Strom aus der Grube
7. Juni 2011Ab 2018 wird in Deutschland keine Steinkohle mehr gefördert. Dennoch können stillgelegte Zechen auch danach einen Beitrag zur Energieversorgung leisten. Konkret: einen Beitrag zur Versorgung mit erneuerbaren Energien. Und zwar durch Windkraftanlagen auf den Halden und durch unterirdische Pumpspeicherkraftwerke. Sozusagen grüner Strom aus schwarzen Schächten. Die Voraussetzungen dafür, sagt Walter Eilert vom Bergbaukonzern RAG, sind jedenfalls vorhanden.
"Wir haben uns vor etwa drei Jahren damit beschäftigt, welche Ressourcen unser Unternehmen hat. Und unser Unternehmen hat Ressourcen in Form von Grubenwasser, von tiefen Schächten und Flächen und von Halden." Durch die wirtschaftliche Erschließung dieser Ressourcen ließen sich auch die sogenannten Ewigkeitskosten des Steinkohlebergbaus reduzieren. Schließlich muss auch nach der Stilllegung der Zechen dauerhaft Grubenwasser abgepumpt werden. Dabei geht es jährlich um etwa 100 Millionen Kubikmeter.
Von der Halde in die Grube
Walter Eilert, der bei der RAG den Bereich Erneuerbare Energien leitet, bezeichnet es als naheliegend, dass man dabei zuerst die Halden ins Auge gefasst habe. Diese Abraumhalden erreichen immerhin Höhen bis zu 70 Metern. Und in diesen Höhen herrschten ähnliche Windverhältnisse wie an der Nordsee. Zwei inzwischen auf Halden in Gelsenkirchen errichtete Windkraftanlagen können mit einer Leistung von jeweils 2,5 Megawatt rund 10.000 Haushalte mit Strom versorgen.
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien kommt es allerdings maßgeblich auch auf eine konstante Verfügbarkeit im Netz an. Strom aus Sonne oder Windenergie unterliegt aber Schwankungen, so dass man bei der RAG nach Möglichkeiten einer Zwischenlagerung gesucht hat. Walter Eilert: "Wir wollen den Strom lagern in Form von Wasser in Seen, um ihn dann, wenn die Nachfrage wieder steigt, über Turbinen den Verbrauchern dann wieder zukommen zu lassen."
Zwei Seen, ein Zweck
Über Turbinen in Pumpspeicherkraftwerken unter Tage in ehemaligen Kohlebergwerken. Dafür benötigt man ein Ober- und ein Unterbecken. Wird durch Windkraft besonders viel Strom produziert, wird das Wasser aus dem Becken unter Tage nach oben in das Oberbecken gepumpt. Steigt die Stromnachfrage an, dann schießt das Wasser durch die Schächte in die Tiefe und treibt dabei dort installierte Turbinen an.
Grubenwasser aus Tiefen von 1.000 Metern und mehr zu heben, diese Technik beherrscht die RAG - die frühere Ruhrkohle AG - seit Jahrzehnten. Im Prinzip fehlen für ein solches Pumpspeicherkraftwerk noch ein entsprechend großes Unterwasserbecken, die Installation von Turbinen sowie eine Auskleidung der Schächte. An der Lösung dieser Aufgaben arbeiten in Kooperation mit der RAG bereits Wissenschaftler der Universitäten Bochum und Duisburg/Essen. Spätestens in drei Jahren soll diese Machbarkeitsstudie vorliegen.
Drei Zechen stehen zur Wahl
Danach werde man entscheiden, in welchem Kohlebergwerk das Konzept noch in diesem Jahrzehnt umgesetzt werden kann. Als geeignet gelten das Bergwerk Auguste Victoria und Prosper Haniel im Ruhrgebiet sowie die Zeche in Ibbenbüren. Ein ehrgeiziges Konzept, denn die RAG strebt letztlich das weltweit erste Patent für diese Technologie an. "Alle Recherchen", sagt Walter Eilert, "haben gezeigt, dass es unseres Wissens ein solches umgesetztes Projekt Pumpspeicherwerk unter Tage noch nicht gibt.“
Die Leistung solcher unterirdischen Pumpspeicherkraftwerke liegt nach dem berechneten Stand der Dinge bei etwa 300 Megawattstunden. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die erschlossene Abbautiefe in deutschen Zechen. Sowohl unter ökonomischen als auch ökologischen Aspekten. Denn je tiefer die Fallhöhe, desto weniger braucht es an Wassermenge zur Stromerzeugung durch die Turbinen unter Tage. Oder, wie es RAG-Ingenieurin Ricarda Dyga formuliert: "Die Energieeffizienz hängt von den Faktoren Wassermenge und der Fallhöhe ab."
Aber nicht nur in puncto Fallhöhe besitzen Pumpspeicherkraftwerke in stillgelegten Zechen Vorzüge beim Ausbau regenerativer Energien. Einwände von Naturschützern, die gegen oberirdische Speicheranlagen etwa in Süddeutschland mobil machen, sind kaum zu befürchten, wie Walter Eilert anmerkt. "Bei Pumpspeicherkraftwerken unter Tage sind große Eingriffe oder überhaupt Eingriffe in die Natur nicht zu erwarten."
Autor: Klaus Deuse
Redaktion: Rolf Wenkel