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Griechenland diskutiert über den Umgang mit Israelis

Kaki Bali (aus Athen)
25. Juli 2025

Auf der griechischen Insel Syros haben Demonstranten israelische Touristen nicht von Bord eines Kreuzfahrtschiffes gehen lassen - aus Protest gegen die Katastrophe in Gaza. Dies hat im Land heftige Debatten ausgelöst.

Eine Frau in orangenem Shirt schwenkt eine palästinensische Flagge. Im Hintergrund ist ein Kreuzfahrtschiff zu sehen
Demonstranten auf der griechischen Insel Syros protestieren gegen die Ankunft eines israelisches KreuzfahrtschiffesBild: Nikos Panagiotopoulos/InTime News/AP Photo/picture alliance

"Ich möchte mich bei diesen Menschen entschuldigen. Ich möchte Israel eine Botschaft der großen Verbundenheit und Freundschaft übermitteln, um zu sagen, dass Israelis in Hellas willkommen sind und dass Antisemitismus hierzulande keinen Platz hat." Mit diesen Worten reagierte der griechische Gesundheitsminister Adonis Georgiadis auf die Proteste gegen israelische Urlauber auf der Insel Syros.

Am Dienstag hatten etwa 300 Demonstranten die Ausfahrt des Hafens besetzt, während das Kreuzfahrtschiff "MS Crown Iris" der israelischen Reederei Mano mit israelischen Touristen an Bord vor Anker ging. Die Demonstranten trugen palästinensische Flaggen und ein Plakat mit der Aufschrift "Stoppt den Völkermord", um gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen zu protestieren.

Die Aktion war von Mitgliedern lokaler Vereine und Gewerkschaften auf Syros organisiert worden. Sie wollten damit zeigen, dass es inakzeptabel sei, Touristen aus Israel willkommen zu heißen, während die Palästinenser im Gazastreifen verhungern.

Palästinensische Frauen stehen am 22.07.2025 in Gaza an einer Verteilstätte für Nahrungsmittel an - nach Angaben der WHO leiden 1,8 Millionen Menschen unter extremem HungerBild: Ali Jadallah/Anadolu/picture alliance

An Bord des Schiffes, das aus Rhodos kam, waren 1600 Passagiere, die am Sonntag in Israel in See gestochen waren. Mehrere von ihnen reagierten verärgert auf die Proteste im Hafen, einige schwenkten große israelische Flaggen, andere beschimpften die Demonstranten und skandierten "Möge dein Dorf niederbrennen", ein Slogan, den israelische Rechtsextremisten gegen Palästinenser richten. Am Ende entschied die Reederei, dass die Passagiere in Syros nicht von Bord gehen sollten. Die "Crown Iris" fuhr weiter nach Limassol auf Zypern.

Hafenarbeiter blockieren Fracht

Solche Episoden sind in Griechenland eher selten. Es gibt weniger propalästinensische Demonstrationen als in anderen europäischen Ländern. Aber immer wieder zeigen die griechischen Gewerkschaften Flagge gegen den Krieg, wenn eine für Israel bestimmte militärische Fracht im Hafen von Piräus ankommt.

So versuchten Hafenarbeiter und Bürger am 16.07.2025 zu verhindern, dass Rüstungsgüter für den Weitertransport nach Israel entladen werden. Es ging um das Schiff "Cosco Shipping Pisces", das Berichten zufolge Container mit Material für militärische Zwecke transportierte.

Versammlung propalästinensischer Demonstranten am 16.07.2025 im Hafen von Piräus. Sie protestieren gegen die Verladung von Rüstungsgütern für IsraelBild: Stelios Misinas/REUTERS

Die Gewerkschaft der Hafenarbeiter betonte, die Arbeiter würden es nicht zulassen, "dass der Hafen zu einem Stützpunkt für den Krieg wird". Ähnliche Aktionen fanden schon im Oktober 2024 statt, und sie sollen laut Gewerkschaft fortgesetzt werden.

Diskussion um Antisemitismus

Anlässlich der Episode auf Syros entflammte in der griechischen Öffentlichkeit eine heftige Diskussion. Viele Griechen halten die Aktion für rassistisch und bezeichnen die Demonstranten als "unverschämte Faschisten". Andere stehen auf der Seite der Demonstranten. Sie argumentieren, dass sich die israelischen Touristen, die Griechenland besuchen, über die Massaker informieren sollten, die ihre Regierung in Gaza anrichte.

Dabei werfen diejenigen, die in der Debatte klar auf der Seite Israels stehen, ihren Gegnern immer wieder Antisemitismus vor. Und das, obwohl unter den größten Unterstützern des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu auch ehemalige Rechtsradikale sind, die traditionell antisemitisch waren, jetzt aber Israels militärische Stärke bewundern. Sie sehen Israel inzwischen als starken Verbündeten, hauptsächlich gegen die Türkei, aber auch im Kampf gegen die Muslime, denen sie vorwerfen, nach Europa zu kommen um "unsere Zivilisation zu untergraben".

Propalästinensische Demonstration in Athen im Mai 2021 während der militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und der HamasBild: Angelos Tzortzinis/AFP/Getty Images

Propalästinensisch sind eher die Linken, die sich vehement gegen den Vorwurf des Antisemitismus wehren. Sie argumentieren, dass der Antisemitismus durch das "verbrecherische Vorgehen Israels gegen die Zivilbevölkerung in Gaza" sogar genährt werde. 

Erst neutral, dann eher propalästinensisch

Alle Umfragen zeigen, dass knapp die Hälfte der Griechen in Bezug auf den Krieg in Gaza neutral ist. Nach 21 Monaten Krieg nimmt die Zustimmung zu Israel bei der anderen Hälfte der Bevölkerung jedoch ab. Auf die Frage des Thinktanks Eteron am 26.04.2025, wen sie nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 und nach der israelischen Intervention in Gaza unterstützen, antworteten 40,9 Prozent: "keine Seite". 30 Prozent favorisieren die Palästinenser, 17,6 Prozent stehen auf der Seite Israels. Im November 2023, unmittelbar nach dem Terroranschlag auf den Süden Israels, waren noch 34 Prozent auf der Seite Israels.

Dabei sind die Anhänger der konservativen regierenden Nea Dimokratia fast zu 50 Prozent proisraelisch, genauso wie die Anhänger der rechten Splitterpartei Foni Logikis. Unter den Wählern der Sozialdemokraten von PASOK dagegen sind nur 12 Prozent proisraelisch, 34 propalästinensisch, alle anderen stellen sich auf keine Seite. Dagegen sind die Anhänger aller linken Parteien, von der Kommunistischen Partei bis zu den vier Parteien, die aus der Zersplitterung von SYRIZA stammen, zwischen 74 und 86 Prozent propalästinensisch.

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis trifft den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu im September 2024 auf ZypernBild: Petros Karadjias/AFP

Premierminister Kyriakos Mitsotakis unterstützt Israel und seine Regierung klar und ohne Einschränkungen. Er nennt Netanjahu "seinen Freund" und hat ihn sogar in Israel besucht, nachdem der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den israelischen Premier erlassen wurde. Und als Israel im Juni 2025 den Iran angriff, hatte es zuvor seine zivilen Flugzeuge auf griechischen Inseln in Sicherheit gebracht. Netanjahus Regierungsmaschine "Schwinge Zions" wurde in Athen geparkt.

Der griechische Außenminister Giorgos Gerapetritis dagegen bemühte sich lange um eine ausgewogenere Haltung. Er kontaktierte mehrfach die palästinensische Führung und hält an der Zweistaatenlösung fest. 

Griechenland unterzeichnete auch die Resolution von 28 Staaten, die Israel vor wenigen Tagen aufgeforderten, das Leid in Gaza zu beenden und seinen humanitären Verpflichtungen gegenüber der Zivilbevölkerung nachzukommen. 

Für die linke griechische Opposition ist die Haltung der Regierung "politisch, juristisch und moralisch falsch", denn sie dulde Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. In einer gemeinsamen Erklärung Ende Mai forderten die Fraktionsvorsitzenden von SYRIZA, KKE, Plevsis Eleftheria und Neue Linke die Regierung auf, die militärische Zusammenarbeit mit Israel zu beenden.

Eine strategische Beziehung

Die enge Zusammenarbeit mit Israel begann lange bevor Mitsotakis Premierminister wurde. Das enge Bündnis zwischen beiden Ländern wurde ab 2008 geschmiedet. Im Jahr 2010 fand der historische Besuchsaustausch zwischen den Ministerpräsidenten Griechenlands und Israels, Georgios Papandreou und Benjamin Netanjahu, statt. Seitdem haben alle griechischen Regierungen auf die strategische Zusammenarbeit mit Israel gesetzt.

16.08.2010: Der griechische Regierungschef Georgios Papandreou empfängt seinen israelischen Amtskollegen Benjamin NetanjahuBild: Aris Messinis/AFP

Davor waren die griechisch-israelischen Beziehungen eher kühl, Athen war traditionell proarabisch. Griechenland war das einzige europäische Land, das 1947 aufgrund seiner traditionellen Verbindungen zur arabischen Welt gegen den Teilungsbeschluss der Vereinten Nationen stimmte, die Grundlage für die Gründung des Staates Israel.

Obwohl Griechenland Israel im März 1949 de facto anerkannte, wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern erst am 23. Mai 1990 vollständig hergestellt. Unter dem damaligen Premier Konstantinos Mitsotakis, dem Vater des heutigen Regierungschefs, erkannte Griechenland den israelischen Staat de jure an und knüpfte gleichzeitig diplomatische Beziehungen zur PLO und den Palästinensern.

 

Heute sind die Beziehungen zwischen beiden Ländern auf allen Ebenen eng, vor allem in Bezug auf wirtschaftliche, energiepolitische und militärische Zusammenarbeit. Für Israelis ist Griechenland - schon wegen der geografischen Nähe - ein attraktives Urlaubsziel, griechisches Essen und griechische Musik sind in Israel sehr beliebt. Viele griechische Künstler treten regelmäßig in Israel auf. Kürzlich geriet die populäre Sängerin Glykeria in Griechenland in die Kritik Beschuss, als sie trotz Boykottforderungen eine Konzertreise nach Israel unternahm.

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