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Grand Egyptian Museum: Ägyptens Kulturstätte der Superlative

29. Oktober 2025

Mehr als 100.000 Artefakte, darunter die Sammlung des Pharaos Tutanchamun: Nach Jahren der Verzögerung öffnet das Grand Egyptian Museum (GEM) nahe den Pyramiden von Gizeh jetzt seine Tore.

Menschen gehen auf den golden verkleideten Eingang zum Großen Ägyptischen Museum zu
Das Grand Egyptian Museum soll neue Maßstäbe in der Museumslandschaft setzenBild: Franz Neumayr/www.neumayr.cc/picturedesk.com/picture alliance

Eine monumentale Fassade aus Glas und hellem Sandstein erhebt sich aus dem Wüstensand am Rande von Kairo - in direkter Nachbarschaft zu den berühmten Pyramiden von Gizeh. Hinter der rund 800 Meter langen Front ist ein wahrer Tempel der Geschichte entstanden. Ägyptens ambitioniertestes Kulturprojekt, das Grand Egyptian Museum (GEM) ist fertig - und wird nun feierlich eröffnet.

Rund 500.000 Quadratmeter umfasst der imposante Bau bei Kairo, entworfen vom irischen Architektenbüro Heneghan Peng - das sind rund 70 Fußballfelder. Genug Platz für über 100.000 Artefakte, die sieben Jahrtausende ägyptischer Geschichte repräsentieren - aus der pharaonischen, der griechischen und der römischen Antike.

Das Highlight der Dauerausstellung ist die komplette Sammlung des  Pharaos Tutanchamun - mit mehr als 5000 Artefakten und natürlich mit der legendären goldenen Totenmaske. Auch die 42 Meter lange und über 4000 Jahre alte Sonnenbarke des Pharaos Cheops gehört zur Sammlung.

Die Hauptgalerien enthalten verschiedene thematische Abschnitte: Königtum, Gesellschaft und Glauben.

Herzstücke des Museums sind eine imposante Treppe, die sich über alle Stockwerke erstreckt, sowie ein Atrium, in dem eine elf Meter hohe Statue des Pharaos Ramses II. thront.

Im sonnendurchfluteten Atrium begrüßt Pharao Ramses II die GästeBild: Stefanie Schenker/Foto, Stefani/picture alliance

Jahrzehntelanges Mammutprojekt

Bereits seit den frühen 2000er-Jahren in Planung, wurde der Bau mehrfach verzögert. Die Gründe: unter anderem die Coronapandemie und die politischen Spannungen im Nahen Osten. Seit Oktober 2024 ist das Museum im sogenannten "Soft Opening": Besucherinnen und Besucher konnten bereits ausgewählte Bereiche betrachten und Sonderführungen buchen.

Nun steht die Eröffnung des kompletten Museums bevor - und Ägyptens Premierminister Mustafa Madbuli hofft auf die Teilnahme zahlreicher internationaler Staats- und Regierungschefs an der Eröffnungszeremonie am 1. November. Es werde "eine Nacht, an die wir uns erinnern werden", verspricht Ägyptens Tourismus- und Altertumsminister Sherif Fathy im "The National", einem englischsprachigen Magazin aus Abu Dhabi. Die Gästeliste internationaler Prominenter aus Politik, Kultur und Showbiz ist lang - aus Deutschland hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angesagt.

Im Rahmen der Eröffnung findet ein prunkvoller Fackelzug statt, bei dem die berühmten Funde aus dem Grab des Tutanchamun vom alten Museum am Kairoer Tahrir-Platz in das neue Museum transportiert werden. 

Das "Fenster der Ewigkeit" gibt den Blick auf die Pyramiden von Gizeh frei.Bild: Mohamed Abd El Ghany/REUTERS

Eine neue Erzählung der Pharaonenwelt

Was die Ausstellung besonders macht: Sie bricht mit alten Präsentationsformen. "In der Vergangenheit wurden Artefakte aus dem Alten, Mittleren oder Neuen Reich getrennt voneinander präsentiert", erklärt Archäologe Magdi Shakir in der türkischen Tageszeitung "Daily Sabah". "Jetzt wird jedes Thema in einer umfassenden Erzählung gezeigt. Jedes Objekt folgt einer eigenen kuratorischen Geschichte - das macht den Besuch zu einem beispiellosen Erlebnis."

Durch das neue Konzept sollen Besucher Zusammenhänge statt Einzelteile sehen - Macht, Alltag und Glauben werden über Dynastien hinweg erzählt.

Kultur und Identität im 21. Jahrhundert

Premierminister Madbuli bekräftigte in der ägyptischen Zeitschrift "Amwal Al Ghad", das Museum werde Ägyptens Position als führendes globales Kulturziel stärken. Die direkte Nachbarschaft zu den berühmten Gizeh-Pyramiden ist dabei von großem Vorteil - die Touristen, die aus der ganzen Welt kommen, um die Pyramiden zu besuchen, werden sich das Museum wohl nicht entgehen lassen. Der Ägyptologe Mustafa Al‑Waziri beschrieb das GEM im Interview mit dem ägyptischen Radiosender Nile FM als "Ikone - nicht nur ein Museum, sondern ein Beginn einer neuen Ära für Kulturtourismus".

Auf einer Treppe, die sich über alle Stockwerke erstreckt, sind Artefakte aus allen Epochen zu sehen.Bild: Stefanie Schenker/Foto, Stefani/picture alliance

Nicht nur für den Tourismus - jährlich werden fünf bis acht Millionen Menschen erwartet -, auch für die Wissenschaft bietet das GEM neue Möglichkeiten. Es verfügt über eine der modernsten Restaurierungsanlagen der Welt. Und über ein Forschungszentrum mit Speziallaboren für Mumien, Holz, Metall und Stein.

Vor dem Hintergrund der Klimakrise wurde streng nach ökologischen Gesichtspunkten geplant: passive Kühlung, optimierte Lichtführung und Recyclingkonzepte laufen bereits. Bis zu 60 Prozent weniger Energie und 34 Prozent weniger Wasser als herkömmliche Gebäude von vergleichbarer Größe sollen in dem Komplex verbraucht werden. Es gibt ein eigenes Solarkraftwerk, ein reflektierendes Dach sowie eine externe Verschattung. Durch die Ausrichtung des Gebäudes soll der Wind zur natürlichen Kühlung benutzt werden. Bereits 2024 gab es für die nachhaltige Gebäudeplanung und -konstruktion die EDGE Advanced-Green-Building-Zertifizierung.

Kritische Töne

Doch das Projekt ist nicht ohne Kontroversen: Die "Financial Times" nennt Baukosten von über einer Milliarde US-Dollar, finanziert teils durch japanische Kredite, staatliche Mittel und Einnahmen aus Wanderausstellungen im Ausland.

Kritiker bemängeln die lange Bauzeit und fragen, ob solche Summen in einem Land mit ernsten sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen sinnvoll eingesetzt sind. Weitere kritische Stimmen sehen das GEM auch als Teil einer zentralisierten Tourismusstrategie, die andere Regionen Ägyptens kulturell und wirtschaftlich benachteiligen könnte. 

Ebenfalls im Raum steht die Frage der politischen Einflussnahme: Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat den Vorsitz des Kuratoriums, das die strategische Ausrichtung und den Betrieb des Museums überwacht. Der Verwaltungsratschef ist Altertumsminister Sherif Fathy.

Dennoch: Für viele Ägypterinnen und Ägypter ist das GEM ein Statement - eine Wiederbelebung nationaler Identität. Schon jetzt gilt das GEM als neues kulturelles Wahrzeichen des Landes - ein Ort, an dem Vergangenheit und Zukunft Ägyptens aufeinandertreffen, zwischen antiken Schätzen und modernster Hightech-Restaurierung. Wer die Eröffnung live verfolgen möchte: Auf dem TikTok-Kanal des Grand Egyptian Museum wird das Ereignis am 1. November um 18:00 (Ortszeit) übertragen.