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Zwischen Galerie und Straße

Ruben Kalus / Aaron Skiba23. November 2015

Graffiti und Street Art gelten mittlerweile als moderne Kunstform, doch leidet darunter die Authentizität? Die Bundeskunsthalle Bonn widmet sich dieser Frage und lädt die Besucher ein, selbst zur Spraydose zu greifen.

Graffitikünstler auf einem Sofa in der Ausstellung
Bild: DW/R. Kalus

Ist Graffiti-Kunst noch authentisch, wenn sie in einem Museum ausgestellt wird? Oder geht dadurch der raue Charme der Straßenkunst verloren? Diese Fragen überlässt Rein Wolfs, Intendant der Bundeskunsthalle Bonn, lieber den Besuchern der Indoor-Graffiti Ausstellung "BundeskunstHALL OF FAME". Vom 20. bis zum 29. November 2015 gibt es in der Bonner Kunsthalle ein wortwörtlich buntes und äußerst vielschichtiges Programm zu sehen.

Das Gesetz der Straße im Museum

Im Showroom sind verschiedene Street Art-Arbeiten in eher klassischer Museumsform zu betrachten: an den Wänden Fotografien von Graffitis, Siebdrucke, Gemälde auf Leinwand, am Boden Videoinstallationen und vieles mehr. Im zweiten Teil der Ausstellung gibt es Graffiti-Kunst zu sehen, wie sie auch auf der Straße existiert. Hier trifft in der "Hall Of Fame" gesprayte Kunst auf nackte Betonwände. So bezeichnen Sprayer allgemein Orte, an denen ganz legal gesprayt werden darf. Die besten Arbeiten bleiben für längere Zeit erhalten. Weniger geschätzte Bilder werden hingegen wieder übermalt. Alles eine Frage von Respekt und Anerkennung innerhalb der Szene.

Graffiti-Fotografien im ShowroomBild: DW/R. Kalus

Dieses temporäre Prinzip gilt auch für die Ausstellung. Die Wände unterliegen einem stetigen Wandel, laufend kommen neu gesprayte Bilder hinzu, während alte gleichzeitig verschwinden. Somit gleicht kein Besuch der Ausstellung dem anderen, immer kann man neue Bildwelten entdecken. Die Besucher dürfen dabei auch selbst Stift und Spraydose in die Hand nehmen und sich an den Wänden austoben. Einige größere Arbeiten der Graffiti-Künstler sollen allerdings möglichst unverändert erhalten bleiben. Das ist dann doch Kunst.

"Böses Karma" vertreiben

Das Besondere der Ausstellung sei ihre Internationalität, erklärt Kurator Allan Gretzki im Interview mit der DW. Während eher lokale "Halls Of Fame" meistens ausschließlich nationale Kunst präsentierten, käme hier in Bonn das Beste vom Besten aus unterschiedlichen Länder zu einer Ausstellung zusammen. So werden beispielsweise Arbeiten von Künstlern aus Argentinien, Frankreich, Spanien, Bosnien-Herzegovina und auch aus Deutschland gezeigt.

Ziel der Ausstellung ist vor allem, die Kunstform Graffiti salonfähiger zu machen: "Es muss halt einfach dieses böse Karma der illegalen Graffitis aus der Welt geschafft werden", so Gretzki. Doch für ihn steht fest, dass die Authentizität und "street credibility", die Museen oder auch Werbung gerne für sich nutzen, nur auf der Straße entsteht: "Das Rückgrat ist tatsächlich das illegale Graffiti, das in den Straßen passiert, und das darf man nicht ausblenden. Dem muss man auch einmal eine Bühne geben."

Nich alltäglich im Museum: Bilder in riesigen DimensionenBild: DW/R. Kalus

Kunst im Großformat

Bei der Vernissage in der Bundeskunsthalle konnte den Graffiti-Künstlern Il-Jin Atem Choi aus Frankfurt und dem Kollektiv JEANSPEZIAL aus Paris live bei der Arbeit am Bild zugeschaut werden. Musik steuerten die Band Autistikits und der DJ "thereyoughost" bei. Skurril wirkte dazwischen die Lesung von Joachim Spurloser und Stefan Wartenberg. Sie präsentierten aus ihrem Buch "CALYBA" abstrakte Gedichte, die aus Wortspielen mit Graffiti-Namen bestehen.

Es gab sogar eine Siebdruckwerkstatt. Hier konnten sich die Besucher ein Motiv von Nicolas Barrome auf ein Poster drucken lassen und es mit nach Hause nehmen. Eine tolle Gelegenheit, sonst schwer bezahlbare Kunst günstig an den Mann zu bringen, findet auch Barrome: "Ich male viele Bilder, die für die meisten Leute zu teuer sind. Aber Siebdrucke sind viel günstiger und bei dieser Ausstellung sogar umsonst", erzählte er im DW-Gespräch. Auf Wunsch konnte man sich sein Exemplar vom Künstler persönlich signieren lassen.

Das Künstler-Kollektiv JEANSPEZIALBild: DW/R. Kalus

Baromme gehört ebenfalls zu dem Kollektiv JEANSPEZIAL. Zusammen mit zwei seiner Kollegen sprayte er für die Eröffnung ein großflächiges Bild, das über mehrere Tage entstanden ist. Baromme gestand im DW-Interview, dass sie zu Beginn skeptisch gewesen seien, ob Streetart in so einem musealen Kontext funktionieren würde. Doch die Zweifel seien schnell verflogen: "Als wir hier ankamen, waren wir sehr positiv überrascht und freuten uns über die Größe der zu bemalenden Wände. Wir haben schon bei kleineren Veranstaltungen mitgewirkt, aber noch nie bei einer so großen Ausstellung." Von illegalen Graffiti-Aktionen hält Barrome, von Haus aus gelernter Illustrator, persönlich wenig. "Ich mag es nicht, wenn alles sehr schnell gehen muss, weil vielleicht die Polizei kommt."

Kunst, nicht Streetart

Ganz anders sieht das Il-Jin Atem Choi, der ebenfalls beim Live-Painting im Museum zu beobachten war: "Graffiti ist auf jeden Fall illegal", erklärte er im Gespräch mit der DW. Für ihn persönlich sei es aber egal, ob er illegal oder legal sprühe, wobei er dem Illegalen nicht unbedingt nachgehen müsse. Dogmatiker der Graffiti-Szene hingegen würden so eine Ausstellung ablehnen, glaubt er: "Die finden das hier furchtbar."

Für sein eigenes Werk hat Il-Jin Atem Choi ganze drei Tage benötigt. Seine Kunst möchte er dabei aber nicht als Streetart verstanden wissen, sondern als Graffiti-Kunst oder auch einfach nur als Kunst. Der Begriff Streetart sei für ihn: "Ausgelutscht, generisch und steht irgendwie für alles."

Die Bonner Ausstellung "BundeskunstHALL OF FAME" läuft noch bis zum 29. November 2015.

Il-Jin Atem Choi beim Live-PaintingBild: DW/R. Kalus
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