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Griechische Wähler strafen gemäßigte Parteien ab

Jannis Papadimitriou7. Mai 2012

Griechenland erlebt ein politisches Erdbeben. Bei den Parlamentswahlen stürzen die Traditionsparteien der Mitte, Nea Dimokratia und Pasok, dramatisch ab - zugunsten der extremen Lager.

Bild: AP

Er ist ein Sieger, der nicht gewonnen hat: Antonis Samaras, Parteichef der konservativen Nea Dimokratia, hat zwar die meisten Stimmen erhalten, aber trotzdem nur knapp 19 Prozent - das schlechteste Ergebnis in der Parteigeschichte. Selbst bei ihrer Wahlniederlage im Jahr 2009 hatte die bürgerliche Traditionspartei noch 33 Prozent der Stimmen erhalten.

Vor dem Urnengang erklärte Samaras, er wolle einen deutlichen Regierungsauftrag und habe daher nicht die Absicht, eine Koalition einzugehen. Am Sonntagabend reagierte der 61-jährige Ökonom mit Ernüchterung auf den Wahlausgang - und machte sich dann doch auf die Suche nach Koalitionspartnern: "Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen für die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit mit zwei ausschließlichen Zielen: Den Verbleib des Landes im Euroraum und die Veränderung der beschlossenen Sparpolitik" - denn nur so könne man Wachstum schaffen und der griechischen Gesellschaft beikommen. Dieser Vorschlag richte sich an alle politischen Kräfte im Land, betont der konservative Parteichef.

Antonis Samaras von der konservativen Nea DimokratiaBild: dapd

Linke fordert Kündigung der Sparauflagen

Während die Konservativen den bereits eingeschlagenen Sparkurs lediglich lockern wollen, erklärten die Linksparteien, sie würden die mit den internationalen Geldgebern vereinbarten Sparauflagen ganz aufkündigen. Vor allem Alexis Tsipras, Chef der "Koalition der Radikalen Linken" (Syriza) konnte im Vorfeld aus dieser Debatte politisches Kapital schlagen und steht nun als größter Gewinner des Wahlabends da: Er verdreifachte seinen Stimmenanteil auf knapp 17 Prozent und schmiedet jetzt, als Chef der zweitgrößten Partei im Land, eigene Koalitionspläne.

Alexis Tsipras, Chef der "Koalition der Radikalen Linken" (Syriza)Bild: picture-alliance/dpa

"Dieses Wahlergebnis ist eine Botschaft des Umbruchs in Griechenland und ganz Europa“, erklärte Tsipras vor seinen Anhängern in Athen. Die Völker Europas sollten sich nicht abfinden mit der "Barbarei" der Sparprogramme. Die politische Führung Europas, allen voran Angela Merkel, müssten sich die Niederlage der Austeritätspolitik eingestehen, meinte der Syriza-Chef.

Wahlschlappe für die Sozialisten

Die größte Enttäuschung des Wahlabends erlitt die sozialistische Regierungspartei Pasok, die von den Wählern offenbar nicht nur für den aktuellen Sparkurs, sondern auch für ihre ausufernde Schuldenpolitik der letzten dreißig Jahre abgestraft wurde. Die Sozialisten stürzen von 44 Prozent im Jahr 2009 auf knapp über 13 Prozent ab und sind damit nur mehr drittstärkste politische Kraft. Im Wahlkreis Athen-Innenstadt wird nur noch ein Pasok- Abgeordneter gewählt, in der Hafenstadt Piräus kein einziger.

Griechischer WahlzettelBild: dapd

Laut Verfassung muss der Staatspräsident den Wahlsieger, also in diesem Fall den konservativen Samaras, mit der Regierungsbildung beauftragen. Sollte keine Koalition zustande kommen, dann erhält drei Tage später die zweitstärkste oder - wenn nötig - drittstärkste Kraft den Auftrag, eine Regierung zu bilden. Wenn das alles nicht mehr hilft, kommt es zu Neuwahlen - eine Option, die schon heute viele Anhänger zu finden scheint.

Zum Zünglein an der Waage wird bei allen Koalitionsgesprächen die gemäßigte "Demokratische Linke", die auf 6 Prozent der Stimmen kommt. Parteichef Fotis Kouvelis machte allerdings deutlich, auch er werde das laufende Sparprogramm nicht unterstützen.

"Wir werden keine Politik verfolgen, die zur Verelendung des Volkes und der Gesellschaft beiträgt und wir wollen auch kein linkes, demokratisches Alibi für diese Politik sein", erklärte Kouvelis. Seine Partei halte weiter an ihren Wahlkampfpositionen fest: Sie sei gegen den Sparkurs, aber doch für die Europazugehörigkeit Griechenlands.

Politikverdrossenheit spielt Extremisten in die Hände

Auch die Sozialisten unter der Führung des Ex-Finanzministers Evangelos Venizelos plädieren für eine Koalition aller pro-europäischen Kräfte, zugleich aber auch für eine teilweise Neuverhandlung der Sparauflagen.

Evangelos Venizelos, Parteivorsitzender der sozialistischen PasokBild: dapd

Loukas Tsoukalis, Vorsitzender des Athener Think Tanks Eliamep warnt im griechischen Staatsfernsehen vor überzogenen Erwartungen an die EU-Partner: "Ich befürchte, dass zweierlei Dinge geschehen könnten: Erstens, dass Griechenland unregierbar würde und zweitens, dass das Land nicht mehr mit dem Rest der Welt kommunizieren vermöge." Selbstverständlich sei die Entscheidung des Volkes zu respektieren. Aber wenn diese Entscheidung das Regieren oder die Kommunikation mit dem Rest der Welt erschwere, dann gäbe es doch ein Problem, so der Ökonom.

Ein Problem für die etablierten Parteien dürfte aber erst einmal der Einzug der rechtsextremen "Goldenen Morgendämmerung" ins Parlament darstellen. Parteichef Nikolaos Michaloliakos warnte auf einer Pressekonferenz, er würde seinen Kampf "innerhalb und außerhalb des Parlaments" fortführen.

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