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Politik

Greta Thunberg, der Popstar

Jens Thurau Hamburg
1. März 2019

Tausende Schüler schwänzten den Unterricht in Hamburg und demonstrierten gemeinsam mit der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg gegen den Klimawandel. Über die Faszination einer einfachen Protestform.

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Bild: Reuters/M. Mac Matzen

Andreas, 16 Jahre alt, Schüler aus Hamburg, ist jetzt wirklich aufgeregt. Nicht, weil er zum wiederholten Male auch an diesem Freitag die Schule schwänzt, sondern weil er es heute, hier in Hamburg, mit der derzeit bekanntesten Klimaaktivistin und Schulschwänzerin zu tun hat: mit Greta Thunberg aus Schweden, deren "Fridays for future"-Initiative binnen weniger Monate zu einer internationalen Bewegung geworden ist. Es ist acht Uhr morgens am Gänsemarkt in der Hansestadt, Greta ist noch nicht da. Warum er sich für den Schutz des Klimas einsetzt? "Es wird immer gesagt: Es wird was gemacht, es wird was gemacht, aber es wird nichts gemacht", sagt Andreas. "Und das stört uns, das muss geändert werden." Heute werden noch mehr seiner Mitschüler kommen als sonst, natürlich auch wegen Greta: "Wir sind tatsächlich aufgeregt, wir freuen uns riesig, dass sie hier nach Hamburg kommt. Sie ist ja nicht extra hierher gekommen, sondern sie ist auf Durchreise."

Andreas, Schüler aus Hamburg, setzt sich für den Klimaschutz ein Bild: DW/J. Thurau

Prominent binnen weniger Monate

Stimmt, und es klingt, als spreche man über eine Berufspolitikerin. Im Augenblick ist das irgendwie auch so. Greta kommt aus Brüssel, in den Wochen zuvor war sie schon auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz, auf der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz. Sie hat vor Politikern, Wirtschaftsbossen und Umweltaktivisten gesprochen, und sie sagte Sätze, die jeder versteht, auch heute hier in Hamburg wird sie später so sprechen: "Viel zu lange haben die Politiker und die mächtigen Leute abgewartet und nichts gemacht. Und wir werden dafür sorgen, dass sie damit nicht mehr durchkommen. Wir werden die Schulstreiks so lange fortsetzen, bis sie etwas unternehmen!" Bis sie den Klimawandel stoppen, meint sie damit. 

Ein einfacher Schulstreik

Begonnen hat das alles im August 2018. Da setzte sich die heute 16 Jahre alte Schülerin, anstatt zur Schule zu gehen, vor das Parlamentsgebäude in Stockholm. In den wenigen Monaten seitdem hat sie unzählige Nachahmer gefunden, in vielen Ländern - auch in Deutschland. Greta vergisst in keiner Rede zu erwähnen, wie wütend sie auf die älteren Generationen ist. Auch heute hier in Hamburg sind Tausende gekommen, zumeist mit dem Segen der Eltern und auch der Schulen. Was der Aktion, wie viele hinter vorgehaltener Hand zugeben, etwas den Reiz des Verbotenen nimmt.

Szenen wie beim Rockkonzert

Dann ist sie da. Nur ganz kurz hat Greta - bordeaux-rote Jacke, weiße Wollmütze, unter der Zöpfe hervorschauen - für die DW Zeit. Kühl und sachlich sagt sie: "Ich stehe hier nicht im Mittelpunkt, sondern das Klima, und darauf sollten wir uns konzentrieren. Es geht hier nicht um mich." Doch das ist so nicht richtig. Das zierliche Mädchen wird gefeiert wie ein Popstar. Sie läuft ganz vorn mit beim Demonstrationszug quer durch die Hamburger Innenstadt bis zum Rathaus, aber sie verschwindet fast hinter den Transparenten. Die Veranstalter sprechen von 10.000 Teilnehmern, die Polizei eher von 4000.

Zwischen 4000 und 10.000 Demonstranten sollen gemeinsam mit Greta Thunberg durch die Hamburger City gelaufen sein Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

Sie lächelt so gut wie nie. Links und rechts vom Demo-Zug laufen und kreischen Teenager, mit dem Handy im Anschlag versuchen sie, ein Bild mit dem Kampagnenstar hinzukriegen. An Selfies ist nicht zu denken. Denn alle kennen die Geschichte des Mädchens, das seit einigen Jahren weiß, dass es am Asperger-Syndrom leidet, einer milden Form des Autismus.

Klimaschutz - das Kampagnen-Thema dieser Tage.

Julia, 17 Jahre, Schülerin aus Hamburg, ist natürlich auch wegen Greta gekommen. Und für den Klimaschutz setzt sie sich ein, weil einerseits die Gegensätze zwischen Erforderlichem und der tatsächlichen Politik so heftig sind wie bei keinem anderen Thema. Und auch, weil Nachhaltigkeit für die heutige Schüler-Generation ein wichtiges Thema ist. Julia fasst das so zusammen: "In der Schule passiert bei mir tatsächlich gar nichts, was ich sehr enttäuschend finde. Aber ich lebe schon seit mehreren Jahren vegan." Der Kampf gegen Hitze und Dürre und Meeresspiegel-Anstieg ist weitaus attraktiver als die Beschäftigung mit Themen wie Aufrüstung, Terror oder gar dem Gegensatz von Arm und Reich.

Julia, 17, aus Hamburg: ist wegen Greta zur Demonstration gekommen, aber auch, weil ihr Nachhaltigkeit am Herzen liegtBild: DW/J. Thurau

Haß und Anerkennung im Netz.

Greta hat viele Fans, aber auch viele Gegner. In den sozialen Medien schlägt ihr viel Hass entgegen. Gerüchte machen die Runde, sie sei von äußerst ehrgeizigen Eltern zur Kampagnen-Leitfigur gemacht worden. Doch das streitet sie ab. Ihre Eltern seien nicht begeistert gewesen. Sie habe es ohne deren Unterstützung durchziehen müssen. Ein bisschen müde wirkt sie schon, als sie der DW sagt: "Ich habe gerade Ferien, also fahre ich jetzt nach Schweden nach Hause, heute Nachmittag, und Montag ist dann wieder Schule."

Kritik von Politikern

In Deutschland haben sich einige meist konservative Politiker, etwa der neue CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, schwer unbeliebt gemacht, als sie andeuteten, ein 16 Jahre altes Mädchen könne komplexe Zusammenhänge wie die Energieversorgung oder die moderne Landwirtschaft und die Folgen für das Klima gar nicht überblicken. Aber die meisten Politiker haben aufgehört damit, die Bewegung der Schülerin aus Schweden zu unterschätzen. Denn "Fridays for future" hat alles, was eine populäre Jugend-Bewegung braucht: ein klares, verständliches Thema, Wut im Bauch gegen die Eltern-Generation, einen emotionalen Zugang - und eine Leitfigur.

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