der Universität Freiburg. Versicherungen finden dank dieser Datenanalysen gezielter ihre Kunden. Modegeschäfte ermitteln damit, welche Stilrichtung sich gut verkauft. Telefongesellschaften finden so heraus, welche ihrer Kunden ihren Mobilfunkvertrag kündigen wollen. Personalberatungen in den USA suchen mit diesen Auswertungsmethoden geeignete Kandidaten für ganz besondere Expertenjobs mit sehr speziellen Anforderungen.

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Doch bloße Wahrscheinlichkeitsberechnungen reichen nicht aus, um Menschen so zu berechnen, dass man ihr Verhalten präzise prognostizieren kann. Die Prognosequalität hängt wesentlich von der Plausibilitätsanalyse und der Verhaltenssimulation mit künstlicher Intelligenz ab.

Verhaltenssimulation erfordert Abermillionen linearer Gleichungen

"Es ist ziemlich einfach, einem Internet-Anwender ein Buch vorzuschlagen, weil er nach einem thematisch verwandten gesucht hat", meint Professor Michael Feindt von der Karlsruher Blue Yonder GmbH, die die derzeit wohl leistungsstärksten Analysepakete in Europa auf dem Markt hat. Schwierig werde es, seine Entscheidungsaffinität zu berechnen, zum Beispiel, ob er so unzufrieden mit seinem Telekommunikationsanbieter sei, dass er beabsichtigt zu kündigen und zur Konkurrenz zu wechseln. "Das geht nur mit mehrdimensionalen Analyseverfahren", urteilt Feindt.

Und die sind ohne leistungsstarke Software für maschinelles Lernen auf KI-Grundlage nicht mehr zu betreiben. Das hat Google vor gar nicht so langer Zeit den Einstieg ins Versicherungsgeschäft vermasselt. Amerikanische Anbieter setzen hier auf Vertriebsunterstützung durch KI-basierte Big-Data-Analysen.

Damit konnte eine Versicherungsgesellschaft die Abschlussquote für Ausbildungsversicherungen von einem einstelligen Wert bei traditionellen Massenmailings auf deutlich über 90 Prozent bei Big-Data-gestützten Verfahren erhöhen. Dabei wertet eine nur für diesen Zweck entwickelte Suchsoftware soziale Netzwerke nach Mitteilungen über Neugeborene aus. Eine Identifikationssoftware ermittelt die frischgebackenen Eltern, per Geolokalisation wird vollautomatisch überprüft, ob der Wohnort in einem Gebiet mit ausreichendem Kaufkraftindex liegt.

Zusätzlich wertet eine Mustererkennungssoftware aus, ob die identifizierten Eltern aufgrund ihres Kommunikationsverhaltens eher sicherheitsaffin oder risikoaffin sind. Den sicherheitsaffinen Eltern wird dann ein individuelles Angebot einer Ausbildungsversicherung fürs Kind unterbreitet.

Individuelles Marketing treibt den Datenhandel

Solche ausgesprochen filigranen Analysen werden allmählich für den Erfolg oder Misserfolg im Datenhandel entscheidend. Mit der wesentlich ausgebauten KI-Abteilung wollen Eric Schmidt und seine Manager Google hier wieder auf eine der ersten Marktpositionen platzieren. Nachgefragt wird von Regierungen und Unternehmen nämlich zunehmend der total berechnete und in seinem künftigen Verhalten völlig kalkulierbare Mensch. Doch diese Kalkulationen sind nur auf der Grundlage effizienter KI-Algorithmen möglich.

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