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Grüner Wasserstoff aus Kasachstan?

22. Juni 2023

Grüner Wasserstoff für Europa: ein Mega-Projekt am Kaspischen Meer findet breite Unterstützung, auch durch Bundespräsident Steinmeier. Dabei liegen noch gewaltige Herausforderungen vor den Entwicklern. Ein Ortstermin.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besucht den Fährhafen von Kuryk in Kasachstan
Große Pläne: Bundespräsident Steinmeier am kasachischen Fährhafen von KurykBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Über die Halbinsel Mangischlak in Westkasachstan weht das ganze Jahr ein Wind wie auf der Nordsee; die Temperaturen liegen auf dem Niveau von Südspanien. In dem kargen Land wechseln Wüste und Steppe einander ab. Die Landschaft, unwirtlich und dünn besiedelt, bietet ideale Bedingungen, um aus Sonne und Wind Energie zu erzeugen. Viel Energie. Zwei Cent pro Kilowattstunde soll der Strom kosten, der ab 2030 hier erzeugt werden soll. Das hat Wolfgang Kropp errechnet, CEO des Unternehmens Hyrasia und Ideengeber für ein Energieprojekt der Superlative.

Energieparks von der Größe Brandenburgs

Windparks und Solaranlagen von der Größe des deutschen Bundeslandes Brandenburg und mit einer Kapazität von 40 Gigawatt sollen in der Halbwüste am Kaspischen Meer gebaut werden. Das ist der Plan, den Wolfgang Kropp am Mittwoch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erläutert. Der Bundespräsident hat auf seiner Zentralasien-Reise einen Abstecher auf die Baustelle in der Nähe der kasachischen Hafenstadt Kuryk gemacht. Steinmeier drückte den roten Knopf für eine Probebohrung, und er sicherte dem Energieprojekt deutsche Unterstützung zu. Nach den politischen Gesprächen, die er zuvor in der Hauptstadt Astana geführt hatte, folgte mit dem Abstecher ans Kaspische Meer ein Besuch in einer Art Großlabor, in dem es um nicht weniger als um die Energiesicherheit Europas und um die Energiewende geht. Um Geopolitik und Geoökonomie – die ganz großen Fragen.

Grüner Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft - doch Herstellung und Transport sind aufwändigBild: Miroslav Chaloupka/CTK/dpa/picture alliance

Wenn alles gut geht, dann soll die Anlage bei Kuryk in sieben Jahren angefahren werden, 2032 soll sie dann unter Volllast laufen und bis zu zwei Millionen Tonnen grünen Wasserstoffs pro Jahr herstellen. Das wäre rund ein Fünftel des gesamten Hydrogen-Bedarfs, den die Länder der Europäischen Union dann Schätzungen zufolge haben werden. Um die Volkswirtschaften zu dekarbonisieren, wird Wasserstoff als Energieträger in großen Mengen benötigt, erzeugt in Verfahren, die ihrerseits kein Kohlendioxid ausstoßen. Dieser Energieträger wird "grüner Wasserstoff" genannt.

Nadelöhr in Richtung Europa

Ist er erst einmal erzeugt, muss er nach Europa gebracht werden – eine Herkulesaufgabe. Der Transport durch das russische "Sojus"-Pipelinesystem ist "nach Lage der Dinge nicht mehr möglich", sagt Wolfgang Kropp. Also muss der Energieträger einen anderen Weg nach Westen finden, den "mittleren Korridor". Unter Logistikexperten gilt der Hafen von Kuryk dabei als Nadelöhr, das die geplanten Handelsströme kaum wird bewältigen können. "Die geopolitischen Veränderungen nach dem Krieg Russlands gegen die Ukraine machen auch Veränderungen in den Verbindungen zwischen Ost und West, zwischen Asien und Europa nötig," sagt Bundespräsident Steinmeier bei einem Besuch der Hafenanlagen, und "wenn wir verlässliche Transportbedingungen haben wollen, dann muss dieser mittlere Korridor ausgebaut werden."

Bundespräsident Steinmeier besprach mit seinem kasachischen Amtskollegen Tokajew Wege einer möglichen künftigen EnergiepartnerschaftBild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Die Ertüchtigung der Transportwege soll Schritt für Schritt und parallel zum Aufbau des Energieparks erfolgen. Zwei Drittel des Stroms sollen mit Windrädern, der Rest in Solarzellen erzeugt werden. Eine Anlage zur Wasserentsalzung am Ufer, Elektrolyseure und Ammoniakumwandler müssen gebaut werden. Jetzt gehe es darum, "diese ganzen unterschiedlichen Technologien so miteinander zu verknüpfen, dass alles effizient läuft", beschreibt Wolfgang Kropp die Herausforderungen der nächsten Jahre. Eine Vielzahl von Gutachten soll nun geschrieben werden, um die technischen Fragen zu klären; aber auch soziale Studien entstehen, um zu ergründen, wie die Bewohner der Region für das Projekt gewonnen werden können.

Anspruchsvolle Transportwege

Wenn der grüne Wasserstoff erzeugt wurde, soll er sogleich wieder in Ammoniak umgewandelt werden, um auf seine lange Reise Richtung EU zu gehen: Per Schiff über das Kaspische Meer, dann per Eisenbahn in Kesselwagen quer durch den südlichen Kaukasus, durch Aserbaidschan und Georgien, wo er wieder aufs Schiff verladen wird für die Schwarzmeer-Passage, um dann irgendwo hinter dem Bosporus auf EU-Boden anzulanden – zum Weitertransport Richtung Norden, wo dann die Rückumwandlung des Ammoniaks in Wasserstoff ansteht. Ob das alles wirtschaftlich zu machen ist? Ja, versichert Wolfgang Kropp, dessen Hyrasia eine Tochter der deutsch-schwedischen Svevind Group ist - das sei alles sauber durchgerechnet.

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Der Finanzbedarf für Hyrasia wird auf 40 bis 50 Milliarden US-Dollar geschätzt, ganz ohne staatliche Beteiligungen oder zumindest Garantien dürfte das kaum möglich sein. Wenn alle Gutachten grünes Licht für den grünen Wasserstoff aus Kasachstan geben, dann soll 2026 die endgültige Investitionsentscheidung fallen. Die Politik jedenfalls - das haben die Besuche von EU-Ratspräsident Charles Michel im Oktober und jetzt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Kaspischen Meer gezeigt - will das ihre dafür tun, dass der Traum vom grünen Wasserstoff aus Kasachstan keine Fata Morgana in der Halbwüste bleibt.