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Griechenland: Harter Kurs gegen Migration trifft Tourismus

Kaki Bali (Athen/Tinos)
23. Juli 2025

Die Tourismusbranche in Griechenland leidet unter akutem Personalmangel. Sie ist auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Doch Athen schreckt Zuwanderer mit harten Maßnahmen ab und beschränkt die Migration.

Junge Menschen an einem Strand, sie sitzen auf oder neben Liegestühlen unter schilfgedeckten Sonnenschirmen. Im Hintergrund ist das Meer zu sehen
Eine Strandbar auf der Insel Tinos - die Touristen sind da, die Arbeitskräfte fehlenBild: Kaki Bali

"Ich würde schon heute auf Knien bis zur Kirche von Megalochari gehen, um rechtzeitig einen Mitarbeiter für das nächste Jahr zu finden", sagt Matina, die Besitzerin der schicken Boutique "Armonia" auf Tinos. Sie spricht die bekannteste Wallfahrt der Griechen an, die jedes Jahr am 15. August auf der Kykladeninsel stattfindet. Die Pilger bewegen sich auf Knien den langen Weg hinauf zur Kirche und beten, dass die Heilige Maria ihre Wünsche nach Gesundheit, Hilfe und Unterstützung erfüllt.

Auch Matina hofft auf Hilfe: Sie sucht verzweifelt nach Personal - mit wenig Erfolg, obwohl auf Tinos die Gehälter ein bisschen höher sind als in Athen und obwohl sie eine Unterkunft anbieten kann. Aber es wird immer schwieriger, Arbeitskräfte für die Sommersaison zu finden. Fast überall auf der beliebten Urlaubsinsel sieht man Schilder mit der Aufschrift: "Personal gesucht".

Auf Knien zur Mutter Gottes: Statue einer Pilgerin vor der Wallfahrtskirche Panagia Evangelistria auf TinosBild: Kaki Bali

Im Juweliergeschäft neben der Boutique versteht die freundliche Verkäuferin Tamar kaum Griechisch. Sie kann nur die üblichen Begrüßungsworte sprechen und wechselt dann sofort ins Englische. Um zu verstehen, was die älteren griechischen Kunden wollen, muss sie ihren Chef holen. Der Juwelier ist trotzdem zufrieden, eine Mitarbeiterin für den ganzen Sommer gefunden zu haben. Tamar kommt aus Georgien, ist legal als Saisonkraft nach Griechenland gekommen und arbeitet seit einem Monat auf Tinos. 

Griechische Hoteliers suchen händeringend Unterstützung

Theoretisch könnten mehr Menschen wie Tamar legal nach Griechenland zum Arbeiten kommen. Im vergangenen Frühling hat das Land entsprechende Vereinbarungen mit Armenien, Georgien und der Republik Moldau sowie mit Indien, den Philippinen und Vietnam geschlossen und sich darin verpflichtet, 40.000 ausländische Arbeitskräfte anzuwerben. Doch in Wirklichkeit werden diese Vereinbarungen kaum oder nur sehr langsam umgesetzt.

Die Bürokratie ist kompliziert, die griechischen Konsulate im Ausland sind unterbesetzt und die Angebote nicht besonders attraktiv. Also suchen Hoteliers im ganzen Land immer noch händeringend nach Rezeptionisten, Reinigungskräften, Bademeistern, Türstehern, Kellnern und Köchen. Nach Angaben des griechischen Hotelverbandes fehlen mindestens 60.000 Arbeitskräfte in ihrer Branche. 

Ein noch nie dagewesener Mangel an Arbeitskräften

Dies sei zum Teil ein Erbe der Corona-Pandemie der Jahre 2020-2023, das in ganz Europa zu spüren sei, meint Jorgos Hosoglu, Präsident der Panhellenischen Föderation der Beschäftigten im Lebensmittel- und Tourismussektor. In Griechenland sei das Problem besonders akut: "Wir erleben einen noch nie dagewesenen Mangel an qualifizierten und erfahrenen Arbeitskräften, insbesondere im Hotel- und Gaststättengewerbe, nachdem die Arbeitnehmer während des Lockdowns abgewandert sind. Viele sind nie in die Branche zurückgekehrt."

Auf dem Schild im Schaufenster der Patisserie steht: "Personal dringend gesucht" Bild: Kaki Bali

Nach Ansicht von Hosoglu ist die Saisonabhängigkeit der Branche dafür verantwortlich. Wenn die Touristen weg und die Hotels und Strandbars geschlossen sind, haben die Arbeitnehmer nur drei Monate lang Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung. "Wie sollen sie den Rest des Jahres überleben, besonders jetzt, wo doch seit langem die Lebenshaltungskosten ansteigen?"

Außerdem suchen immer mehr jüngere Griechinnen und Griechen ihr Saisonglück in Nordeuropa, sogar im fernen Island. Und viele Albanerinnen und Albaner, die jahrzehntelang in Griechenland als billige Arbeitskräfte geschuftet haben, stehen entweder kurz vor der Rente oder wandern ab.

Die vergessenen Albaner 

Tatsächlich stützt sich die griechische Wirtschaft schon seit den 1990er Jahren auf Einwanderung, sowohl im Tourismus-Sektor als auch in der Landwirtschaft und im Baugewerbe. Bis zur Wirtschaftskrise war Griechenland stark auf Arbeitskräfte aus Albanien angewiesen. Während der Laufzeit der "Rettungsprogramme" (2010-2018) ging der Bedarf stark zurück. Nach der Pandemie vervielfachte er sich jedoch, da sich die Wirtschaft erholte und der Tourismus stark anstieg.

Die gleiche Entwicklung gab es gleichzeitig in anderen Ländern, die wettbewerbsfähigere Löhne und einfachere Legalisierungsverfahren für Zuwanderer anbieten. Daher kehrten viele ausgewanderte Landarbeiter nie nach Griechenland zurück. Es scheint daher klar, dass Griechenland eine attraktive Einwanderungspolitik braucht. Zu den 60.000 Arbeitskräften, die im Tourismus zusätzlich benötigt werden, kommen noch 50-60.000 im Baugewerbe und 60.000 im Agrarsektor hinzu. 

Athen: Rechtsruck statt vernünftiger Einwanderungspolitik 

Doch die konservative Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat sich entschieden, die Antimigrationskarte zu spielen. Sie setzt darauf, dass der beste Weg, um Krisen, Skandale und das Umfragetief zu überwinden, darin besteht, hart gegen Einwanderer vorzugehen. Ziel ist es, rechte Wähler zu gewinnen.

Bereits der frühere Migrationsminister Makis Voridis, der wegen eines Skandals um illegale EU-Agrarsubventionen Ende Juni zurückgetreten ist, hat das Leben vieler legaler Einwanderinnen und Einwanderer schwer gemacht. Sein erster Schritt bestand darin, die Möglichkeit einer Fristverlängerung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis "einzufrieren". Dies stellt für Zugewanderte, die - manche schon seit Jahren - im Land leben und arbeiten, ein großes Problem dar. 

Plakat des Ministeriums für Einwanderung und Asyl: 'Gefängnis oder Rückkehr' Bild: Kaki Bali

Der neue Minister, der rechtsextreme Thanos Plevris, hat sich seit seinem Amtsantritt kaum mit der dringend notwendigen legalen Einwanderung beschäftigt. Stattdessen hat er sofort eine weitere Verschärfung des Asylrechts - bis hin zu seiner Aushöhlung - vorangetrieben. Nach seiner Überzeugung ist die Rückführung illegaler Einwanderer die oberste Priorität. Laut Plevris haben Migranten, die illegal nach Europa einreisen oder deren Asylantrag abgelehnt wird, kein Recht, sich in Europa aufzuhalten. Sie müssen sofort in ihre Länder zurückkehren.

"Gefängnis oder Rückkehr"

Beim informellen EU-Rat der Innen- und Einwanderungsminister in Kopenhagen (22.07.2025) machte Plevris deutlich, dass Griechenland den zunehmenden Zustrom von Migranten aus Libyen nicht bewältigen könne. Laut dem griechischen Außenministerium handelt es sich seit Beginn des Jahres um 9000 Menschen,  die meist über die Insel Kreta ins Land gekommen sind. Stolz präsentierte Plevris sein neues Gesetz. Es sieht eine Gefängnisstrafe von zwei bis fünf Jahren für abgelehnte Asylbewerber vor, die nicht in ihre Heimat zurückkehren. "Wer sich illegal in unserem Land aufhält, hat zwei Möglichkeiten: Gefängnis oder Rückkehr", sagte der Minister und ließ ein Plakat mit dieser Aussage erstellen und über die sozialen Medien verbreiten.