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Politik

Griechenland: 150 Euro für die Impfung

6. Juli 2021

Um die Tourismus-Saison zu retten, zahlt die griechische Regierung Geimpften unter 26 Jahren eine Prämie von 150 Euro. Doch das finden nicht alle gut.

Griechenland Corona-Pandemie | Bar auf Kreta
Dicht auf dicht statt AHA-Regeln: Gäste einer Bar auf der griechischen Insel KretaBild: Louisa Gouliamaki/Getty Images/AFP

Die Straße vor dem "Chelsie" ist rappelvoll. Theoretisch darf man nicht vor der Kneipe stehen, seitdem es Corona gibt, sondern muss auf Stühlen sitzen, die nicht zu nah beieinanderstehen sollen. Aber die Gäste des Chelsie, die meisten junge Leute zwischen 20 und 30, scheinen die COVID-19-Pandemie vergessen zu haben.

Es ist Sommer, es ist heiß, es ist Partyzeit. Und die Angst vor dem Virus hat nachgelassen - genauso wie der Wille, sich impfen zu lassen. Statt über 100.000 Impfungen pro Tag ist der Impf-Rhythmus in Griechenland auf 85.000 gefallen. Darum versucht die Regierung in Athen nun, die Bürger zum Impfen zu animieren. Und das auch mit Geld.

Ab dem 15.07.2021 werden alle Geimpften unter 26 Jahren 150 Euro erhalten. Die Prämie soll nach der ersten Impfdosis als digitales Guthaben ausgezahlt werden und kann für Schiff-, Zug- und Flugtickets, Ferienunterkünfte oder für den Eintritt zu Konzerten und Museen verwendet werden. Premierminister Kyriakos Mitsotakis sprach feierlich von einem "Freedom Pass", von dem etwa 940.000 jüngere Bürger profitieren könnten.

Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis beim Besuch einer Schule in Athen im September 2020Bild: Thanassis Stavrakis/Getty Images/AFP

"Die Idee finde ich toll. So kann ich ein Wochenende auf einer Insel verbringen", sagt Marialena, 20, die ihr Bier im Chelsie trinkt und bisher nicht geimpft ist. Nach der Ansprache des Premierministers - "damit will der Staat den jungen Menschen für ihr verantwortungsvolles Handeln danken", sagte Mitsotakis - hat sie einen ersten Impftermin gebucht.

"Eine Unverschämtheit"

Das Pärchen nebenan findet Marialenas Aussage überhaupt nicht gut: "Das ist eine Unverschämtheit. Wir haben uns schon impfen lassen, weil wir es für richtig halten. Wir brauchen keine Belohnung", sagt Kostas, 24, der eine 140-Kilometer-Fahrt von Athen in die Küstenstadt Nafplion in Kauf genommen hat, um gegen Corona geimpft zu werden. Seine Freundin Chrysanthi fügt hinzu, dass Leute, die sich nicht impfen lassen wollen, auch für Geld ihre Meinung nicht ändern würden.

Für Nena, die in der benachbarten Kneipe "Ramon" jobt, sind die 150 Euro "pure Bestechung". Die 25-Jährige ist richtig sauer: "Das Geld sollte die Regierung in mehr Busse investieren, so dass wir nicht wie Vieh gedrängt fahren müssen und dabei angesteckt werden." Nena muss auf dem Weg zur Arbeit zweimal umsteigen, die Busse sind fast immer voll und oft tragen die Fahrgäste keine Maske - oder sie tragen sie falsch.

Fehlender Impfwille

Sauer ist Nena auch auf ältere Mitbürger, die sich nicht impfen lassen: "Wir haben ein ganzes Jahr aufgepasst, um unsere Großeltern und Eltern zu schützen - und jetzt, wo es einen Schutz gibt, machen viele von ihnen nicht mit", erklärt sie. Tatsächlich wurden von den Einwohnern Griechenlands zwischen 50 und 60 Jahren bis Anfang dieses Monats nur 62 Prozent geimpft, obwohl sie seit über zwei Monaten Termine buchen könnten.

Impfung gegen Corona in einem Krankenhaus in AthenBild: Giorgos Kontarinis/ANE Edition/imago images

Insgesamt wurden bis zum 5. Juli fast vier Millionen griechische Bürger vollständig geimpft, also etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung. Das liegt weit unter den Erwartungen vor Impfbeginn: Ursprünglich wollte die Regierung mindestens 50 Prozent vor der Eröffnung der Tourismus-Saison Mitte Mai geimpft haben. Aber erst war der Impfstoff knapp - und jetzt fehlt es an Impfwillen.

Vorteile für "COVID Free"-Läden

Neben dem Geldgeschenk für die Jungen hat die Regierung auch Vorteile für andere voll Geimpften angekündigt - und weitere Einschränkungen für Impfmuffel. Ab dem 15.07.2021 sollen Gastronomen selbst entscheiden dürfen, ob sie nur Geimpfte in ihren Cafés, Bars oder Restaurants zulassen und diese dann bis zu 85 Prozent der Kapazität füllen dürfen - oder aber "gemischte Räumlichkeiten" mit 50 Prozent der Kapazität anbieten.

Man werde zwischen zwei Optionen differenzieren, teilte das zuständige Ministerium Ende Juni mit: Zwischen "COVID Free"-Läden, in denen nur vollständig Geimpfte oder Genesene zugelassen seien, und gemischten Räumen, die auch von ungeimpften Menschen besucht werden könnten. Neben der Gastronomie können auch Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe selbst entscheiden, wie sie den COVID-Schutz handhaben.

Übler Beigeschmack

Lina Haritou, die Wirtin des Ramon, hat sich schon entschieden: "Ich verzichte auf die 'COVID Free'-Vorteile. Ich werde nicht kontrollieren, ob meine Gäste geimpft sind oder - noch schlimmer! - ob ihr Impfzertifikat echt ist", erklärt sie gegenüber der DW. Die 40-Jährige ist längst geimpft und versucht, alle ihre Mitarbeiter zu überzeugen, sich auch impfen zu lassen. Sie findet aber, dass die "COVID Free"-Idee einen "üblen Beigeschmack" hat.

Gäste in einer Bar in Griechenland im Mai 2021Bild: Angelos Tzortzinis/dpa/picture alliance

"Noch mehr Diskriminierungen können wir nicht gebrauchen", meint Lina. "Und soweit ich weiß, gibt es keine Impfpflicht in Griechenland." Vor drei Wochen hat Wirtschaftsminister Adonis Georgiadis im Fernsehen gesagt, dass Arbeitnehmern, die sich der Impfung verweigern, gekündigt werden kann; diese Aussage wurde prompt von einer Regierungssprecherin dementiert. Aber die Diskussion über Impfpflicht wird noch heiß werden, auch wenn diese nicht durch die griechische Verfassung abgedeckt ist.

Stadien nur für Geimpfte

Zu den Sportstadien, die seit dem 1. Juli zum ersten Mal wieder für Besucher geöffnet sind, werden nur voll geimpfte Personen Zutritt haben. Das hatte als erster der Inhaber des Fußballvereins Olympiakos F.C., Vangelis Marinakis, für das Stadion in Piräus angekündigt - und erst anschließend die Regierung für die Stadien im ganzen Land.

Ab dem 15.07.2021 müssen nicht immunisierte Personen für den Eintritt in geschlossenen Räume - also Clubs, Discos, Konzerthallen usw. - aber auch für Freilichtkinos und -theater, in denen sich größere Menschenmengen ansammeln, einen negativen Corona-Test vorweisen.

Testen reicht nicht

Auch nicht immunisierte Schiffspassagiere müssen seit dem 5. Juli einen negativen Rapid-Test vorweisen, der bei einem Arzt gemacht werden muss. Ein einfacher - und oft unzuverlässiger - Selbsttest reicht nicht mehr aus. Das macht Sinn, wenn man die Verbreitung der Delta-Variante des Coronavirus auf den griechischen Inseln rechtzeitig stoppen will. Aber: Kontrollen auf den Fähren gibt es zumindest bisher nicht.

Passagiere vor einer Fähre im griechischen Hafen Piräus im Juni 2021Bild: Aris Messinis/Getty Images/AFP

Man hat sich viel von diesem Sommer versprochen, mindestens 50 Prozent der Einnahmen von 2019 - im damaligen Tourismus-Superjahr waren das ohne Kreuzfahrten 18 Milliarden Euro. Aber die Touristen aus England kommen noch nicht, die Deutschen erst jetzt und die Russen sehr zögerlich. Ein Grund: Geimpfte haben in Griechenland fast alle Freiheiten - aber der russische Impfstoff "Sputnik V" wird nicht anerkannt. Der Traum von einem guten Tourismussommer könnte ein Traum bleiben.