1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Greenpeace: Fleischverzehr halbieren, Pestizide minimieren

9. Januar 2017

Die Intensivierung von Ackerbau und Viehzucht hat massive Folgen für die Umwelt. Greenpeace hat daher Pläne für eine Agrarwende vorgelegt, um Klimaschutzziele zu erreichen und die Versorgung der Bevölkerung zu sichern.

Kühe im Stall
Bild: noanet / CC BY-SA 2.0

Deutschland ist ein Agrarland. Rund die Hälfte der gesamten Fläche wird als Acker- oder Grünland durch Landwirte bewirtschaftet. Zwar ist der Fleischkonsum hierzulande rückläufig, dennoch werden Ackerbau und Viehzucht intensiviert, weil im Ausland die Nachfrage nach Agrarprodukten gestiegen ist.

"Die heutige Landwirtschaft ist auf billige Massenproduktion ausgelegt und hat mit Umwelt- und Klimaschutz nichts zu tun", kritisiert Martin Hofstetter, agrarpolitischer Sprecher von Greenpeace. Rund elf Prozent der Klimaemissionen in Deutschland wird durch die Landwirtschaft verursacht. Konstant hohe Treibhausgasemissionen stehen maximalen Erträgen bei minimierten Erzeugerkosten gegenüber.

Der ökologische Preis der Landwirtschaft

Fleisch - preiswert und in aller Welt begehrt Bild: AP

Den günstigen Preis sieht der Verbraucher auf dem Etikett der eingeschweißten Keule, doch vom hohen Preis für die Umwelt und das Weltklima erfährt er nichts: Kein Wort in Handel und Werbung über verstümmelte Tiere in engen und verschmutzten Käfigen, überzüchtete Rassen, die nur durch hohen Antibiotikaeinsatz ihr Schlachtgewicht und -alter erreichen und überfordertes Personal in Mastbetrieben, zu denen die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat.

Besonders pikant: Das eiweißreiche Kraftfutter zur Tiermast importiert Deutschland aus ursprünglich tropischen Regenwäldern und Savannen, die wegen der hohen Nachfrage aus der Landwirtschaft zerstört wurden. Auch der massenhafte Anbau von Raps, Soja und Palmöl zur Herstellung von Pflanzenölkraftstoffen und die Verschwendung von Lebensmitteln werden nur von ökologischen Moralaposteln hinterfragt. 

Greenpeace kritisiert auch, dass es kaum Aufklärung über den Einsatz von Pestiziden und die Folgen von überschüssigem Dünger aus Stickstoff und Phosphat und Nitrat in Tierexkrementen (Gülle) im Grundwasser gibt. Zu selten seien auch Berichte über Kühe, die beim Wiederkauen schädliches Methan produzieren, dass in der Atmosphäre landet und den Klimawandel fördert und über die Auslaugung der Böden und den dramatischen Rückgang der Artenvielfalt, weil die Ökosysteme dem massiven Einsatz Düngemitteln und Pestiziden nicht mehr standhalten können. 

In Massen gehalten statt in Maßen genossen: Nutztiere in DeutschlandBild: DW

Regelmäßig verfehlt die Landwirtschaft in Deutschland die Vorgaben der Europäischen Union in Bezug auf Wasser- und Luftqualität, während viele Landwirte angesichts niedriger Erzeugerpreise um ihr ökonomisches Überleben kämpfen müssen. "Die Agrarpolitik fördert Strukturwandel und Höfesterben, indem sie die Erzeugerpreise immer mehr auf das niedrige Weltmarktniveau gesenkt hat", kritisiert Greenpeace. "Nur mit einer drastischen Senkung der durch die Agrarwirtschaft produzierten Klimagase und Veränderungen bei der Tierhaltung lassen sich die Klimaschutzziele erreichen", heißt es in dem "Kursbuch Agrarwende 2050". Dazu hatte die Umweltorganisation beim Forschungsinstitut für ökologische Landwirtschaft (FIBL) eine Studie in Auftrag gegeben. 

Wie die Agrarwende gelingen soll

Deutschland ist einer der größten Exporteure (Fleisch) wie auch Importeure (Futtermittel) von Agrarprodukten. Laut Greenpeace ergibt sich bei der Verrechnung von Anbauflächen für die Erzeugung aller Agrarimporte und -exporte ein Flächensaldo von rund fünf Millionen Hektar Ackerland. Das heißt: Deutschland benötigt mehr Fläche, obwohl die Bevölkerungszahl künftig nicht weiter zunimmt. Die Weltbevölkerung dagegen wird bis 2050 auf neun bis zehn Milliarden Menschen ansteigen. Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit, der internationalen Verantwortung und im Hinblick auf die ehrgeizigen Klimaschutzziele sollten, so Greenpeace, die konventionelle Landwirtschaft und die Tierhaltung so entwickelt werden, dass trotz der Vorgaben die ausreichende Versorgung der Bevölkerung gewährleistet bleibt. 

Dazu hat die Organisation konkrete Ziele formuliert für die Bereiche Klima, biologische Vielfalt, Nährstoffkreisläufe, Schadstoffeinträge sowie Tierwohl.   

Weniger Fleisch, weniger Pestizide, weniger Verschwendung

Den Fleischverzehr bis 2050 halbieren und den Pestizideinsatz beenden - das fordert Greenpeace zur Erfüllung der Klimaschutzziele. Laut Berechnungen sollten Mitte des Jahrhunderts 30 Prozent der Agrarfläche ökologisch durch Biolandbau bewirtschaftet werden. Die restlichen 70 Prozent beackern Bauern konventionell mit Stickstoffdünger, allerdings ohne chemisch-synthetische Pestizide.

Ein Bild, dass laut Greenpeace der Vergangenheit angehören sollte Bild: Getty Images/Wildlife/C. Heumader

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) forderte die Umweltorganisation auf, die nötigen Rahmenbedingungen für die ökologisierte Landwirtschaft zu schaffen. Auch die Lebensmittelverschwendung gelte es drastisch zu reduzieren. Für die Studie hat Greenpeace eine umfangreiche Literaturauswertung vorgenommen und Experten befragt. Die Produktion sollte künftig auf den heimischen Markt ausgerichtet sein und die Abkehr der Überproduktion von Fleisch- und Milchprodukten verfolgen. Durch das geänderte Ernährungsverhalten sinkt die Nachfrage an Fleisch, Nutztieren und somit auch an Futtermitteln für das Vieh. Der Tierbestand würde von 12,4 Millionen Rindern (01.05.2013) bis 2050 auf 6,5 Millionen reduziert. Die Schweinemast würde von 28,7 Millionen auf 10,7 Millionen Tiere zurückgefahren.

Vom Acker zum Moor

Für Greenpeace ist es unerlässlich zirka 500.000 Hektar (ein Hektar entspricht der Fläche eines Fußballfeldes) Acker in Grünland umzuwandeln und dort den Grundwasserspiegel anzuheben. An diesen Standorten sollen wieder Moore entstehen. Feuchter Boden kann Kohlenstoff speichern. Ein weiterer Teil der Ackerfläche in Flussauen soll in Grünland umgewandelt als Überflutungsfläche bei Hochwasser dienen.

Andere Flächen sollen als Brachland und Blühstreifen unbewirtschaftet bleiben, so dass sich dort die Artenvielfalt erholen kann. In den Berechnungen kalkulieren die Agrarexperten den Rückgang des täglichen Flächenverlustes zur Besiedlung, für Industrie und Verkehrswege bis 2050 auf 30 Hektar. Aktuell werden pro Tag mehr als 70 Hektar versiegelt und bebaut.

Zur Erreichung der Ziele sollten die Agrarsubventionen umgehend beendet werden. Auch sollte die Mehrwertsteuer für Fleischprodukte von sieben Prozent auf die sonst üblichen 19 Prozent angeglichen werden, so Greenpeace. Die Verbraucher müssten dann allerdings mehr zahlen. Durch eine gezielte Information über die Art der Erzeugung und den Wert der Lebensmittel sollte das Bewusstsein für den Wert der Nahrung geschärft werden, sagt Greenpeace. 

 
Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt zeigte sich allerdings wenig begeistert von dem Greenpeace-Papier: "Ernährungssicherung - und damit Landwirtschaft - und Umweltziele dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", sagte Schmidt. Er will durch Forschung, Innovation und Digitalisierung dazu beitragen, den Klimaschutz in der Landwirtschaft zu steigern. 

Ausbringen des Saatguts - weniger soll mehr seinBild: picture-alliance/dpa/M. Tödt

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutsche Bauernverbands (DBV). befürchtet, dass durch  die Pläne der Umweltschutzorganisation 250.000 Jobs in der Branche gefährden würden und mit einem Verlust an Wertschöpfung von 20 bis 25 Milliarden Euro einhergeht.

Fest steht indes, dass Deutschland massiv Treibhausgase einsparen muss. Laut Klimaschutzplan 2050, den die Bundesregierung im November vorlegte, sollen die Bereiche Energie, Verkehr, Industrie, Haushalte und Landwirtschaft ab 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase verursachen als im Jahr 1990.