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Zwischen Inspiration und Bestürzung

Guy Hedgecoe (DW-Madrid) / nem6. Juli 2015

Die Anti-Spar-Partei Podemos bekommt nach dem Abstimmungserfolg für die griechische Schwester Syriza Rückenwind. Dabei ist Spaniens Wirtschaft im Aufwind. Guy Hedgecoe berichtet aus Madrid.

Spanische Demonstranten halten Schilder mit dem griechischen Wort "Nein" (Foto: Picture-alliance/dpa/Manu Fernández)
In Barcelona zeigen Menschen Solidarität mit den Nein-Sagern in GriechenlandBild: picture-alliance/dpa/Manu Fernandez

Der Twitter-Account von Pablo Iglesias, Vorsitzender der spanischen Anti-Spar-Partei Podemos, spricht Bände: "Heute hat in Griechenland die Demokratie gewonnen.", twitterte Iglesias, als sich am Sonntag der deutliche Sieg der Nein-Sager beim Referendum in Griechenland abzeichnete. Am selben Tag zeigte sich der 36-Jährige auf seinem Profilfoto in einer Umarmung mit dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras. Das Foto wurde im Januar aufgenommen, als Iglesias nach Athen gereist war, um Tsipras Linkspartei "Syriza" bei den Parlamentswahlen zu unterstützen und seine Ablehnung gegenüber der Sparpolitik der Europäischen Union deutlich zu machen.

Angesichts der ungewissen Zukunft der Griechen nach dem Referendum könnten auch andere EU-Länder ein Ende der Sparpolitik fordern. Und Spanien scheint dieser Tage besonders anfällig dafür zu sein. Das liegt nicht nur an der nach wie vor schwierigen wirtschaftlichen Lage des Landes mit hoher Arbeitslosigkeit. Der plötzliche Aufstieg der Protestbewegung Podemos zu einer neuen parlamentarischen Kraft in vielen Kommunen hat auch politische Unsicherheit verursacht.

Podemos-Chef Pablo Iglesias (links im Bild) freut sich mit Griechenlands Ministerpräsidenten Alexis TsiprasBild: Twitter

Regierung bleibt zuversichtlich

Spaniens konservative Regierung legt Wert darauf, zu betonen, dass sich die viertgrößte Volkswirtschaft des Euroraums gut erholt habe, seit sie im Jahr 2012 unter den 100-Milliarden-Euro-Rettungsschirm der EU geschlüpft war. Damals war Spaniens Finanzsektor ins Straucheln geraten. Letztlich benötigte das Land nur rund 41 Milliarden Euro von dem Kredit, um seine Banken zu sanieren und der Wirtschaft Auftrieb zu geben. Der Internationale Währungsfond (IWF) rechnet damit, dass Spanien im laufenden Jahr mit 3,0 Prozent wächst - das wäre deutlich mehr als der EU-Durchschnitt.

"Was gerade in Griechenland passiert, wird in Spanien nicht passieren. Denn wir sind ein glaubwürdiges Land", versicherte Premierminister Mariano Rajoy vergangene Woche als ihn Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy in Madrid besuchte. Rajoy verteidigt immer wieder die strikten Sparmaßnahmen, die seine Regierung in den vergangenen vier Jahren durchgeführt hat. Sie seien wirksame Schutzschilder gegen künftige wirtschaftliche Schocks.

Am Montag machte Wirtschaftsminister Luis de Guindos deutlich, dass er Spanien nicht in einer Liga mit dem überschuldeten Griechenland sehe. Dass Athen Reformen umsetze, sei unvermeidlich.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy (zweiter von rechts) übt sich einen Tag nach dem Griechenreferendum in ZuversichtBild: picture-alliance/dpa/C.Moya

Die Madrider Börse indes reagierte am Montag auf das Abstimmungsergebnis in Griechenland: Die Zinsen für spanische Staatsanleihen zogen am Montag leicht an. Der Wert von Staatsanleihen gilt als Schlüsselindikator für das Vertrauen der Finanzmärkte in die Bonität eines Landes. Der Zinsaufschlag vom Montag zeigt, dass auch Spaniens neu aufgestellte Wirtschaft nicht gefeit ist vor Marktturbulenzen.

Inspiration für Spanien

In Spanien teilt ohnehin nicht jeder Nicht die Meinung von Premier Rajoy über die Stärke der spanischen Wirtschaft: "Spanien muss genau aufpassen, was in Griechenland passiert", sagt Manuela González, die in der Madrider Innenstadt einen Zeitungskiosk betreibt, "ich kann mir sehr gut vorstellen, dass solche Ereignisse auch bei uns eintreten können." Sie verweist auf die Arbeitslosenquote von 24 Prozent. Von den unter 25-jährigen Spaniern hat sogar mehr als die Hälfte keinen Job. "Viele junge Menschen arbeiten unglaublich hart - bis zu zwölf Stunden am Tag - und verdienen damit gerade einmal 800 Euro im Monat. Damit können sie keine Zukunftspläne machen", so González. "Und das sind die, die überhaupt Arbeit haben."

Andere Spanier spekulieren darauf, dass die Abstimmung der Griechen weiterreichende politische Konsequenzen hat. "Das lässt mich hoffen", sagt José Angel Herencias, ein arbeitsloser Rechtsanwalt. "Das Nein war ein Nein zur Angst; es war ein Nein zu Sparzwängen und zur Unmoral." Herencias' Einstellung teilen auch viele Führungskräfte von Podemos - der Partei, der der Rechtsanwalt bei den Parlamentswahlen Ende des Jahres seine Stimme geben will.

Neue Linkspartei im Aufwind

In aktuellen Umfragen liegt Spaniens neue Linkspartei Podemos nur knapp hinter der regierenden Volkspartei PP. Bei den Kommunalwahlen im Mai zogen Podemos und andere linke Parteien in mehrere Rathäuser des Landes ein, unter anderem in den beiden größten und reichsten Städten Madrid und Barcelona.

Aus der Protestbewegung Podemos ist binnen eines Jahres eine linksradikale Partei mit Regierungsanspruch gewordenBild: DW/G. Hedgecoe

José Fernández-Albertos, Politikwissenschaftler im Obersten Rat für wissenschaftliche Forschung (CSIC), sieht zwei mögliche Folgen des Referendums der Griechen für Spaniens Parteienlandschaft und insbesondere für Podemos. "Die Tatsache, dass Griechenlands Wirtschaft in einer prekären Lage ist, ist schlecht für Podemos, weil es den Wählern Angst macht", erläutert Fernández-Albertos, der ein Buch über die Protestpartei geschrieben hat.

"Andererseits könnte es Podemos mittelfristig schaffen, die Menschen davon zu überzeugen, dass ein anderes Europa nötig ist und dass es nicht richtig ist, wenn Geldgeber ihren Kreditnehmern Auflagen aufzwingen." Diese Punkte würden den Spaniern Sorge bereiten, so Fernández-Albertos. Und die beiden etablierten Parteien des Lands, PP und PSOE (Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens), hätten versäumt, den Menschen diese Sorgen zu nehmen, sagt Fernández-Albertos: "Immer mehr Bürger lehnen hierzulande die Sparpolitik ab."

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