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Bizarrer Wettkampf

Sandra Petersmann6. Januar 2013

Es ist ein kompliziertes Verhältnis, das Indien und Pakistan haben. Deutlich wird das an dem jüngsten Schusswechsel an der Waffenstillstandslinie in der Region Kaschmir - aber auch an den Ritualen an der Grenze.

Grenzposten mit schmucken Unformen (Foto: Getty Images)
Bild: BEHROUZ MEHRI/AFP/Getty Images

Brüllen, bis die Lunge Hilfe schreit - auf beiden Seiten der Grenze. Fertig machen zum militärischen Schattentango ohne Anfassen. Die Grenzschützer auf der einen Seite sind wie Spiegelbilder der Grenzschützer auf der anderen Seite: Soldaten im Stechschritt - mit prallgefüllten Lungen, fliegenden Beinen und wirbelnden Armen. Und starren Blicken. Schon der Hauch eines Lächelns ist verboten. Jede Bewegung ist perfekt synchronisiert, und die Fans sind außer Rand und Band. Auf beiden Seiten der Grenze.

Schreiende Soldaten, jubelnde Fans

Es ist kurz vor Sonnenuntergang. Willkommen an der Wagah Border. Der Grenzübergang Wagah ist die einzige offene Straßenverbindung zwischen Indien und Pakistan. Jeden Abend strömen abertausende Fans auf die Tribünen, die auf beiden Seiten aufgebaut sind, um sich die staatlich orchestrierte und militärisch synchronisierte Fahnenzeremonie anzuschauen. Und auf beiden Seiten sorgen professionelle Einpeitscher dafür, dass die Fans sich in der Lautstärke ihrer nationalen Jubelorgien überbieten.

Die Fahnenzeremonie am Grenzübergang Wagah ist ein MassenspektakelBild: Sandra Petersmann

"Lang lebe Indien" – auf der indischen Seite sind es an diesem Tag vielleicht 20.000 Fans. "Hoch lebe Pakistan" - auf der pakistanischen Seite vermutlich um die 5000. In Indien leben mehr als 1,2 Milliarden Menschen, in Pakistan rund 180 Millionen.

Zeremonie zum Dampf ablassen

Die beiden Länder verbindet eine lange, gemeinsame Geschichte. Doch seit der Teilung und Unabhängigkeit von 1947 ist viel Blut geflossen - in Massakern, Scharmützeln und in Kriegen. Es geht um Macht, Eitelkeiten, Religion, Land und Wasser. Die gemeinsame Grenze ist wie eine Mauer, hinter der auf beiden Seiten Atomwaffen lauern. Die Grenzzeremonie ist für Nationalisten auf beiden Seiten ein Ventil.

"Mein Land ist das größte und beste der Welt", sagt ein junger Mann, der beseelt eine indische Fahne schwenkt. Und dann folgt der unvermeidliche Chor der männlichen, jugendlichen Hitzköpfe:

"Pakistan Murdabad" – Tod für Pakistan.

Feindlichkeiten in der Politik

Dabei sind sich Inder und Pakistaner kulturell so ähnlich wie die Uniformen, Stiefel und Stechschritte der Soldaten bei dem total synchronen Wagah-Spektakel. Das sieht auch dieser Großvater so. "Die Zeremonie soll den Menschen zeigen, dass Eintracht besser ist als Zwietracht. Wir haben die gleiche Biographie. Die Feindlichkeiten spielen sich auf der politischen Ebene ab, nicht auf der menschlichen." Sein Enkelsohn ergänzt, dass die jubelnden und grölenden Pakistaner auf der anderen Seite eigentlich wie Brüder sind.

Die Uniformen sind sehr ähnlichBild: BEHROUZ MEHRI/AFP/Getty Images

Die Flaggen sind eingeholt, die Soldaten reichen sich die Hand. Dann schließen sie das Grenztor ab, machen auf dem Absatz kehrt und drehen sich im Stechschritt den Rücken zu. Bis morgen. Dann sehen sie sich wieder. Angefeuert von abertausenden Zuschauern auf beiden Seiten der Grenze. Es ist wie ein Blick in den Spiegel, auch wenn es viele nicht merken.

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