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PolitikPolen

Grenzblockade als Zündstoff zwischen Polen und Ukraine

Monika Sieradzka (aus Warschau)
11. Dezember 2023

Polens Spediteure kritisieren die Öffnung der EU-Grenze für LKW-Fahrer aus der Ukraine. Ihr Protest wird von Rechtsradikalen mitorganisiert. Aus der Ukraine kommen Drohungen gegen die Blockierer.

Lastwagen stehen in einer langen Schlange am Grenzübergang Dorohusk in Polen
Kilometerlange LKW-Staus am Grenzübergang Dorohusk zwischen Polen und der UkraineBild: Omar Marques/AA/picture alliance

Tausende ukrainische Lastwagen stehen in kilometerlangen Schlangen, um aus Polen in die Ukraine einzureisen. Alle vier LKW-Grenzübergänge zwischen den beiden Ländern werden seit dem 6.11.2023 durch polnische Speditionsfirmen blockiert. Die Staus sind bis zu 50 Kilometer lang, die Wartezeiten liegen zwischen ein paar Tagen und drei Wochen. Nur humanitäre und militärische Transporte werden zügig durchgelassen. Alle anderen müssen warten. Nur ein bis drei Lastwagen pro Stunde dürfen die Grenze passieren.

Bis Februar 2024 wollen die Blockierer ihre Aktion fortsetzen. Doch es regt sich Widerstand in den betroffenen Gemeinden. Wie das polnische Portal onet.pl am Montag (11.12.2023) berichtet, verhängte der Vorsteher des Grenzorts Dorohusk inzwischen ein Verbot gegen die Blockade in seiner Gemeinde. Er begründete das damit, dass die lokalen Geschäfte durch den Stau an der Grenze zum Stillstand gekommen seien und dies die Arbeitsplätze bedrohe.

Polnische Spediteure blockieren den Grenzübergang zur Ukraine bei DorohuskBild: Omar Marques/AA/picture alliance

Die polnischen Spediteure werfen den ukrainischen Firmen vor, die durch die EU initiierten Solidaritätskorridore an den Grenzübergängen zu missbrauchen. Sie waren nach dem russischen Angriff auf die Ukraine eingeführt worden, um die Abfertigung der humanitären und Militärtransporte für die kämpfenden Ukrainer zu erleichtern.

Doch oft würden über die Solidaritätskorridore kommerzielle Güter abgefertigt, die als humanitäre Güter oder Militärtransporte registriert seien, erklärt der polnische Spediteur Pawel Ozygala im Gespräch mit der DW. Er hat die Grenzblockade mitorganisiert und spricht von einem "schmutzigen Spiel" und von "totalem Missbrauch" der Solidaritätskorridore. "Wir haben schon Luxusautos gesehen, die angeblich an die Front gehen sollten", sagt er. 

Mit der Einführung der Solidaritätskorridore wurden auch die Genehmigungen ausgesetzt, die Ukrainer vor dem Krieg für Transporte in die EU einholen mussten. Jetzt dürfen ukrainische Transportunternehmen ihre Dienste auch auf dem EU-Markt anbieten. "Weil die ukrainischen Unternehmer viel geringere Ausgaben haben und ihre Dienste kostengünstiger anbieten können, haben sie einen großen Teil des Transportmarktes zwischen Polen und der Ukraine übernommen", klagt Ozygala.

Die Verluste der polnischen Spediteure

Nach Angaben des polnischen Ministeriums für Infrastruktur sind die Anteile polnischer Unternehmen am Transportverkehr zwischen den beiden Ländern drastisch eingebrochen. Im Jahr 2021 betrugen sie noch etwa 38 Prozent, während die Beförderer aus der Ukraine für 62 Prozent des Verkehrs verantwortlich waren. Bis Ende Oktober 2023 sank der Anteil polnischer Speditionen auf acht Prozent, während Unternehmer aus der Ukraine für 92 Prozent verantwortlich waren.

Ukrainische LKW-Fahrer werden von polnischen Helfern mit Lebensmitteln und Getränken versorgt, während sie am Grenzübergang wartenBild: Omar Marques/AA/picture alliance

Dabei geht es nicht nur um den polnischen Markt. "Seit über einem Jahr haben sich viele ukrainische Transportunternehmer auf dem EU-Markt etabliert. Ukrainische Lastwagen befördern auch Güter aus Polen in andere europäische Länder. Und die polnischen Firmen gehen pleite", so der Spediteur Ozygala.

Ein Konflikt, der den Rechtsradikalen in die Hände spielt

Seit Sommer 2022 gab es immer wieder Proteste polnischer Spediteure, doch erst die Grenzblockaden machten die Politik auf die wachsenden Probleme aufmerksam. Die Gespräche Warschaus mit Brüssel und Kiew über eine mögliche Wiedereinführung des Genehmigungssystems führten jedoch bislang zu keinem Ergebnis. 

Das politische Vakuum nach der Wahl Ende Oktober 2023 nutzte die rechtsradikale Partei Konföderation, um sich als Verteidigerin polnischer Interessen gegen Brüssel und Kiew zu profilieren. Der Parteivorsitzende in der Region Lublin, Rafal Mekler, betreibt selbst ein Transportunternehmen und hat die Grenzblockaden mitorganisiert.

Die Partei Konföderation will polnische Interessen verteidigen

Die Partei Konföderation gilt als pro-russisch, ihre Politiker haben sich mehrfach gegen die Sanktionen gegen Moskau ausgesprochen. Mekler selbst steht seit kurzem auf der Webseite der ukrainischen Organisation Zentrum Friedensstifter (Myrotworez), die mit der ukrainischen Regierung zusammenarbeitet und seit 2014 Daten über Personen sammelt, die sie als Gefahr für die nationale Sicherheit der Ukraine einstuft. Insgesamt gibt es auf der Liste von Myrotworez drei Personen, die mit der Partei Konföderation verbunden sind.

Auch die Parteispitze der Konföderation unterstützt die Grenzblockaden und hat schon mehrmals die Protestierenden an der Grenze besucht. Von der polnischen Regierung fordert sie ein härteres Vorgehen gegen die "Diskriminierung" der polnischen Spediteure. Falls die Gespräche mit der Ukraine und mit der EU ergebnislos bleiben sollten, so die Forderung der Partei, dann sollte Polen das Abkommen über die Solidaritätskorridore mit der Ukraine einseitig kündigen.

Der Rechtsaußen-Politiker Krzysztof Bosak von der Partei Konföderation, hier bei einer Veranstaltung in Kattowitz im Jahr 2022Bild: Mateusz Wlodarczyk/NurPhoto/picture alliance

Der Parteivorsitzende und Vizepräsident des Parlaments, Krzysztof Bosak, wiederholte diese Forderung während einer Demonstration vor dem Sitz der Europäischen Kommission in Warschau. "Wir sind hier, weil wir von der polnischen Regierung erwarten, dass sie endlich anfängt, die Polen zu vertreten - nicht irgendwelche utopischen internationalen Doktrinen, nicht irgendwelche supranationalen Interessen, sondern diejenigen, die das nationale Einkommen in Polen schaffen", so der stellvertretende Sejm-Sprecher.

Proteste gegen die Grenzblockaden

Doch die Grenzblockaden bescheren auch polnischen Firmen, die mit der Ukraine zusammenarbeiten, Verluste. Deshalb gibt es in Polen derzeit auch immer mehr Stimmen gegen die Blockaden. "Polen und Ukrainer! Wir kämpfen miteinander, und Russland nutzt das aus", konnte man vergangene Woche auf einem Transparent während eines Protests vor dem Parlament in Warschau lesen.

LKW-Blockade am Grenzübergang Dorohusk-Jagodin zwischen Polen und der Ukraine im Novemer 2023Bild: Monika Sieradzka/DW

An der Aktion nahmen Hilfsorganisationen, freiwillige Helfer und Aktivisten teil. Die langen Wartezeiten an der Grenze verlangsamten die Lieferung lebenswichtiger Hilfsgüter, aber auch vieler Güter des alltäglichen Gebrauchs, die in der Ukraine derzeit schwer zugänglich seien, so die Demonstranten.

Im Schreiben an den Marschall des polnischen Parlaments wiesen die Protestierenden nicht nur auf wirtschaftliche und humanitäre Fragen hin, sondern betonten auch, dass der Konflikt durch russische Propaganda angefacht werde und sowohl Polen als auch Ukrainer provoziere.

Die EU ruft zur Beendigung der Grenzblockaden auf

Am 4.12.2023 berieten die für den Transport zuständigen EU-Minister über die Grenzblockaden. Neben Polen sind auch die Logistikbranchen in Ungarn und in der Slowakei betroffen. Die von Polen und der Slowakei vorgetragene Forderung nach einer Wiedereinführung des vor dem Krieg geltenden Genehmigungssystems wurde von EU-Kommissarin Adina-Ioana Valean abgelehnt.

"Ich fordere alle auf, zur Vernunft zu kommen und die Grenze so schnell wie möglich freizugeben", appellierte sie und wies darauf hin, dass die Grenzen von Polen blockiert würden, obwohl das Land ein großer Befürworter der europäischen Hilfe für die Ukraine sei.

Der Ausweg aus der verzwickten Lage scheint immer dringender. Es wird eine der ersten Herausforderungen der neuen linksliberalen Regierung von Donald Tusk.

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