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Annalena Baerbock: Der kurze Traum von Kanzleramt

14. September 2021

Noch im Frühjahr lag sie vorn in den Umfragen, dann folgte ein Wahlkampf voller Pannen. Wer ist die Vorsitzende der Grünen, die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock?

Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, spricht während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt im Bundestag neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Ehrgeizig, entschlossen, kämpferisch: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena BaerbockBild: dpa/picture alliance

Da war sie noch ganz oben, an diesem 19. April 2021: Zusammen mit ihrem Co-Vorsitzenden an der Spitze der Grünen, mit Robert Habeck, trat Annalena Baerbock, 40 Jahre alt, in Berlin vor die Presse und verkündete: Sie wird die Kanzlerkandidatin ihrer Partei. Die erste zudem mit einer damals realistischen Chance, auch ins Kanzleramt einzuziehen. Einige Umfragen sahen die Grünen damals vor Union und SPD, entsprechend selbstbewusst trat Baerbock auf: "So beginnt heute ein neues Kapitel für unsere Partei", rief sie in den Saal."Und wenn wir es gut machen, auch für unser Land."

Pannen und Pleiten im Wahlkampf 

Aber sie machten es nicht gut, die Grünen. Baerbock musste zugeben, Zahlungen der Partei an sie nicht ordnungsgemäß an den Bundestag gemeldet zu haben. Ihr offizieller Lebenslauf enthielt Fehler, Baerbock listete Organisationen auf, in denen sie angeblich Mitlied war, wie den renommierten "German Marshall Fund." Aber sie ist dort kein Mitglied. Und im Juni veröffentlichte Baerbock ein Buch mit dem Titel: "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern." Darin schrieb sie weite Teile bei anderen Autoren ab, was sie selbst zwar sofort als Fehler eingestand, aber ihre Beliebtheit in der Bevölkerung nahm doch massiv ab.

Sie wird's: Robert Habeck hat das Nachsehen im Kampf um die Kanzlerkandidatur der GrünenBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Kurz vor der Wahl liegen die Grünen auch wegen dieser Fehler ihrer Spitzenkandidatin nur noch bei rund 15 Prozent der Stimmen. Immer noch ein gutes Ergebnis für die Grünen, aber weit weg von den Träumen der Vergangenheit.

Drei rasante Jahre an der Parteispitze

Jung, selbstbewusst, machtwillig: Das war das Bild, dass Baerbock immer gern von sich selbst zeichnete, seitdem sie bundesweit bekannt wurde. Anfang 2018 wurde sie zur Parteichefin gewählt.Mit schwarzer Lederjacke schritt die Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg zum Rednerpult auf dem Wahlparteitag in Hannover und hielt eine leidenschaftliche, kämpferische Bewerbungsrede. Ein Satz daraus wurde in den Tagen und Wochen danach besonders häufig zitiert: "Wir wählen heute nicht die Frau an Roberts Seite, wir wählen die neue Bundesvorsitzende!", rief Baerbock unter dem tosenden Beifall der Delegierten.

Zu Beginn weniger bekannt als Robert Habeck, ihr Partner an der Grünen-Spitze, hatte sie sich da längst ein eigenes Profil erarbeitet: Als Klimaexpertin der Fraktion; als versierte Außenpolitikerin; als mutige Streiterin gegen Populismus und Ausländerfeindlichkeit. Als das erfolgreiche Duo der Grünen fast zwei Jahre später, im Winter 2019, auf einem Parteitag in Bielefeld bestätigt wurde, erhielt Baerbock satte 97 Prozent der Stimmen. Der "Mann an ihrer Seite", der Ko-Vorsitzende Habeck, kam auf 90 Prozent.

Leistungssportlerin und Völkerrechtlerin

Ehrgeizig war Baerbock schon immer: Als Jugendliche war die 1980 in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover Geborene Leistungssportlerin. Bei deutschen Meisterschaften im Trampolinspringen (Doppel-Mini-Tram) belegte sie dritte Plätze. Und ging als 16-jährige für ein Jahr in die USA. Später studierte sie unter anderem in Hamburg und an der "London School of Economics and Political Science" , dort machte sie einen Master-Abschluß. Baerbock kann Interviews in fließendem Englisch geben - auch im Jahr 2021 keine Selbstverständlichkeit unter deutschen Politikern.

Dreikampf: Olaf Scholz (links), Annalena Baerbock und Armin Laschet (rechts) wollen ins KanzleramtBild: Michael Kappeler/AFP/Getty Images

Nach ihrer Wahl und der Habecks an die Parteispitze erlebten die Grünen konstant gute Umfragewerte von um die 20 Prozent im ganzen Land, dazu Wahlerfolge bei den Europawahlen und bei Landtagswahlen. Bis im fortschreitenden Wahlkampf die Stimmenanteile immer weniger wurden.

Für früheren Kohleausstieg und Tempolimit

Baerbock hat wie Habeck wenig Berührungsängste auch mit konservativen Politikern. Seit die beiden an der Spitze der Grünen stehen, ist immer wieder über eine mögliche Koalition von CDU, CSU und Grünen nach der Bundestagswahl spekuliert worden. Aber Baerbock, die innerhalb der Grünen als erstklassig vernetzt gilt, legt deutlichen Wert auf eine eigene, grüne Programmatik.

Sie ist dafür, die Kohleverstromung in Deutschland wesentlich früher als 2038zu beenden, was Kurs der gegenwärtigen Regierung ist. Sie ist für ein Tempolimit auf Autobahnen von 130 Stundenkilometern. Sie ist gegen höhere deutsche Verteidigungsausgaben, auch wenn wichtige Partner wie die USA und auch CDU und CSU das vehement fordern. In ihrem Wahlprogramm sprechen sich die Grünen für wesentlich energischere Schritte beim Klimaschutz aus, was sicher nicht zuletzt auf die Klima-Expertin Baerbock zurück zu führen ist. 

Green Deal der Europäer mit den USA

Im Gespräch mit der DW freute sich Baerbock im Januar 2021 zwar auch über den neuen US-Präsidenten Joe Biden und seine Rückkehr ins Pariser Klimaschutzabkommen. Zugleich formulierte die Grünen-Chefin aber auch klare und konkrete Erwartungen: "Papier allein ist geduldig. Das haben wir in den letzten Jahren erlebt. Deswegen muss diese Situation jetzt von uns Europäern, von der deutschen Bundesregierung, dafür genutzt werden, die Vorschläge, die die US-Administration gemacht hat für eine klimaneutrale Zusammenarbeit, auch wirklich umzusetzen. Wir müssen uns mit eigenen Vorschlägen eines europäisch transatlantischen "Green Deal" jetzt auf den Weg machen."

Kontrahenten in Potsdam: SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz, derzeit führend in den Umfragen, und Baerbock im AugustBild: imago images/Future Image

Im Wahlprogramm haben die Grünen sich nicht wie in weiten Teilen ihrer Vergangenheit dazu bekannt, am ehesten Bündnisse mit den Sozialdemokraten anzustreben. Nach den derzeitigen Umfragen könnten die Grünen mit der SPD und den Liberalen regieren, vielleicht sogar mit SPD und Linken. Aber auch eine Koalition etwa mit CDU,CSU und FDP wäre möglich. In Potsdam, dem Wohnort von Annalena Baerbock, kommt es bei der Bundestagswahl auf jeden Fall zu einem brisanten Duell: In der Hauptstadt Brandenburgs ist Baerbock die grüne Kandidatin. Und für die SPD tritt Vize-Kanzler und Finanzminister Olaf Scholz an. Und der ist Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten.

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