Grethe: "Immer nur kleine Schritte"
6. August 2013DW: Herr Grethe, braucht Europa noch Agrarsubventionen?
Harald Grethe: Ich bin der Meinung, dass die klassischen Agrarsubventionen nicht gebraucht werden. Immerhin stellen sie etwa 70 Prozent des Agrarhaushalts. Es sind Direktzahlungen, die pro Fläche ausgeschüttet werden - ohne konkrete Gegenleistungen.
Daneben gibt es zahlreiche Leistungen, die nicht entlohnt werden: Landschaftspflege - beispielsweise die Anpflanzung und Pflege von Hecken - oder auch Leistungen im Tierschutzbereich. Solche Arbeiten sollten in Zukunft entlohnt werden!
Wie würde eine Europäische Agrarwirtschaft ohne Subventionen aussehen?
Die Weltmarktpreise für Rindfleisch, Milch und Zucker würden sich nur um ganz wenige Prozentpunkte erhöhen. Auf Getreide und Ölsamen hätte ein Wegfall der Subventionen so gut wie keinen Einfluss.
Und für die Landwirte?
Relativ kleine Landwirte, die heute noch am Markt bleiben können, würden dann etwas verfrüht ausscheiden.
Und hätten wahrscheinlich nur eine Chance, wenn sie auf Naturschutz umstellen ...
Sie wären dann Landwirte und Landschaftspfleger. Aber genau das wollen viele Landwirte nicht sein. Doch Landschaftspflege spielt in Deutschland eine große Rolle - auch gesellschaftlich.
Die einen sagen, wir müssen unsere Ernährung umstellen und umweltfreundlicher produzieren. Andere wiederum argumentiert, dass die Weltbevölkerung wächst und deswegen die Nahrungsmittelproduktion in Europa steigen muss. Wer hat da recht?
Europa ist ein Naturraum, der für die Agrarpduktion besonders gut geeignet ist. Meines Erachtens trägt Europa deswegen auch eine Verantwortung, zur globalen Ernährungssicherung beizutragen. Allerdings muss man sich auch klarmachen, dass Hunger vor allen Dingen ein Armutsproblem ist. Selbst wenn wir in Europa so viel produzieren, dass die Weltmarktpreise etwas fallen, wird das Armutsproblem nicht aus der Welt geschafft.
Wie sehen die Europäischen Länder die Veränderungen im Agrarsektor?
Es gibt einige Staaten, vor allem Skandinavien, die Niederlande und Großbritannien, die sich stark für einen Abbau der klassischen Subventionen einsetzen. Die südeuropäischen Mitgliedsstaaten und einige der neuen Mitgliedsstaaten plädieren dafür, bei der gegenwärtigen Agrarpolitik zu bleiben. Das ist nicht erstaunlich, denn sie profitieren von der gegenwärtigen Agrarpolitik , weil ihnen mehr Mittel aus dem EU Haushalt zufließen als sie einzahlen.
Harald Grethe ist Agrarwissenschaftler an der Universität Hohenheim und berät das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Agrarpolitik.
Das Gespräch führte Sella Oneko