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Politik

Griechen wählen neues Parlament

7. Juli 2019

In Griechenland findet eine vorgezogene Parlamentswahl statt. Alle Umfragen deuten auf einen Machtwechsel hin. Als Favorit gilt die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia unter ihrem Präsidenten Mitsotakis.

Griechenland: Wahlplakat der Syriza-Partei in Athen
Wahlplakat der Syriza-Partei in AthenBild: DW/I. Anastassopoulou

Griechenlands jüngster Regierungschef seit 150 Jahren könnte von den Wählern aufs Altenteil geschickt werden. In den Umfragen für die vorgezogenen Neuwahlen des griechischen Parlaments liegt die regierende linke Syriza-Partei von Alexis Tsipras mit rund zehn Prozentpunkten deutlich hinter den Konservativen von Kyriakos Mitsotakis.

Der 44-jährige Tsipras will sich nicht kampflos geschlagen geben. "Niemand darf den Urnen fernbleiben, niemand darf diesem Kampf ausweichen", sagte er vor Sympathisanten in Athen und warnte vor einem Sieg der Konservativen. "Jeder muss sich bewusst machen, wo Griechenland im Jahr 2014 stand, und wo es heute steht."

Als Tsipras 2015 an der Spitze seiner Syriza-Partei das Ministerpräsidentenamt eroberte, stand sein Land vor dem Bankrott. Der frühere Ingenieur regierte im ständigen Spagat zwischen den Forderungen der internationalen Geldgeber, Ausgaben zu kürzen und wirtschaftsliberale Reformen umzusetzen, und eigenen sozialpolitischen Vorstellungen.

Griechische Gesamtverschuldung weiterhin die höchste der EU-Länder

Im August 2018 verließ das Land schließlich den Euro-Rettungsschirm. Die Arbeitslosigkeit ist in Tsipras' Regierungszeit von 26 auf 18 Prozent gefallen. Mit fast 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist die griechische Gesamtverschuldung aber weiterhin bei weitem die höchste der EU-Länder. Zugleich stieß Tsipras mit seiner Politik vor allem die Linken vor den Kopf.

Griechenlands Konservative brachte er etwa mit einer teilweisen Legalisierung von Cannabis, der Stärkung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und dem Recht für Transgender-Menschen, selbst ihr Geschlecht zu bestimmen, gegen sich auf. Auch mit Griechenlands mächtiger orthodoxer Kirche legte sich der bekennende Atheist Tsipras wiederholt an.

Der Chef der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia, Kyriakos MitsotakisBild: Getty Images/AFP/M. Karagiannis

Der größte Widerstand schlug Tsipras bei dem nach eigener Auffassung größten Erfolg seiner Amtszeit entgegen: der Einigung im jahrzehntelangen Namensstreit mit dem benachbarten Mazedonien, das sich in Nordmazedonien umbenannte. Viele Griechen reklamieren den historischen Begriff Makedonien weiter für sich und kritisieren den Kompromiss. Nichtsdestotrotz werden Tsipras und Nordmazedoniens Regierungschef Zora Zaev als Kandidaten für den Friedensnobelpreis gehandelt.

Konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia könnten möglicherweise alleine regieren

Bei der Europawahl Ende Mai wurde Syriza mit 23,7 Prozent abgestraft. Als Konsequenz ließ Tsipras die Parlamentswahlen um drei Monate vorziehen. Sollte die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia die regierenden Linken wie erwartet überflügeln, winkt ihr die alleinige Regierungsmehrheit, weil das griechische Wahlgesetz der stärksten Partei einen 50-Sitze-Bonus im 300-Sitze-Parlament zuspricht.

ND-Chef Mitsotakis würde dann voraussichtlich in die Fußstapfen seines Vaters treten, dem früheren Regierungschef Konstantinos Mitsotakis. Politik liegt in der Familie: Kyriakos Mitsotakis war nach seinem Harvard-Studium und seiner Zeit als Berater bei McKinsey in London bereits kurze Zeit Minister für Strukturreformen. Seine Schwester war Außenministerin und Bürgermeisterin von Athen. Nun regiert sein Neffe die Hauptstadt. 

Mitsotakis verspricht jedoch, mit dem in Griechenland beinahe traditionellen Nepotismus zu brechen und keine Ämter an Verwandte zu vergeben. In den vergangenen Jahren war es ihm gelungen, die ND zu modernisieren und viele Kandidaten unter 40 Jahren zu präsentieren. Wähler lockt er vor allem mit dem Versprechen eines wirtschaftlichen Aufschwungs.

Aber nicht nur Tsipras droht eine Niederlage: Auch die rechtsextreme Goldene Morgenröte hat nach einer Dekade beständiger Wahlerfolge bei Europa- und Kommunalwahlen im Frühjahr deutliche Verluste eingefahren. Viele Stimmen verlor sie an die neue nationalistische und pro-russische Partei Griechische Lösung.

Nach EU- und Kommunalwahlen ist die Wahl zum Parlament der dritte Urnengang binnen weniger Monate. Deshalb und auch, weil viele Griechen zum Höhepunkt der Touristensaison anderes zu tun haben, wird mit einer niedrigen Beteiligung gerechnet.

hf/cgn (rtr, afp, dpa)

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