Ein Kanuklub in einer armen Township nahe Kapstadt hat aus einem ehemals vermüllten Feuchtgebiet einen Treffpunkt für junge Menschen und eine grüne Oase für Mensch und Natur gemacht.
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Als Siyanda Sopangisa und sein Bruder Akhona noch kleine Jungs waren, war ihr Lieblingsort ein Feuchtgebiet in der Nähe ihres Townships in Kapstadt. So oft wie möglich waren sie hier, um zu schwimmen, stundenlang. Über die Jahre aber hat sich das Gebiet verändert. Niemand konnte hier mehr schwimmen, Tiere und Pflanzen hatten keinen Platz mehr zum Leben. Das Feuchtgebiet hatte sich in eine Müllhalde verwandelt.
2013 dann, die Jungs von damals waren inzwischen erwachsen, wurde ihnen klar, dass sie etwas tun mussten, um den Ort ihrer Kindheit zu retten. Und die notwendige Eingebung kam aus dem Fernsehen in Form einer Sendung über einen Kanuklub in einer anderen südafrikanischen Provinz. Gemeinsam mit Freunden gründeten sie den "Khayelitsha Canoe Club". Denn Sport, hofften sie, könnte ihrer Gemeinde helfen und gleichzeitig das verdreckte Feuchtgebiet säubern.
Aber bevor sie die Boote ins Wasser lassen konnten, musste der Müll weg.
"Wir mussten den Fluss von Grund auf reinigen", sagt Sopangisa gegenüber DW. "Dazu waren wir von früh morgens bis spät abends hier. Wir haben Badewannen, Autoreifen, Windeln, Stoßstangen und Matratzen gefunden — eigentlich fast alles, was man sich nur denken könnte. Wir haben sogar ein totes Kalb herausgezogen." Die Aufräumaktion dauerte fast ein Jahr.
Anfangs bestand ein Hauptproblem darin, den Jugendlichen im Township den Kanusport nahezubringen. "Die meisten glaubten, da drin gebe es Haie und Krokodile", sagt Sopangisa. Seinen Job im örtlichen Supermarkt hatte er aufgegeben, um den Klub zu leiten. "Die Jugendlichen sahen das Feuchtgebiet als einen Ort, an dem man seine Freizeit nicht verbringen könnte."
Heute hat der kostenlose Verein 20 Boote und 45 aktive Mitglieder. Sie sind zwischen 10 und 18 Jahren alt.
Jeden Samstag und Sonntag sind die Vereinsmitglieder auf dem Wasser. Für fünf Stunden trainieren sie, lernen Schwimmen, Kanu-Polo und alles, was sie zum Thema Sicherheit auf dem Wasser wissen müssen.
"Anfangs war es sehr sehr schwierig, weil das Kanu sehr wackelig ist", sagt der 17-jährige Philasande Klaas, der seit drei Jahren dabei ist und Wettkampfkanute werden will. "Man muss schwimmen und das Kanu dabei mitnehmen. Das war gruselig."
Wirf es in den Mülleimer
Dass die Menschen ihren Müll oft im Feuchtgebiet entsorgt haben, lag in erster Linie an einem fehlenden Umweltbewusstsein. Das komme zwar immer noch vor, sagt Sopangisa, aber der Kanuklub habe das Umweltbewusstsein gestärkt. Die Kinder, die inzwischen auf dem Fluss paddeln, haben angefangen ihren Eltern zu sagen, dass sie keinen Müll mehr ins Wasser werfen sollen.
"Wenn das doch passiert, dann sage ich: 'Nimm es und wirf es in den Mülleimer'", erzählt Philasande Klaas. Er ergänzt, dass der Sport auch seine eigene Sicht auf den Umweltschutz verändert hat.
Weil der Umweltschutz heute ernster genommen wird, ist das Feuchtgebiet inzwischen auch Teil des "Khayelitsha Wetland Recreational Parks". Und immer noch kommen jedes Wochenende Freiwillige aus der Gemeinde und helfen, den Fluss zu säubern. Dem geht es inzwischen wieder besser. Tiere und Pflanzenarten kommen zurück, darunter die südafrikanische Schwarzente, Welse oder die sogenannten Silberbäume.
Dem 15-jährigen Thobani Plaatjie, der ebenfalls schon einige Jahre im Klub ist, geht es auch nicht nur ums Paddeln. Der Verein hat ihm geholfen, die Natur zu entdecken, sagt er. "Ich mag diesen Sport. Er ist kaum bekannt. Und ich mag das Wasser und in der Natur zu sein." Er kommt fast jeden Tag nach der Schule her, um zu paddeln.
Paddeln im Township
In Südafrika steht der Begriff 'Township' für besonders arme Stadtgebiete, in denen während des Apartheid-Regimes ausschließlich schwarze Südafrikaner lebten, die zu den ärmsten des Landes gehörten. In keinem anderen der Townships gibt es etwas Vergleichbares, wie den "Khayelitsha Canoe Club".
Paddeln im Township ist aus verschiedenen Gründen kompliziert. Es geht nicht nur um Überzeugungsarbeit, sondern einfach auch um fehlenden Platz. "Sie haben keine 200-Meter-Gerade, auf der sie trainieren können", sagt Richard Kohler. Er leitet und trainiert "Century City Canoe", einem anderen Klub, der Khayelitsha mit Ausrüstung und bei der Sponsorensuche unterstützt. 200 Meter ist insofern eine wichtige Zahl, weil es sich dabei um die kürzeste Wettkampfdistanz für Kanu-Sprints handelt.
Ein weiteres Problem ist das Klima. Nach einer verheerenden Dürre in der südafrikanischen Provinz Westkap ist der Wasserstand im Feuchtgebiet so dramatisch gesunken, dass es immer schwerer wird, auf dem Fluss zu paddeln.
Trotz aller Schwierigkeiten will der "Khayelitsha Canoe Club" durchhalten. Seine Gründer hoffen, dass ein Klubmitglied eines Tages am "Dusi-Kanu-Marathon" teilnehmen wird, der größten Kanuveranstaltung auf dem afrikanischen Kontinent.
Das notwendige Geld dafür soll unter anderem von Paddeltouren für Touristen kommen. Besucher aus Deutschland, Frankreich und Norwegen sind schon da gewesen. Sopangisa bereut also nicht, seinen Job im Supermarkt aufgegeben zu haben. Er ist froh, dass auch die kommende Generation etwas vom Feuchtgebiet haben wird, sagt er, genau wie sein Bruder und er.
"Früher war ich oft gestresst. Wenn ich im Feuchtgebiet bin, dann bin ich entspannt. Was ich gelernt habe, ist: Mach was du liebst. Und eine wichtige Lektion ist, Geduld zu haben."
Die Wunder der Feuchtgebiete (Englisch):
Magische Moore
Feuchtgebiete wie Sümpfe, Moore und Schilfe sind Wunderwerke der Natur. Sie saugen klimaschädlichen Kohlenstoff aus der Atmosphäre wie einen Schwamm auf. Doch in Deutschland sind 95 Prozent der Moore zerstört.
Bild: NABU/Klemens Karkow
Wenn Mann blau macht
...haben Moorfrösche Paarungszeit. Normalerweise sind die quakenden Amphibien braun und damit perfekt getarnt für das Leben in Laub und Wald. Doch vor dem Sex im Wasser speichern die Männchen Flüssigkeit unter der Haut, die sie blau erscheinen lässt.
Leider trocknet der Lebensraum der Moorfrösche zunehmend aus: In Deutschland, so der Naturschutzbund NABU, zählen sie zu den bedrohten Arten.
Bild: NABU/Klemens Karkow
Endstation Moor
Frösche laichen. Und der Mensch? Er endet mitunter als Leiche im Moor. So erging es diesem Herrn: 1200 Jahre soll er unter Wasser verbracht haben. Nun hat er im Landesmuseum in Emden seine letzte Ruhestätte gefunden. Das saure Milieu im Moor hat Haut, Gewebe, Haare, Knorpel und Fingernägel gegerbt und konserviert. Außer dem Skelett wurden seine gut erhaltenen Kleider geborgen.
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner
Grüne Brühe, brauner Sumpf
Lebensfeindlich müssen weite Teile Norddeutschlands und Bayerns dem Menschen bis vor 300 Jahren erschienen sein - unheimlich, unnahbar, voller Mücken. Unbrauchbar für die Menschen. Um das Land zu besiedeln oder landwirtschaftlich als Acker, Grünland und Forst zu nutzen, trockneten unsere Vorfahren die Moore aus.
Bild: Colourbox/Achim Prill
Gräben - Grab der Moore
Zur Entwässerung der Feuchtgebiete legten die Menschen noch bis ins 20. Jahrhundert Gräben an. Dadurch änderte sich die Vegetation mit der Zeit: Heidekraut verdrängte die Nässe liebenden Torfmoose. Und je tiefer der Wasserspiegel sank, desto mehr Bäume, besonders Birken, eroberten das Moor. Die Dränagekanäle, die zum Tod der Moore führten, durchtrennen heute noch ganze Landschaften.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/G. Franz
Nieren der Natur
Moore sind gewaltige Wasserspeicher in regenreichen Regionen, in denen niedrige Pflanzen wachsen. Auf jungen Moorböden läuft es sich federnd wie auf einem Trampolin. Je mehr Wasser die Pflanzenschicht bedeckt, desto tiefer sinken Lebewesen ein und desto weniger Sauerstoff dringt zu den Pflanzen durch.
Bild: picture-alliance/dpa/T. Kleinschmidt
Ohne Moos nix los!
Ohne Torfmoose kann kein Moor entstehen. Die Polsterpflänzchen haben keine Wurzeln und ernähren sich von Regenwasser. Nach oben wachsen sie unbegrenzt, während die Basis abstirbt, weil in die Tiefe des Wasserbodens kein Luftsauerstoff gelangt. Das unvollständig zersetzenden Gewebe wird zu Torf, wenn es sich nicht mehr unter Wasser befindet.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/F. Hecker
Heizkörper
Torf entsteht erst durch die Trockenlegung der Moore. Das Material besteht aus abgestorbenen Pflanzenfasern, die wie Zunder brennen. Schon vor Jahrhunderten wurde Torf gestochen, die Ballen wurden verheizt. Mit dem Beginn der Industrialisierung stieg der Bedarf an Brennstoffen an. Es wurden sogar Torf-Kraftwerke gebaut. Torf zählt wie Braunkohle, Erdöl und Gas zu den fossilen Energieträgern.
Bild: Colourbox
Schwarzes Gold für schmerzende Glieder
Moorbäder gab es lange vor der Wellness-Welle. Im 19. Jahrhundert wurde für Kuranwendungen besonders viel Badetorf in Mooren abgebaut. Die Heilerde enthält Vitamine, Spurenelemente, Mineralien und vor allem entzündungshemmende Huminsäure. Ein Moor-Schlammbad soll rheumatische Erkrankungen und Arthrose lindern.
Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul
Raubbau an der Natur
Torf verbessert die Bodenqualität. Die Erde wird dadurch um einiges saurer, als sie im Normalzustand ist. Viele Pflanzen wie Heidekraut und Rhododendren benötigen saure Erde zum Gedeihen. Gerade zur Anzucht nutzen viele Gärtnereien und Blumenzüchter Torf aus Norddeutschland. So wurde dort in den vergangenen Jahrzehnten viel abgebaut und in Länder exportiert, die selbst keine Torfmoore haben.
Bild: NABU/Willi Rolfes
Appell ans grüne Gewissen
Frühlingszeit ist Pflanzzeit. Die Nachfrage nach Blumenerde steigt. Gleichzeitig schrumpfen unersetzliche Moorlandschaften, die über Jahrtausende entstanden sind. Denn in der Pflanzerde ist meist Torf enthalten. Es geht auch ohne, raten Naturschützer und appellieren an Gartenbaubetriebe und Hobbygärtner, auf Torf zu verzichten.
Bild: NABU/Sebastian Hennigs
Naturschwamm
Torfmoose (Sphagnum) können das 30-fache ihrer Trockenmasse speichern. Sie werden zur Regeneration, zur Wiedervernässung der Moore gepflanzt. So kann der Boden wieder Wasser aufnehmen. Wissenschaftler bauen die wertvollen Pflanzen auch in Plantagen an. Sie möchten so Zuchterde herstellen und den Torfabbau in Naturmooren verringern. Die Torfschicht wächst nur einen Millimeter pro Jahr.
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner
Von der Skipiste ins Moor
Hier soll wieder ein Moor entstehen. Wie ein Bulldozer schiebt der umgerüstete Skipisten-Bully große Pflanzenteile vor sich her. Sie stammen von Bäumen und müssen entfernt werden, damit Moose wachsen können. Weiche Böden machen dem geländegängigen Allzweckfahrzeug nichts aus. Trotz des hohen Gewichts von sieben Tonnen versinkt das Fahrzeug wegen der breiten Kettenauflage nicht im Moor.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/N. Lipka
Unentbehrliche Klimaschützer
Moore haben eine immense Bedeutung für den Klimaschutz: Sie entziehen der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid. Das CO2, das die Pflanzen während ihres Wachstums aufgenommen haben, wird nach ihrem Absterben im Torf gespeichert. Entwässert der Mensch allerdings das Moor, gelangt Luft in den Boden. So wird neben CO2 auch das noch klimaschädlichere Lachgas (N2O) freigesetzt.
Bild: Colourbox/L. Tit
Ruhezone Moor
Moorlandschaften haben eine einzigartige Flora und Fauna. Das besondere Licht und die Weite üben auf Besucher eine beruhigende Wirkung aus. Der Dichter Rainer Maria Rilke, der wie andere Künstler in Worpswede bei Bremen heimisch wurde, sagte über das nahe Moor, er könne dort bei endlosem Himmel aufatmen. Und: "Die Ebene ist das Gefühl, an welchem wir wachsen."