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Politik

Griechenland: Ein unbekannter Holocaust-Schauplatz

Chrysa Vachtsevanou
21. Dezember 2020

Die Kriegsverbrechen der Nazis in Griechenland sind den meisten Deutschen wenig präsent. Eine Gedenkstätte in Münster informiert deshalb nun über Griechenlands Opferdörfer und Märtyrerstädte im Zweiten Weltkrieg.

Deutschland Ausstellung Villa ten Hompel Deutsche Verbrechen in Griechenland
Mitarbeiter der Gedenkstätte "Villa ten Hompel" in Münster und Exponate des "Gallery Walk"Bild: Corinna Koselleck

Die Besetzung Griechenlands durch die deutsche Wehrmacht (1941-45) und die Frage nach der Wiedergutmachung für die damals begangenen Verbrechen belasten auch 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg noch immer die deutsch-griechischen Beziehungen. Die Debatte um die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der deutsch-griechischen Vergangenheit ist in beiden Ländern nach wie vor nicht abgeschlossen.

Dass Griechenland auch ein wichtiger Schauplatz des Holocausts war, wird in der deutschen Erinnerungskultur bis heute zudem kaum beleuchtet. Deshalb soll von jetzt bis Februar 2021 ein "Gallery Walk" am Zaun der Gedenkstätte für Verbrechen von Polizei und Verwaltung in der NS-Zeit "Villa ten Hompel" in Münster über die Verbrechen der Nazis in Griechenland informieren.

"Im Gegensatz zu dem, was die Mehrheit der Griechen glaubt, wissen die wenigsten Menschen in Deutschland und Europa etwas über die Opferdörfer und Märtyrerstädte Griechenlands", unterstreicht Babis C. Karpouchtsis, Politikwissenschaftler und Doktorand an der Friedrich-Schiller Universität Jena. "Die Massaker an Dorfbewohnern, die Massenerschießungen von Unschuldigen, die Deportation und Ermordung der griechischen Juden sind weiterhin unbekannt."

Teilnehmende der Reise des Arbeitskreises aus NRW am Mahnmal für die ermordeten Juden in ThessalonikiBild: Villa ten Hompel

Die Idee einer Ausstellung entstand im September 2019 im Rahmen einer Delegations- und Austauschreise des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V. Geplant und durchgeführt wurde der Besuch von Prof. Dr. Alfons Kenkmann und Peter Römer, damals Geschäftsführer und Vorstandsassistent des Arbeitskreises. Auch Dr. Christoph Spieker, der Leiter der Villa ten Hompel, nahm teil. Anschließend konzipierten er, Kenkmann und Römer den "Gallery Walk" mit dichten und sehr emotionalen Eindrücken von den griechischen Erinnerungsorten.

Neues Thema dank Migration

"Der Arbeitskreis hat immer wieder Kontakt zu internationalen Partner gesucht", erklärt Römer. "So gab es in den vergangenen Jahren Reisen nach Polen und Israel. Die sind ja aus deutscher Sicht die 'klassischen' Länder, in denen man sich in Richtung Holocaust und NS-Aufarbeitung orientiert. Wir nehmen aber auch wahr, dass wir uns in einer Migrationsgesellschaft befinden. Vor allem in NRW gibt es sehr viele griechischstämmige Menschen. Und so wurde Griechenland zum Thema, da es dort viele deutsche Verbrechen gegeben hat."

Das Denkmal für die 500 bei einer Massenerschießung ermordeten Einwohner des Dorfes KalavrytaBild: Babis C. Karpouchtsis

Innerhalb einer Woche reiste die deutsche Delegation quer durch Griechenland - und entdeckte dabei das ganze grausame Spektrum der jüngeren Geschichte: Von dem Dorf Kandano auf Kreta, das während der Schlacht um die Insel 1941 niedergebrannt worden war, über die Massenerschießungen in den Ortschaften Kaisariani und Kalavryta bis hin zur Vernichtung der jüdischen Gemeinde in Thessaloniki.

Beschämende Hybris der Deutschen

"Ich fand es wirklich beschämend, wie wenig Reparationen in den 50er Jahren gezahlt worden sind", berichtet Alfons Kenkmann. "Wenn man dann an den Orten des Holocaust und in den Dörfern war, in denen die Zivilbevölkerung ermordet wurde oder Massenerschießungen stattfanden, dann bin ich über die Hybris der Deutschen der 50er Jahren sehr beschämt."

Teilnehmende der Reise des Arbeitskreises aus NRW in der Gedenkstätte KaisarianiBild: Villa ten Hompel

Der eigentlich für dieses Jahr geplante griechische Gegenbesuch musste aufgrund der Corona-Pandemie auf 2021 verschoben werden. Das Wichtige aber ist für Kenkmann, dass eine erste Kontaktaufnahme initiiert wurde - und "dass die Griechen dadurch bemerken, dass es in der Zivilgesellschaft in NRW durchaus auch Vertreter ihrer Interesse geben könnte".

Ein neuer Kommunikationskanal

Kenkmann will mit der Initiative einen neuen Kommunikationskanal zwischen Deutschland und Griechenland schaffen. Im Rahmen der Städtepartnerschaft Leipzig-Thessaloniki will er vor allem Austauschprojekte vorantreiben, die sich mit dem berüchtigten KZ Pavlos Melas in der nordgriechischen Metropole beschäftigen.

Auch der Jenaer Politikwissenschaftler Babis C. Karpouchtsis betont, wie wichtig derartige Austauschprojekte für die gemeinsame wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der deutschen Besatzungsvergangenheit in Griechenland sind: "Sowohl der offene Dialog der Zivilgesellschaft als auch der Besuch von Forschungsgruppen und Wissenschaftlern fördern unser geschichtliches Verständnis und Wissen - und stärken damit die Demokratie auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene."