"Eine große Ehre"
22. Mai 2014 DW: Herr Goykovich, Sie werden jetzt mit dem hochangesehen Musikpreis ECHO-Jazz für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Wie wichtig ist diese Ehrung für Sie?
Dusko Goykovich: Ich muss sagen, das war eine große Überraschung. Natürlich ist so ein internationaler Preis eine große Ehre und ich bin sehr stolz. Es hat mich sehr gefreut, dass endlich jemand an mich gedacht hat, solange ich noch am Leben bin.
Es gibt eine ganze Reihe von Preisen, die Künstler für ihr Lebenswerk bekommen. Sie kommentieren das oft mit der Bemerkung, sie seien doch noch gar nicht am Ende Ihres Schaffens angelangt. Haben Sie sich schon in den künstlerischen Ruhestand begeben?
Überhaupt nicht! Ich mache wie immer weiter. Ich habe in der letzten Zeit einige CDs gemacht und demnächst kommt wieder eine neue. Ich spiele Konzerte, zu besonderen Anlässen auch in Clubs. In Belgrad habe ich gerade Aufnahmen mit der Radio-Big-Band gemacht. Dort bin ich aufgewachsen, habe dort natürlich auch gespielt. Die Jungs der Big Band haben für mich ein Latin-Jazz-Projekt auf die Beine gestellt und die CD wird bald veröffentlicht. Im letzten Herbst kam eine CD mit den Streichern der Brandenburger Symphoniker heraus. Ich wollte schon immer etwas mit Streichern machen, deshalb freue ich mich sehr darüber, dass es endlich dazu gekommen ist.
Ihre Karriere begann in den 1950er Jahren in Köln in der Band von Kurt Edelhagen. Wie war das damals für den jungen Trompeter Dusko Goykovich aus Jugoslawien?
Das war klasse! Damals war es für einen Jugoslawen gar nicht so einfach in den Westen zu kommen - ähnlich wie für DDR-Bürger. Ich bin durch den deutschen Jazzmusiker und Publizisten Carlo Bohländer nach Frankfurt gekommen. Dann hat mich Kurt Edelhagen für die neue WDR-Big Band engagiert. Das war damals die beste Band in Europa mit internationaler Besetzung. Ich war sehr happy, in dieser Band spielen zu dürfen - auch als Solist. Zu dieser Zeit haben wir auch mit dem US-amerikanischen Schlagzeuger Kenny Clark in Köln gespielt. Daraus wurde später die Clark/Boland-Big Band. Das war alles während meiner Zeit beim Westdeutschen Rundfunk von 1957 bis 1961.
In den 60 Jahren gingen Sie in die USA ans Berklee College, wo Sie ein Stipendium bekamen. Dann ging's nach New York, spielten in den angesagten Bands von Maynard Ferguson, Woody Herman, Thad Jones und Gerry Mulligan. Welcher der großen Bandleader sprach Sie auf ihre Herkunft vom Balkan an?
Die haben mich damals gar nicht so als Ausländer gesehen. Sie wussten, dass ich aus Deutschland und Europa komme. Sie haben sich nur dafür interessiert, wie man spielt. Ich hatte das Glück, fünf Jahre lang mit den besten US-Bands zu spielen - da habe ich sehr viel gelernt und es hat viel Spaß gemacht!
Sie gelten als der Erfinder des Begriffs Balkan Jazz. Wie kamen Sie darauf, Elemente der Volksmusik des Balkans in den Jazz einfließen zu lassen?
Als ich im Berklee College war, habe ich angefangen zu komponieren und zu arrangieren und habe mich mit den anderen Musikern unterhalten. Mit Stan Getz, beispielsweise, oder mit Dexter Gordon habe ich oft über Musik und Komposition gesprochen. Wir waren uns einig, dass unsere Musikalität auch durch die Volksmusik unserer Heimat geprägt wurde. Also habe ich 1961 angefangen, in meine Kompositionen und in mein Spiel Elemente aus der Volksmusik vom Balkan einzubringen.
Das war allerdings keine Kopie der Balkan-Musik. Dieser musikalische Reichtum des Balkans war nur die Basis für meine Balkan-Kompositionen. Ich wusste nicht, wie ich es nennen sollte. Auf den Namen "Balkan Jazz" kam ich erst viel später. Damals waren in den USA diese - für den Balkan typischen - gebrochenen Rhythmen mit 5/4- oder 7/4-Takten wenig bekannt. Dave Brubeck hat das mit "Take Five" gemacht - allerdings erst viele Jahre später.
Diese stilistische Einfärbung ist bis heute aus dem Jazz nicht wegzudenken. Wie hat sich der Balkan Jazz entwickelt?
Viele Musiker auf der ganzen Welt haben diesen Stil übernommen. Das hat die ganze Jazzszene bereichert. Mit meiner Band war ich elfmal in Japan auf Tournee. Und die Leute haben mir immer wieder zugerufen: "Hey, play this kind of music! Spielen Sie diesen Balkan-Stil!" Ich freue mich sehr darüber, dass mir das auch nach über 50 Jahren noch passiert.
Wenn Sie heute mit jungen Musikern arbeiten, spielen manchmal bis zu drei Generationen zusammen. Wie ist das für Sie?
Das ist super! Es gibt heute sehr viele junge Musiker, die gut spielen. Die kommen von guten Jazz-Schulen, wo sie technisch und musikalisch sehr viel gelernt haben. Es macht mir Spaß, mit Jungs zu spielen, die ihr Instrument beherrschen. Damals - nach dem zweiten Weltkrieg - war das anders. Es gab in Deutschland nicht viele Musiker, die Jazz spielten. Aber da gab es die US-amerikanischen GI's, unter denen viele Jazz-Musiker waren. Von denen haben wir viel gelernt.
Das Gespräch führte Conny Paul
Der in Jajce im heutigen Bosnien-Herzegowina geborene Trompeter, Arrangeur und Komponist Dusko Goykovich lebt seit vielen Jahren in München. Der 82-jährige Goykovich wird immer wieder von Bands als Gastmusiker eingeladen, wenn es darum geht, das Balkan-Idiom authentisch in Jazzprojekte einfließen zu lassen. So auch 1999 beim DW-Konzert "Balkan-Jazz" mit der Nicolas Simion Group im Kölner Stadtgarten. Das Programm wurde beim Label Intuition veröffentlicht. Mit auf der CD ist auch das Stück "Fighting Song", den Sie hier als Konzertmitschnitt hören können.