Nachdem ein Frachtschiff 270 Container in der Nordsee verloren hat, fordern Politiker neue Regelungen für den Transport von Gefahrgut. Schifffahrtsexperten halten solche Maßnahmen aber nicht für praktikabel.
Anzeige
"Das große Problem ist die Ortung der Container", sagte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies. Vor der Küste seines Landes kam es am Mittwoch zu einer Havarie. Das Schiff MSC Zoe war unter panamaischer Flagge vom belgischen Antwerpen nach Bremerhaven unterwegs und verlor dabei bis zu 270 Container in der Nordsee.
Man müsse sich sehr gut überlegen, ob es nicht mindestens für die Gefahrgut-Container andere Möglichkeiten für ein möglichst schnelles Auffinden im Havariefall gebe, so der Minister gegenüber dem Radiosender ffn. "Da denke ich, müssen wir dringend ran."
Der Meinung ist auch Manfred Santen, Chemie-Experte bei Greenpeace. Er sagte dem Norddeutschen Rundfunk, dass es technisch kein Problem sei, Ortungsmeldern an Gefahrgut-Containern anzubringen. Lies schlug außerdem vor, zu prüfen, ob solche Container auf Frachtern nicht mehr ganz oben oder am Rand gelagert werden sollten.
Verbot von Chemikalien auf Frachtschiffen?
Mindestens drei der über Bord gegangenen Container sollen gefährliche Chemikalien enthalten. Ein 25-Kilogramm-schwerer Sack mit hoch entflammbarem organischem Peroxid wurde bereits auf der holländischen Insel Schiermonnikoog angeschwemmt.
Die Grünen wollen mehr als die Anbringung von Ortungsmeldern. Schon vor dem Unfall hatten sie gefordert, dass Stoffe wie Peroxid nicht mehr auf dem Seeweg transportiert werden dürfen.
"Gefährliche Chemikalien haben nichts auf den Weltmeeren zu suchen, besonders nicht in der obersten Reihe auf Containerschiffen, wo sie auch schnell einmal über Bord gehen können", schreibt Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag,auf Anfrage der DW. "Einschränkungen besonders für die Nordsee und für die europäischen Häfen sollten schnellstens auf den Weg gebracht werden. Das Risiko von größeren Unfällen ist nicht tragbar."
Holländische Behörden berichten, dass etwa 20 der Container an den Küsten der Nordseeinseln des Landes angeschwemmt wurden. Die Inhalte verteilten sich über die Strände. Allein auf der Insel Ameland haben Helfer bisher rund 130 Tonnen Ware an einem fünf Kilometer langen Küstenabschnitt eingesammelt.
Sicherung der Ladung: "komplizierter als früher"
Uwe Schmidt, SPD Bundestagsabgeordneter aus Bremerhaven und ehemaliger Hafenfacharbeiter, bezweifelt, dass die Forderungen der Grünen und seinem Parteikollege Olaf Lies, wirklich sinnvoll sind. Schmidt sagte dem Deutschlandfunk, dass Gefahrgut-Container am Rand der Schiffe gelagert werden müssen, damit die Crew sie im Falle eines Feuers sofort erreichen kann. Er frage sich außerdem, wie sinnvoll Ortungsmelder seien, da die moderne Sonartechnologie bereits sehr effektiv im Finden von Containern und anderen Gegenständen sei.
Der Frachtschifffahrtsexperte fügte hinzu, dass es auf der neuen Generation von Ozeanriesen wie der MSC Zoe sehr viel schwieriger sei, Container zu sichern. "Acht Container übereinander an Deck zu stellen, war bis vor zehn Jahren total unmöglich", sagte Schmidt. "Das macht natürlich die Schiffe einmal, was die Stabilität anbelangt, aber auch, was die Ladungssicherung anbelangt, wesentlich komplizierter als früher."
Gigantomanie in der Schifffahrt
Die "CMA CGM Antoine de Saint Exupéry" ist das bislang größte Containerschiff, das jemals den Hamburger Hafen angelaufen hat. In Zukunft werden Schiffe aber nicht nur immer größer, sondern auch autonomer.
Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt
Willkommen in Hamburg!
Mit einer Tragfähigkeit von 20.600 Standard-Containern (TEU) ist die "CMA CGM Antoine de Saint Exupéry" das größte Containerschiff, das jemals den Hamburger Hafen angesteuert hat. Weltweit liegt es auf Platz sieben, hinter sechs
baugleichen Schiffen der Reederei OOCL
Bild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt
Ein neuer Größenrekord
Im Mai des Jahres 2017 lief das größte Containerschiff der Welt im einzigen deutschen Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven ein. Die MV "OOCL Hong Kong" ist 400 Meter lang und hat 21.413 Stellplätzen für Standardcontainer. Sie wurde in Südkorea gebaut. Vor dem Stopp in Deutschland hatte das Schiff auf der Jungfernfahrt schon im britischen Felixstowe und im polnischen Danzig angelegt
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner
So lang wie das Empire State Building hoch ist
Kurz davor hatte der Hamburger Hafen die Ankunft eines anderen Giganten gefeiert: Die MOL Triumph ist ebenfalls 400 Meter lang, hat aber "nur" Platz für 20.170 Standardcontainer. Vollbeladen kann der Frachter aber nicht in Deutschlands größten Hafen einfahren, dafür ist die Elbe zu flach. Die japanische Reederei will die MOL Triumph künftig im Liniendienst zwischen Europa und Ostasien einsetzen.
Kostenrechnung fraglich
Vor 25 Jahren reichten 4.442 Container für Rekorde. Seitdem sind Containerschiffe immer größer geworden. Aber je größer sie werden, desto weniger spart man pro Container. Zudem müssen sie voll beladen fahren, um günstiger zu sein. Auch bei Tankern gab es die Tendenz immer weiter zu wachsen - die Supertanker übertrafen die heutigen Containerriesen noch. Jetzt sind sie aber nicht mehr gefragt.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth
Zu groß? Das längste Schiff der Welt
Über 458 Meter lang war der Öltanker Jahre Viking. Um anzuhalten, benötigte er mehr als sechs Kilometer. Er konnte aufgrund seiner Größe und seiner schlechten Manövrierfähigkeit weder den Panama-, den Suez- noch den Ärmelkanal befahren und auch nur wenige Häfen anlaufen. Von 2004 bis 2009 diente der Tanker unter dem Namen Knock Nevis als schwimmendes Rohöllager und wurde 2010 abgewrackt.
Bild: picture-alliance/dpa/DPA Report
Eine Kleinstadt auf dem Meer
Das größte Kreuzfahrtschiff, das bisher gebaut wurde, ist die Harmony of the Seas. Auf 16 Decks können sich über 6300 Passagiere und 2100 Besatzungsmitglieder tummeln. Für das 362 Meter lange Schiff mit seinen 20 Speisesälen, 23 Pools, der längsten Rutsche auf See und einem Park mit rund 12.000 Pflanzen hat die US-Reederei Royal Caribbean Cruises mehr als eine Milliarde Euro gezahlt.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Dubray
Groß wie ein Kreuzfahrtschiff, aber ohne Touristen
Diverse Scheichs, Oligarchen und andere Milliardäre konkurrieren darum, wer die größte Jacht hat. So werden die Schiffe teils auch noch während der Bauphase verlängert, um die Gegner zu übertrumpfen. An der Spitze liegt zur Zeit die Motorjacht Azzam (Länge 180 Meter). Das Spielzeug eines saudischen Scheichs verfügt über einen Hubschrauberlandeplatz, ein Raketenabwehrsystem und ein eigenes U-Boot.
Bild: Imago/TheYachtPhoto.com
Segeln mit Unterwasser-Beobachtungslounge
Der Designer Philippe Starck entwarf die Superjacht "A" für den russischen Milliardär Andrej Melnitschenko. Ihre Segelfläche ist etwa halb so groß wie ein Fußballplatz, sie hat acht Decks mit drei Pools, einem eigenen U-Boot und einer Panorama-Lounge unter der Wasserlinie. Mit 143 Metern Länge ist das Schiff deutlich größer als das deutsche Marine-Segelschulschiff "Gorch Fock" (89 Meter).
Bild: picture-alliance/dpa/A. Heimken
Das wohl teuerste Kriegsschiff der Welt
Rund 13 Milliarden Dollar lassen sich die USA den neue Flugzeugträger (Länge 337 Meter) kosten. Seit April 2017 übt die US-Marine bereits an Bord der USS Gerald R. Ford. Bislang haben die USA 18 klassische Flugzeugträger im Einsatz. Die neue Ford-Klasse soll effektiver und schneller Flugzeuge in die Luft bringen - mit einem elektromagnetischen Katapult statt wie bisher mit einem dampfgetriebenen.
Bild: Imago/Zumapress/C. Delano
Russlands Mega-Schiffe
Drei Meter dicke Eisplatten? Kein Problem für den russischen Atomeisbrecher Arktika. Er ist der größte seiner Art - nach Angaben der staatlichen russischen Website "Sputniknews". Seine Aufgabe: Ab Ende 2017 soll er Öl- und Gastankern den Weg rund um die Arktis freihalten. Im Juni 2016 wurde er bereits vom Stapel gelassen, ihm sollen in den kommenden Jahren weitere Eisbrecher folgen.
Bild: picture alliance / dpa
Langsamer Kraftprotz
Der Thialf ist der leistungsfähigste Schwimmkran der Welt, der Lasten bis zu 14.200 Tonnen heben kann. Er dient vor allem als Arbeitsschiff bei der Errichtung von Offshore-Anlagen und kann seinen Tiefgang zwischen 11,8 und 31,6 Metern variieren. Der Rumpf besteht aus zwei Schwimmkörpern, die den Decksaufbau über je vier Säulen tragen. Nur Tempo macht er mit maximal 11 Kilometern pro Stunde nicht.
Bild: BoH/GPL
Schwertransporter zur See
Offshore Plattformen (Foto) oder ganze Schiffe kann die Dockwise Vanguard transportieren. Dafür senkt sich das Transportschiff ab, die Ladung wird mit Schleppern über die Ladeplattform gezogen und dann hebt sich das Schiff wieder aus dem Wasser. Das weltweit größte Transportschiff hat eine Länge von 275 Metern.
Bild: Boskalis
Zum tiefsten Punkt der Meere
... tauchte Regisseur James Cameron mit der Deepsea Challenger. Das U-Boot wurde von 2005 bis 2012 unter strikter Geheimhaltung in Australien gebaut. Der Passagier sitzt in einer Kugel aus hochfestem Stahl mit einem inneren Durchmesser von 109 cm (Wanddicke: 64 mm). So tauchte Cameron 2012 zum Challengertief im Marianengraben im Pazifik (rund 10.984 m unter dem Meeresspiegel).
Bild: REUTERS
Es geht auch ohne Menschen
Größe ist nicht alles! In Zukunft könnten Schiffe ohne Besatzung und elektrisch unterwegs sein. Den ersten Versuch mit einem selbstfahrenden E-Containerschiff startet Norwegen: Die "Yara Birkland" (Bild) soll ab 2018 im Küstenverkehr Düngemittel transportieren. Erst mit Kapitän, ab 2019 ferngesteuert und ab 2020 autonom. Experten meinen, sie könnte ein "game changer" für die Schifffahrt werden.
Bild: Yara International
14 Bilder1 | 14
Er wies außerdem darauf hin, dass es bisher in der internationalen Frachtschifffahrt nur "so eine Art Selbstregulierungssystem" durch die International Maritime Organization (IMO) gebe. "Ich glaube schon, dass wir da in Zukunft speziellere Regelungen auch für die einzelnen Schiffstypen [brauchen]."
Auf Regierungsseite läuten derweil noch keine Alarmglocken - zumindest nicht laut. Nikolai Fichtner, Sprecher der Bundesumweltministerin, sagte nur, es sei noch zu früh, um "politische Konsequenzen" aus dem Vorfall zu ziehen. Man müsse sich den Fall noch genau anschauen.