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"Wir brauchen jetzt Führung!"

20. August 2020

Greta Thunberg trifft in Berlin Kanzlerin Angela Merkel. Und fordert, die Klima-Krise genauso ernst zu nehmen wie das Coronavirus. Merkel verspricht, sich für ein schärferes EU-Klima-Ziel einzusetzen.

Deutschland Berlin Treffen Greta Thunberg Angela Merkel
Manchmal leicht genervt: Greta Thunberg am Mittwoch vor dem Kanzleramt in BerlinBild: Getty Images/AFP/O. Andersen

"Die Klimakrise muss genau so behandelt werden wie alle anderen herkömmlichen Krisen auch." Greta Thunberg ist wieder da, und natürlich sind die Zeiten ganz andere als vor genau zwei Jahren, als die junge Schwedin in ihrer Heimat mit ihren Klima-Schulstreiks begann. Und damit die weltweit erfolgreiche Klimabewegung "Fridays for future" in Gang setzte. Aber inzwischen hat die Corona-Krise auch den Kampf gegen den Klimawandel in den Hintergrund gerückt. Die ursprünglich für Ende des Jahres geplante Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow fällt nun aus.

Aber die Initiative "fridays for future" gibt es immer noch. Gerade haben sich Thunberg  und drei andere Aktivistinnen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin im Kanzleramt getroffen. Thunberg ist nach dem Treffen angetan von der Kanzlerin: "Man braucht jetzt Führungspersönlichkeiten, die an den Zielen des Pariser Abkommens hart arbeiten wollen. Frau Merkel hat das Potenzial, sie ist mutig", so die Klima-Aktivistin.

Die Pressekonferenz nach dem 90-Minuten-Treffen findet in der Nähe des Kanzleramtes statt, im Freien, auf einer Dachterrasse ohne jeden Schatten. Erbarmungslos brennt die Sonne vom Himmel, die Journalisten sitzen mit großen Abstand von einander und tragen Masken. Es ist, als wollten die Veranstalter klar machen: Der Klimawandel schreitet immer stärker voran, auch in Deutschland.

Abstand, Masken, Hitze: Journalisten warten auf Greta ThunbergBild: DW/J. Thurau

Offener Brief an die EU-Regierungschefs

Schon vor dem Treffen mit der Buneskanzlerin hatten sich Greta Thunberg und  drei Aktivistinnen der Bewegung in einem offenen Brief an alle EU-Staats-und Regierungschefs gewandt und ihre Forderungen konkretisiert. Es geht darin um jährliche und verbindliche Klimagas-Budgets, also Obergrenzen, die die Staaten einführen müssten. Außerdem wird dort nach einem "unverzüglichen Stopp der Gewinnung und Subventionierung fossiler Brennstoffen" gefordert. Dabei hat etwa Deutschland gerade erst nach mühsamem Ringen einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 beschlossen. "Unverzüglich" ist das sicher nicht. Auch die EU-Klimaziele, etwa das, bis 2050 Klima-Neutralität zu erreichen, gehen den Aktivistinnen nicht weit genug. Jede Klimapolitik, so heißt es weiter, müsse sich an den feierlichen Beschlüssen von Paris messen lassen, die Erdtemperatur nicht um mehr als zwei Grad, möglichst aber nur um 1,5 Grad steigen zu lassen.

Luisa Neubauer und Greta Thunberg: "Corona zeigt, was alles möglich ist an Krisenpolitik!"Bild: Getty Images/AFP/O. Andersen

Neubauer: "Corona zeigt, was möglich ist!"

Und schon kommt Corona wieder ins Spiel. Die deutsche Aktivistin Luisa Neubauer sagt: "Corona zeigt doch, was passiert, wenn die Politiker Krisen wirklich ernst nehmen." Die vielen Beschränkungen, die hohe Verschuldung, um die Wirtschaft zu stützen: vergleichbare Anstrengungen seien in der Klimakrise nirgends zu sehen. Später fügt Neubauer in einem TV-Interview hinzu: "Die Diskussionen, die wir unter Politikern, Wissenschaftlern und in der Gesellschaft über den Klimawandel haben, sind so weit entfernt von der tatsächlichen Realität da draußen." Damit meint sie immer größere Hitzerekorde, Dürren und Gletscherschmelzen.

Hier und da leicht genervt

Peinlich genau achten die Veranstalter während der Pressekonferenz darauf, dass nicht nur Fragen an die "Gallionsfigur" Thunberg gestellt werden. Das liegt auch daran, dass es in der Bewegung "fridays for future" zuvor einigen Unmut gab, weil weder der offene Brief noch das Treffen mit Merkel mit der Bewegung abgesprochen waren, sondern ausdrücklich als eine persönliche Aktion Thunbergs und ihrer drei Mitstreiterinnen bezeichnet wurde.

Neubauer und Thunberg am Konferenztisch mit Kanzlerin MerkelBild: picture-alliance/dpa/S. Kugler

"Es war wichtig, dass wir Frau Merkel jetzt getroffen haben, weil Deutschland aktuell eine sehr große Verantwortung aufgrund der EU- Ratspräsidentschaft im kommenden halben Jahr hat", sagt die französische Klima-Aktivistin Adélaïde Charlier dazu, die im Kanzleramt dabei war. Thunberg wirkt hier und da etwas genervt, und im Phoenix-Interview sagt die 17-jährige Schwedin: "Kein Teenager der Welt wünscht sich, seine Freizeit als Aktivistin oder Aktivist zu verbringen. Das macht man nicht aus Spaß. Aber wenn es kein anderer tut, müssen wir jungen Leute eben aufstehen. Aber ich würde es schon gern sehen, wenn mal jemand anderes aufstehen würde. Das darf nicht an den jungen Menschen und den Wissenschaftlern hängen bleiben."

"Die Erderwärmung ist eine globale Herausforderung"

Angela Merkel könnte so jemand sein. Nach dem Treffen heißt es in einer Mitteilung des Kanzleramtes, die Bekämpfung der Erderwärmung sei eine globale Herausforderung. Merkel sei sich mit Thunberg einig, dass den Industriestaaten bei der Bewältigung dieser Aufgabe eine besondere Verantwortung zukomme, teilt Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Ein Mittel sei die Verschärfung des EU- Klimaziels bis 2030. Der Plan, bis 2030 etwa 50, vielleicht sogar 55 Prozent an Klimagasen einzusparen, ist aber unter den Staaten heftig umstritten. Immerhin: Merkel sicherte den Aktivistinnen zu, für das Ziel zu kämpfen.

Thunberg: "Wir sind in einem Hamsterrad!"

Am Ende betont Thunberg noch einmal, wie wichtig es sei, mit gegenseitigen Schuldzuweisungen aufzuhören: "Wir sind in einem Hamsterrad", sagt sie. Es gehe nicht um die Forderung der Aktivisten, sondern um Erkenntnisse der Wissenschaftler. "Aber ja, es ist alles sehr komplex", sagt Thunberg dann. Aufgeben komme allerdings nicht in Frage.  

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