Grüne wollen Parlamentsrechte einklagen
4. November 2015"Umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt" muss die Regierung den Bundestag in allen Angelegenheiten der Europäischen Union unterrichten - so will es das Grundgesetz. Als die Bundesregierung in diesem Frühjahr beschloss, dass Deutschland sich an der EU-Operation gegen Schleuser im Mittelmeer beteiligen werde, fühlte sich die Fraktion der Grünen allerdings alles andere als "umfassend und frühestmöglich" informiert.
Viel zu spät hätten die Parlamentarier das einschlägige Dokument aus Brüssel zur Operation "EUNAVFOR MED" in der Geheimschutzstelle des Bundestags einsehen dürfen, kritisiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frithjof Schmidt. Die Geheimhaltungsauflagen beanstandet die Oppositionspartei nicht. Der grüne Kritikpunkt: Bei Dokumenten zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU entscheide die Regierung "nach dem Kulanzprinzip", welche Dokumente sie dem Bundestag vorlege und welche nicht. "Das ist für uns nicht akzeptabel", betont Schmidt. "Wir müssen wissen, was die Bundesregierung mit den Regierungen der anderen 27 EU-Mitglieder vereinbart hat."
Mitwirkungsrechte des Parlaments
Ohne den Zugang zu den einschlägigen Dokumenten könne das Parlament nicht das tun, was seine verfassungsmäßige Aufgabe sei: An den Entscheidungen der Regierung in der EU mitwirken, Einfluss nehmen und Kontrollrechte ausüben. Nur bei rechtzeitiger Information könne der Bundestag überhaupt noch Einfluss auf eine Entscheidung nehmen. Andernfalls verkomme das Kontrollrecht des Parlaments zu einem Kommentarrecht, kritisiert der Grünen-Politiker.
Das Politikfeld der gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik der EU dürfe von dieser Praxis nicht ausgespart bleiben, argumentieren die Kläger, zumal davon auch immer nicht-militärische Fragen berührt seien. Die Fraktion der Grünen hat daher Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht und die Klageschrift am Mittwoch in Berlin vorgestellt. Mit den Mitwirkungsrechten des Bundestags an Angelegenheiten der EU hat sich das Karlsruher Gericht zwar schon im Jahr 2012 befasst, ausdrücklich aber nicht mit dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik.
EU-Außenpolitik auch Sache des Bundestags
"Es geht nicht um die Rechte der Fraktion der Grünen, sondern um die Rechte des Parlaments insgesamt", sagt der Hamburger Staatsrechtler Ulrich Hufeld, Co-Autor der Klageschrift und Bevollmächtigter der Kläger in Karlsruhe. Von einem Urteil im Sinne der Kläger würden seiner Meinung nach alle Abgeordneten des Bundestags profitieren. Wenn die Bundesregierung ihre Willensbildung abgeschlossen habe und in Verhandlungen mit den anderen EU-Mitgliedern eintrete, dann könne sie den Bundestag davon nicht fernhalten. Das Recht des Parlaments auf Mitwirkung in allen Angelegenheiten der EU, so liest Hufeld das Grundgesetz, könne nicht durch das Geheimhaltungsinteresse der Regierung ausgehebelt werden.