Startups in Griechenland
8. Dezember 2014"Zu uns kann jeder kommen, der eine Startup-Idee hat", sagt Stavros Messinis. Seine Frau Maria Calafatis und er haben vor eineinhalb Jahren "The Cube" gegründet. Einer von mehreren sogenannten Inkubatoren für die in Athen aus dem Boden sprießenden neuen Internet-Startups. Eine Reaktion auf die neue Szene, die sich von 14 neuen Unternehmen 2010 inzwischen auf an die 200 vervielfacht hat.
Mitten im Zentrum Athens, in der Nähe des Omonia-Platzes - bis vor kurzem eher Schmuddelgegend - bietet "The Cube" auf fünf Etagen separate Arbeitsplätze für Einzelne oder Gruppenräume. 135 Euro im Monat kostet so ein Platz, die abgetrennten Räume liegen zwischen 250 und 800 Euro - schnelles Internet, Beratung und Coffeeshop inklusive. "Es ist wichtig, dass der Ort gut erreichbar und die Arbeitsplätze nicht zu teuer sind. Wir wollen auch jungen Leuten eine Chance geben, die nicht viel Geld, aber eine gute Idee haben", erklärt der 42-jährige Hausherr des "Cube".
Von der Wirtschaft in Griechenland sei im Moment nicht viel zu erwarten, deshalb sei es wichtig, dass sich die jungen Unternehmer global aufstellen, meint Messinis. Nicht ganz einfach, denn diese Art von Selbständigkeit ist relativ neu. Viele wüssten nicht einmal, was ein Business-Plan ist. Deshalb arrangiert er regelmäßig Vorträge zu Unternehmensgründungen und vermittelt Experten an seine Kunden. Die gemeinschaftlichen Arbeitsplätze fördern den Austausch untereinander, so dass nicht jeder Gründer dieselben Anfängerfehler machen muss. Das ist auch Teil der Unternehmensphilosophie: "The Cube" fördert nicht das "schnelle Geld", sondern Projekte, von denen die griechische Gesellschaft profitieren soll, wie die Vermarktung von lokalen Produkten oder nachhaltiger Tourismus. Die Mentalität des "in die eigene Tasche Wirtschaftens", inklusive Korruption habe ausgedient. Messinis sieht einen Mentalitätswechsel bei den jungen Leuten.
Startups oder Auswandern
Bei einer Arbeitslosigkeit von 58 Prozent bei den unter 24-Jährigen sind die Startups für immer mehr junge Leute die einzige Perspektive, um nicht auswandern zu müssen. Die aufstrebende Tech-Szene wird unter anderem von vier Wagniskapitalfonds unterstützt. Openfund, Odyssey, First Athens und PJ Tech Catalyst. Bis zu 70 Prozent des Geldes kommt aus Mitteln der EU und der Europäischen Investitionsbank. Doch um diese Kredite zu bekommen, muss das junge Unternehmen schon erfolgversprechend laufen.
"Die meisten meiner Mitstudenten arbeiten unterbezahlt oder sie sind nicht mehr in Griechenland", sagt John Papageorgiou. Der junge Ingenieur hat bereits während des Studiums Truckbird gegründet, eine Plattform, die Anbieter von Produkten und Transportunternehmen in Echtzeit verbindet. Eine Marktlücke; innerhalb von vier Monaten hat er bereits 300 Firmen, die sich bei Truckbird registriert haben. Natürlich habe er einige Monate in der Vorbereitung unbezahlt gearbeitet. Ein Preis in einem Startup-Wettbewerb hat ihn zu Foundation gebracht. Ein Inkubator, der gezielt junge Unternehmer fördert und ihm einen kostenlosen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat. Im nächsten Jahr hofft er, einen Geldgeber für sein expandierendes Unternehmen zu finden. "Wenn ich eine Familie hätte, glaube ich nicht, dass ich das gemacht hätte, diesen Traum zu verwirklichen. Es gibt kein Geld von der Regierung", beklagt er. Allerdings sei es seit 2012 immerhin einfacher und unbürokratischer, ein kleines Unternehmen zu gründen, meint er.
Es fehlen Geldgeber
"Natürlich kann man am Anfang mit wenigen Kosten ein Startup gründen", sagt Dimitirs Kalavros-Gousiou, der Gründer von Found.ation. Aber ab einem bestimmten Punkt braucht man Kapital und das sei ein Riesenproblem. "Wir brauchen mehr Geldgeber, die am Markt beteiligt sind, die sich auskennen. Was wir nicht brauchen, sind Institutionen, die nicht wirklich wissen, was am Markt gebraucht wird." Mit Found.ation bietet er längerfristige Programme an, in Kooperation mit dem Bildungsministerium. Es gibt mehrmonatige Stipendien für junge Unternehmer, die sich noch während des Studiums bewerben können. Mit dem gezielten Trainingsprogramm und einem exklusiven Networking mit möglichen Kapitalgebern versucht Found.ation, den Gründern eine Perspektive innerhalb Griechenlands zu bieten.
"Die Startups sind ein Hype, und wir werden damit nicht das Problem der Arbeitslosigkeit lösen", meint allem Optimismus zum Trotz Xaris Makryniots von Endeavour Greece, einer NGO, die international bereits am Markt angekommene Firmen unterstützt. Es gäbe viele neue Apps, aber wenig Erfolgversprechendes auf lange Sicht. Der boomende Tourismusbereich habe kaum Innovatives zu bieten. "Natürlich gibt es einen Mentalitätswandel bei den jungen Leuten, sie sind im Ausland unterwegs, denken global", das sieht er als eine Chance. Das griechische System sei aber immer noch von Korruption, Bürokratie, dem Druck der Troika, die auf Rückzahlungen, aber nicht auf Reformen setze und einem ständig wechselndem Steuersystem geprägt. Sobald ein Unternehmen Gewinn macht, müssen die Steuern für das nächste Jahre im Voraus bezahlt werden. Das sei für Startups schwierig. "Ich hoffe, dass der Wandel 'von unten' schnell genug geht, bevor das ganze System kollabiert."
"Die Familie hat mich für verrückt erklärt"
"Die Dinge beginnen sich aufgrund der Krise zu ändern, aber nur sehr langsam", sagt Alex Christodoulou, Mitbegründer von Lokish, einer App, die Reisende und Einheimische für ähnlich gelagerte Interessen in punkto Essen, Trinken und Spaß zusammen bringt. Das Problem war weniger, das Geld zusammenzubringen, das konnten sie über Verbindungen zum Silicon Valley in San Francisco sichern. Sondern die Probleme, ihren "lockeren Job" im öffentlichen Dienst und im Bankensektor aufzugeben. Christodoulou musste sich fast ein ganzes Jahr durch die griechische Bürokratie kämpfen, bevor er seine Kündigung an einer Schule durchsetzen konnte. Sein Partner Grigoris Zontanos wurde von seiner Familie "für verrückt erklärt", seinen Job bei einer Bank zu kündigen, um das neue Business zu starten. Heute wird die App für Empfehlungen von Restaurants und Unterhaltung von Reisenden in Athen ebenso genutzt wie in San Francisco und anderswo.
Auch, wenn nicht klar ist, wie viele der Startups in Griechenland langfristig überleben, es werden monatlich mehr. Eine Generation, die nichts zu verlieren hat, sondern auf eine Zukunft setzt, jenseits eines bankrotten Staates, von dem sie nichts mehr erwartet.