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Haltlose Jobversprechen?

6. August 2009

Vier Millionen neue Jobs seien "ein bisschen viel", meint Cem Özdemir zum Deutschland-Plan von SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier. Die Aufnahme grüner Ideen durch die SPD sei zu begrüßen, aber wählen solle man das Original.

Porträt des Grünen-Chefs Cem Özdemir Foto: Bündnis 90/Grüne
Cem Özdemir - selbstbewußt in den WahlkampfBild: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Grünen-Chef Cem Özdemir warnt vor einem Überbietungswettbewerb der Parteien im Bundestagswahlkampf. Seine eigene Partei verspreche eine Million Arbeitsplätze, die Linke zwei, die SPD vier Millionen. Er warte nun darauf, dass CDU und FDP acht Millionen Jobs versprächen (siehe Link unten: Das Interview zum Anhören)

Sozialdemokratische Produktpiraterie

Anlass für Özdemirs Kritik ist der jüngste Deutschland-Plan von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Der entwirft eine ökologische Industriepolitik, die dem Wahlprogramm der Grünen entlehnt scheint. Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin spricht ironisch von "Produktpiraterie". Özdemir sagte im Interview mit DW-Radio, er begrüße Steinmeiers Plan. "Ich weise aber dezent darauf hin, dass man besser das Original wählen sollte, wenn man sicher sein will, dass es auch umgesetzt wird."

Die Grünen strotzen derzeit vor Selbstbewusstsein, nachdem sie im Juni bei der Europawahl als drittstärkste Partei 12 Prozent der Stimmen geholt haben. Ihr Konzept eines neuen grünen Gesellschaftsvertrages ("Green New Deal") findet breiten Zuspruch. "Wir müssen mit einer ökologisch ausgerichteten Wirtschaft aus der Krise herauskommen", sagt der Parteichef der Ökopartei. Die deutsche Industrie solle ihre führende Rolle als Exporteur von Umwelttechnologie behaupten. Wenn die Amerikaner, wie jetzt Obama, in erneuerbare Energien investierten, bezögen sie die besten Turbinen, die besten Photovoltaikanlagen aus Deutschland. "Und wenn es nach den Grünen geht, dann bleibt das auch so," betonte Özdemir. Vor der Europawahl hatte sogar die "Financial Times Deutschland" geraten, Grün zu wählen.

1,8 Millionen Arbeitsplätze gibt es in der deutschen UmweltindustrieBild: picture-alliance/dpa

Strom nur noch aus erneuerbaren Energien

Die Grünen wollen unter anderem bis 2040 den Strom in Deutschland zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewinnen und aus Kohle- und Atomkraft aussteigen. Für eine politische Umsetzung fehlt ihnen jedoch nach derzeitigen Umfrageergebnissen der Partner: Gemeinsam mit der SPD wäre die Partei zu schwach und in einer Ampelkoalition mit SPD und FDP müsste sie mit Widerstand der Liberalen rechnen, für die Steuersenkungen allemal Vorrang vor staatlicher Förderung von erneuerbaren Energien haben.

Özdemir kritisierte erneut heftig die populäre staatliche Abwrackprämie für Altautos als "fünf Milliarden Euro, die man zum Fenster hinausgeworfen hat", weil für die subventionierten Neuwagen keine Höchstgrenze für den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 festgelegt wurde. Nächstes Jahr würden die Absatzzahlen für Autos vermutlich einbrechen. Es wäre besser gewesen, dieses Geld in Bildung oder Klimaschutz zu stecken, betonte Özdemir.

Kinder vietnamesischer Migranten haben überdurchschnittliche SchulleistungenBild: picture-alliance / dpa

Migrant als Kanzler noch in weiter Ferne

Der 43-jährige Cem Özdemir ist der erste türkisch-stämmige Parteichef Deutschlands. Er führt Bündnis 90/Die Grünen, wie die Partei offziell immer noch heißt, gemeinsam mit Claudia Roth. Der in Deutschland geborene "anatolische Schwabe" sieht seine Partei auch weiter in einer Vorreiterrolle beim Umgang mit Zuwanderern und Minderheiten, bescheinigt aber den anderen Parteien Fortschritte. Die Grünen seien diejenigen, die den ersten bekennenden schwulen Abgeordneten im Bundestag, die erste Quotenregelung für Frauen, die erste Doppelspitze in Partei und Fraktion gehabt hätten. Mittlerweile gebe es aber sogar türkischstämmige Abgeordnete bei den Christdemokraten.

Den ersten Migranten - oder die erste Migrantin - als Bundeskanzler erwartet der Grünen-Chef nicht so bald: Erst dann, wenn die ausländische Herkunft in der deutschen Gesellschaft keine Rolle mehr spiele.

Autor: Bernd Gräßler

Redaktion: Dеnnis Stutе

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