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Grenzgänger des guten Tons

Arian Fariborz26. Februar 2004

Trotz der Schikanen religiöser Tugendwächter hat sich nach 25 Revolutionsjahren eine vitale Rock- und Popmusikszene in Iran herausgebildet. Dennoch fristen viele Underground-Bands im Iran bis heute ein Schattendasein.

Rocker gibt es offiziell nicht im IranBild: Pendar Nabipour


Ohrenbetäubende E-Gitarrenriffs, rasantes Schlagzeugstakkato, verzerrte Sounds der persischen Instrumente Kermantscheh oder Sas und immer wieder der eindringliche Refrain des Sängers Sharam Sharbaf: "Ich sagte: Ratlos bin ich deinethalben; Du sagtest, zu guter Letzt wär´ auch Rat!" Verse des berühmten klassischen persischen Dichters Hafez.

Die Stimmung ist auf dem Siedepunkt, der kleine Saal bebt, das Publikum ist begeistert: Junge Männer mit langen Haaren und freiem Oberkörper steigen auf die Bühne und versuchen sich im "Stage-Diving" - dem Sprung ins Publikum. Andere, in modische Jeans- und Lederjacken gehüllt, stehen vor der Bühne und wiegen sich gemeinsam mit ihren unverschleierten Freundinnen im Takt der Musik.

Ein Rockkonzert im Staate der Mullahs?!

So oder ähnlich hat es sich wohl abgespielt, das legendäre Konzert der persischen Independent-Rockband O-Hum - glaubt man zumindest den Erzählungen ihres Bassisten Babak Riahipour: "Wir hatten nur einen einzigen Auftritt, und das war in der russisch-orthodoxen Kirche in Teheran", erinnert sich der heute 34jährige Musiker. Doch mit diesem einmaligen Konzert wollte es das Rocktrio nicht belassen – wenig verwunderlich, angesichts ihrer wachsenden Popularität im In- und Ausland. Die Nachfrage nach Kassetten und CDs der Band stieg gewaltig an, so dass sich die Gruppe dazu durchrang, von ein Album zu veröffentlichen. Ein gewagter Schritt und ein Spießrutenlauf, der heute geradezu symbolisch für das Scheitern vieler junger Rock- und Popformationen in Iran steht.

Der iranische Frauenchor Banu - von den Mullahs genehmigtBild: Banu

In der Regel haben sie keine Chance, ihre Musik zu veröffentlichen, sofern sie nicht den strengen Auflagen des Ministeriums für Kultur und islamische Führung ("Ershad") entsprechen. "Eigentlich muss man, bevor man ein Album aufnimmt, dort ein Demo-Band vorlegen. Aber das haben wir nicht gemacht“, erklärt O-Hum Bassist Babak Riahipour. Was folgte, war das Aus für das Projekt. Auch der Versuch, ein Konzert in der Teheraner Farabi Hall zu geben scheiterte. Und das, obwohl sich O-Hum Sänger Shahram Sharbaf dazu durchrang, mehrfach den Gang ins verhasste Ministerium zu wagen, um dort vor versammelter Riege islamischer Tugendwächter vorzusingen. Nachdem alles nicht funktionierte, packte er resigniert die Koffer und ging zeitweilig ins Exil nach Kanada.

Spießrutenlaufen vor den Mullahs

Die iranische Journalistin Shadi Vatanparast beschreibt das Dilemma junger Musiker und welchen demütigenden Statuten sie sich bis heute stellen müssen. So ist das "Ershad"-Ministerium von der Regierung mit der Aufsicht über die Musikproduktion des Landes beauftragt. Das Zentrum für Musik im Ministerium muss der Musik zustimmen, damit sie in den Plattenläden vertrieben werden kann. Ein Musikkomitee bewertet die musikalische Qualität des Werks. Die Dichter, die im Textkomitee sitzen, bewerten den Gehalt der Liedzeilen. Bis vor kurzem gab es außerdem noch das Gesangskomitee: Ein berühmter Sänger testete die stimmlichen Fähigkeiten der Aspiranten. Das Problem war, dass er nur akademische Musik akzeptierte und alles außerhalb konventioneller oder klassischer Musik beargwöhnte.

Mullahs lesen ZeitungBild: AP

Musikerinnen sind von den Restriktionen besonders betroffen. Denn bis heute werden Frauenstimmen offiziell nur im Chor zugelassen, Sologesänge sind tabu. Die iranischen Behörden wachen nach wie vor streng über die Einhaltung der religiösen Vorschriften. Sologesänge von Frauen werden - wenn überhaupt - nur unter dem Ladentisch gehandelt.

Den Mullahs ein Schnippchen schlagen via Internet

Viele iranische Bands setzen verstärkt auf das Internet, um sich mehr Gehör zu verschaffen. Rock- und Popgruppen, wie O-Hum, 127, Meera oder Sarakhs verfügen alle über professionell gestaltete Websites, auf denen die Bands ihre Songs zum Probehören für ihre wachsende Fangemeinde anbieten, mit der sie im ständigen Email-Kontakt stehen. Seitdem ist ein wahrer Musikboom in Iran ausgebrochen.

die Rockband Raz-e Shab

Die online-Kulturzeitschrift TehranAvenue wiederholte ihren "Underground Music Contest" im vergangenen Dezember unter dem Namen "TehranAvenue Music Open" (TAMO) – ein Wettbewerb, an dem derzeit insgesamt 42 Bands teilnehmen. Die iranischen Internetuser können auf der Seite ihre Favoriten hören und der besten Band ihre Stimme geben. Die Musikangebote sind verblüffend vielfältig und reichen von persischem Punk, Heavy Metal, Rock bis hin zu Reggae, Funk, Electronic Fusion und Jazz.

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